Zusammenfassung
In den vergangenen Jahren wird in den Leitmedien wie in der Wissenschaft vermehrt über Verschwörungstheorien diskutiert, die über soziale Medien verbreitet werden. Im Vordergrund stehen dabei meist Eigenschaften wie (übermäßige) Reduktion von Komplexität, Irrationalität und eine Tendenz zur Selbstimmunisierung sowie daraus resultierende Gefahren für den demokratischen Diskurs. In diesem Beitrag wird das Phänomen der Verschwörungstheorie mit Befunden aus Politikwissenschaft, Wissenssoziologie und Psychologie näher betrachtet und festgestellt, dass sie in der Regel weniger mit einer pathologischen Irrationalität ihrer Vertreter als mit einer bestimmten sozialen Position (Außenseitertum, politische Ohnmachtsgefühle) erklärt werden können. Unterschieden wird weiterhin zwischen heterodoxen und orthodoxen Verschwörungstheorien nach dem Grad ihrer gesellschaftlichen Anerkennung. Das Konzept wird schließlich an die kommunikationswissenschaftlichen Diskurse um Framing und Gegenöffentlichkeit angeschlossen, verbunden mit der Anregung, Verschwörungstheorien als themenunabhängige Basis-Frames sowohl in alternativen als auch in etablierten Medien zu untersuchen.
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Krüger, U., Seiffert-Brockmann, J. (2019). Die Komplexitätsreduktion der Ohnmächtigen?. In: Dernbach, B., Godulla, A., Sehl, A. (eds) Komplexität im Journalismus. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22860-6_8
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