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Täuschung und Moral in charismatischen Pfingstkirchen in Kenia

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Moralische Kollektive

Part of the book series: Wissen, Kommunikation und Gesellschaft ((WISSEN))

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Zusammenfassung

Die verbreiteten charismatischen Pfingstkirchen in Kenia können als moralische Kollektive gesehen werden, in denen ausgehandelt wird, was ein moralisch aufrechtes Leben ist. Die Kirchgebäude enthalten das Bühnenbild der Vorderbühne, auf der das moralische Kollektiv im Rahmen von Gottesdiensten und anderen Anlässen Drehbüchern folgend inszeniert wird. Wenn die anderen Mitglieder des Ensembles die Darstellung auf der Vorderbühne akzeptieren, ist eine akzeptable Identität als wiedergeborener Christ oder wiedergeborene Christin hergestellt. Wird das Verhalten angeprangert und die Hinwendung zur charismatischen Pfingstkirche als oberflächlich und damit trügerisch kritisiert, steht das Ansehen der betroffenen Person auf dem Spiel. Die Sanktionsmacht dieser moralischen Kommunikation, welche die Form von praktischen Erfahrungen und Gerüchten annehmen kann, ist allerdings eingeschränkt durch die Möglichkeit des ‚church hopping‘. Bei Skandalen, einer weiteren Form der moralischen Kommunikation, zeigt sich häufig eine bemerkenswerte Loyalität der Ensemblemitglieder. In den diskutierten und möglicherweise auch anderen moralischen Kollektiven bedingt die Diskussion um die moralische Norm auch deren Übertretung, damit von moralischen Kollektiven die Rede sein kann.

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Notes

  1. 1.

    Sheng ist eine Sprache, die sich hauptsächlich unter jungen Einwohnerinnen und Einwohner der Armenviertel von Nairobi herausgebildet hat und ständig weiterentwickelt wird. Sie basiert auf dem Swahili, integriert aber Lehnwörter aus dem Englischen und verschiedenen regionalen kenianischen Sprachen.

  2. 2.

    Bruder Paul wurde in Kenia unter seinem ursprünglichen Namen Kamlesh Pattni landesweit berüchtigt als Direktor von Goldenberg International und vermutlicher Drahtzieher des größten Korruptionsskandals Kenias, bei dem mindestens 500 Mio EUR aus den Staatskassen verschwanden. Die 1994 erfolgte Anklage gegen Pattni beschäftigt die Gerichte bis heute. Pattni blieb bislang in dieser Angelegenheit straffrei, war aber wegen Mord im Gefängnis. Im Laufe des Goldenberg-Skandals „begegnete der Hindu Pattni Jesus“ und wurde 2001 von Bischof Arthur Kitonga der Redeemed Gospel Church auf den Namen Paul getauft (Gifford 2009: 239). 2007 wurde Paul zum Pastor ordiniert. Neben seiner charismatischen Pfingstkirche Hope International Ministries, in der auch der in Fußnote 4 beschriebene Maina Njenga verkehrt, führte Pattni auch eine Wohltätigkeitsorganisation. Pattni hat mehrmals erfolglos versucht, für ein politisches Amt gewählt zu werden. Auf neue Untersuchungen zum Goldenberg-Skandal hat er jeweils mit einer christlichen Rhetorik reagiert, wonach der Wille Gottes geschehen werde und er als Wiedergeborener keine Angst vor einer irdischen Strafverfolgung habe.

  3. 3.

    Die englischen Zitate wurden vom Autor sinngemäß ins Deutsche übersetzt.

  4. 4.

    Mungiki entstand in den späten 1980er Jahren als neo-traditionelle prophetische Bewegung und entwickelte sich zu einer mächtigen und teilweise anti-christlichen und gewalttätigen Selbstverteidigungsgruppe, deren Mitgliederzahl zeitweise auf 1.5 Mio geschätzt wurde. Der spirituelle Anführer Maina Njenga konvertierte mit anderen leitenden Figuren im September 2000 kurzzeitig zum Islam, um Schutz vor staatlicher Repression zu suchen. Mehrere nachfolgende Versuche, aus Mungiki eine eigenständige politische Kraft zu machen, scheiterten ebenso wie mehrere Versuche von Njenga, für ein politisches Amt zu kandidieren. Verschiedene kursierende Gerüchte sind sich darüber einig, dass Njenga im Umfeld der Wahlen von 2007 und seiner Verhaftung Mungiki aufgelöst habe und als Christ wiedergeboren wurde, einigen Stimmen zufolge in der Kirche von Margaret Wanjiru. Er hat später seine eigene charismatische Pfingstkirche gegründet.

  5. 5.

    Margaret Wanjiru wird ab Seite 189 ausführlicher beschrieben.

  6. 6.

    Der Wahlkampf 2017 ist das jüngste Beispiel für die Durchdringung der kenianischen Politik mit religiöser Symbolik.

  7. 7.

    Es war Kitonga, der ein Jahr zuvor Kamlesh Pattni getauft hatte.

  8. 8.

    Die Kirche gehört zu den größeren in Nairobi. Untergebracht in einer eher heruntergekommenen alten Industriehalle, hat sie ein relativ aufwendiges Bühnenbild (technische Infrastruktur, Dekoration).

  9. 9.

    Kamanda ist 1997 für die Democratic Party (DP) angetreten, 2002 dann für die Koalition, zu welcher die DP gehörte (NARC) und hat schließlich 2013 den Sitz für die Jubilee Koalition wieder zurückgewonnen.

  10. 10.

    Außerdem wurde sie zur Hochschule zugelassen, obwohl sie kein Abitur hatte und erhielt ihr Doktoratszeugnis vor ihrem Bachelorabschluss.

  11. 11.

    Auch Juliani ist trotz moralischer Widersprüche als Gospelmusiker erfolgreich: Er singt ein Lied (Hela) über sexuelle Abstinenz mit der Sängerin LC, mit der er angeblich ebenso ein nicht eheliches Kind habe wie mit seiner Freundin, einer bekannten Schauspielerin.

  12. 12.

    Allerdings wird uns diese Warnung durch Loddfafnir übermittelt, dessen Name ‚derjenige, der durch Täuschung erhält‘ bedeutet (Ogino 2007: xi).

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Künzler, D. (2019). Täuschung und Moral in charismatischen Pfingstkirchen in Kenia. In: Joller, S., Stanisavljevic, M. (eds) Moralische Kollektive. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22978-8_10

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