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Transnationale und örtliche Arbeitnehmervertretungen. Die rechtlichen Beziehungen zwischen Europäischem Betriebsrat und nach nationalem Recht errichteten Arbeitnehmervertretungen auf lokaler Ebene

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Vernetzt und verbunden - Koordinationsprobleme im Mehrebenensystem der Arbeitnehmervertretung
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Zusammenfassung

Der folgende Beitrag behandelt aus der Perspektive des Arbeitsrechts die komplexen Beziehungen zwischen transnationaler Arbeitnehmervertretung am Beispiel des Europäischen Betriebsrates und örtlichen Arbeitnehmervertretungen, die nach dem Recht der Mitgliedstaaten der EU errichtet sind. Die praktische Bedeutung dieser Fragestellung liegt vor allem darin, dass sich die Zuständigkeiten von Europäischem Betriebsrat und örtlichen Arbeitnehmervertretungen gerade in wirtschaftlichen Fragen überschneiden und es deshalb einer rechtlichen Abstimmung der Vertretungstätigkeit auf der transnationalen und örtlichen Ebene bedarf. Der Aufsatz arbeitet die zentralen Mechanismen einer Abstimmung zwischen den beiden Vertretungsebenen heraus, wie sie im Unionsrecht aber auch in dessen Umsetzung angelegt sind. Diese rechtliche Zuordnung zwischen den Beteiligungsebenen wird schließlich mit der zunehmenden Praxis transnationaler Kollektivvereinbarungen zwischen Europäischen Betriebsräten und zentralen Leitungen gemeinschaftsweit operierender Unternehmen oder Unternehmensgruppen konfrontiert: Solche transnationalen Kollektivvereinbarungen könnten gerade auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Angelegenheiten die Kräfteverhältnisse zulasten der örtlichen Arbeitnehmervertretungen verschieben.

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Notes

  1. 1.

    Grundlegend zum Schutz der Tarifautonomie als Teil des Grundrechts der Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG BVerfG, Urt. v. 18.11.1954 – 1 BvR 629/52, BVerfGE 4, 96 ff.; vgl. zuletzt BVerfG, Urt. vom 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2017, 2553 ff. (Rn. 131) m. w. N.

  2. 2.

    Rechtsgrundlagen der unternehmerischen Mitbestimmung bilden das Mitbestimmungsgesetz von 1976 (MitbestG), das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG), das Montan-Mitbestimmungsgesetz (Montan-MitbestG) sowie das Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz (MitbestErgG).

  3. 3.

    Für einen rechtsvergleichenden Überblick über unterschiedliche Typen der Arbeitnehmervertretung siehe Schlachter und Seifert (2015, S. 330 ff. m. w. N.).

  4. 4.

    dazu im Überblick statt vieler Däubler 2017, S. 68 ff. m. w. N.

  5. 5.

    Das erstmals im Betriebsrätegesetz 1920 verankerte Umlageverbot sollte vor allem die Bildung von überbetrieblichen revolutionären Betriebsrätezentralen verhindern, die sich durch Beiträge der Arbeitnehmer finanzierten; zu diesem Entstehungskontext des Umlageverbotes siehe Flatow und Kahn-Freund (1932), Betriebsrätegesetz 1920, § 37, Rn. 1).

  6. 6.

    zum Tarifvorrang ausführlich Seifert 2000, S. 60 ff. m. w. N.

  7. 7.

    Allerdings geht die Rechtsprechung inzwischen davon aus, dass die Verschwiegenheitspflicht, welcher die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat unterliegen (vgl. § 116 Satz 1 und 3 AktG), auch im Verhältnis zu Betriebsräten gilt: vgl. BAG, Beschl. v. 23.10.2008 – 2 ABR 59/07, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 2009, 855 ff.; ebenso OLG Stuttgart, Beschl. v. 07.11.2006 – 8 W 388/06, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (NZG) 2007, 72 ff. Demgegenüber hat sich Kittner (1972, S. 208 ff.) für die Zulässigkeit einer Unterrichtung von Betriebsräten des Unternehmens durch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ausgesprochen; die Ansicht stellt jedoch im Schrifttum eine nur von ganz wenigen Autoren vertretene Minderheitsposition dar.

  8. 8.

    Seine Zusammensetzung und Aufgaben sind dem Europäischen Betriebsrat nachgebildet: vgl. Richtlinie 2001/86/EG v. 08.10.2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl. EG 2001 Nr. L 294/22.

  9. 9.

    Auch ihre Bestellung richtet sich nach den Vorschriften der Richtlinie 2001/86/EG.

  10. 10.

    vgl. dazu den rechtsvergleichenden Überblick bei Schlachter und Seifert 2015, S. 334 ff. m. w. N.

  11. 11.

    Richtlinie 2009/38/EG v. 06.05.2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (Neufassung), Amtsblatt EG 2009 Nr. L 122/28.

  12. 12.

    Richtlinie 2002/14/EG v. 11.03.2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft, ABl. EG 2002 Nr. L 80/29.

  13. 13.

    Vgl. Richtlinie 98/59/EG v. 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen, ABl. EG 1998 Nr. L 225/16.

  14. 14.

    Vgl. Richtlinie 2001/23/EG v. 12.03.2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen, ABl. EG 2001 Nr. L 82/16.

  15. 15.

    Zu diesem Entwicklungsprozess einer gewerkschaftlichen Dominanz des Betriebsrätewesens siehe auch die inzwischen schon klassische industriesoziologische Studie von Brigl-Matthiaß (1926, S. 36 ff.).

  16. 16.

    Vgl. Art. L. 426-4 (1) Code du travail luxembourgeois. Zu dieser faktisch zumeist bestehenden Personalunion zwischen beiden Ämtern siehe Seifert (2018).

  17. 17.

    So auch Oetker (2014), § 11 EBRG, Rn. 5. Sofern in Betrieben, die unter den Geltungsbereich des BetrVG fallen, keine Betriebsräte gebildet worden sind, ist das Fehlen eines Betriebsrates nach der Konzeption des Gesetzes auf den Willen der Arbeitnehmer des Betriebes zurückzuführen, da es die Arbeitnehmer selbst in der Hand haben, einen Betriebsrat zu wählen.

  18. 18.

    Sie sind vom persönlichen Geltungsbereich der Betriebsverfassung ausgenommen (vgl. § 5 Abs. 3 BetrVG).

  19. 19.

    dazu statt vieler Oetker (2014), § 11 EBRG, Rn. 4 m. w. N.

  20. 20.

    Art. 32 (2) Collectieve Arbeidsovereenkomst Nr. 101 v. 21.12.2010 betreffende de informatie en de raadpleging van de werknemers in ondernemingen of concerns met een communautaire dimensie.

  21. 21.

    Vgl. Schedule Subsidiary Requirements, The Transnational Information and Consultation of Employees Regulations 1999.

  22. 22.

    Vgl. Art. 17 (1) Ley 10/1997 v. 24.04.1997 sobre derechos de información y consulta de los trabajadores en las empresas y grupos de empresas de dimensión comunitaria (BOE A-1997-8874). Die aus Spanien kommenden Mitglieder des Europäischen Betriebsrates werden vom Comité de empresa (Art. 63 Estatuto de los trabajadores) gewählt.

  23. 23.

    so auch Oetker (2018), Art. 12 RL 2009/38/EG, Rn. 6.

  24. 24.

    Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorgabe der Richtlinie 2009/38/EG durch § 1 Abs. 7 EBRG umgesetzt.

  25. 25.

    Weitergehend sogar Oetker (2018), Art. 10 RL 2009/38/EG, Rn. 9), demzufolge „die Information der örtlichen Arbeitnehmervertretungen unabhängig davon zu erfolgen hat, ob die zentrale Leitung diesbezüglich eine Pflicht zur Verschwiegenheit begründet hat“.

  26. 26.

    Ausführlich zum GM-Fall siehe EMF (2005) und Schulten et al. (2002); allgemein zu transnationalen Kollektivvereinbarungen über Unternehmensumstrukturierungen siehe Hall und Carley (2006).

  27. 27.

    dazu Mählmeyer et al. 2017.

  28. 28.

    Vgl. aber die für die Europäische Kommission entwickelten rechtspolitischen Vorschläge von Ales et al. (2006).

  29. 29.

    vgl. Schmidt 2001, S. 332.

  30. 30.

    Der Ales-Bericht spricht von einer ‚absence of formal legitimacy‘ von Eurobetriebsräten bei der Aushandlung solcher Vereinbarungen mit der zentralen Leitung (siehe Ales et al. 2006, S. 35).

  31. 31.

    vgl. Schiek 2001, S. 218, 229

  32. 32.

    So ist der Tarifvertrag im TVG und die Betriebsvereinbarung in § 77 BetrVG gesetzlich näher ausgeformt.

Literatur

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Seifert, A. (2019). Transnationale und örtliche Arbeitnehmervertretungen. Die rechtlichen Beziehungen zwischen Europäischem Betriebsrat und nach nationalem Recht errichteten Arbeitnehmervertretungen auf lokaler Ebene. In: Haipeter, T., Hertwig, M., Rosenbohm, S. (eds) Vernetzt und verbunden - Koordinationsprobleme im Mehrebenensystem der Arbeitnehmervertretung . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22309-0_4

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