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Normative Implikationen der erziehungswissenschaftlichen Biografieforschung

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Normativität in der Erziehungswissenschaft

Zusammenfassung

Der Beitrag thematisiert mögliche Verletzungen des Postulats der Wertfreiheit in der erziehungswissenschaftlichen Biografieforschung unter der Annahme einer inhärenten Normativität ihrer grundlegenden Konzepte. Während sich die interpretative Methodologie explizit vom „normativen Paradigma“ abgrenzt, können heuristisch verwendete Begriffe der Bildung und Erziehung als zentrale Quelle von Normativität in der erziehungswissenschaftlichen Biografieforschung vermutet werden. Anhand ausgewählter Studien wird gezeigt, dass Verletzungen des Wertfreiheitspostulats auch andere Quellen haben und akzeptabel sind, insofern dadurch universelle (moralische) Werte zum Ausdruck gebracht werden. Die Diskussion dieses Ergebnisses mündet in den Vorschlag, die erziehungswissenschaftliche Biografieforschung ethisch zu fundieren, indem Kategorien der (analytischen) Ethik als „sensitizing concepts“ heuristisch verwendet werden, gegenüber ihren Geltungsansprüchen jedoch Neutralität gewahrt wird.

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Notes

  1. 1.

    Den Begriff der Norm auf „generalisierte Handlungsanweisungen“ zu beschränken, also auf präskriptive Aussagen, die Handlungen regulieren und Urteilsgründe über Handlungen abgeben (Ott 2011, S. 474), macht in unserem Zusammenhang keinen Sinn, weil im Diskurs um die Normativität der Erziehungswissenschaft sowohl moralische als auch außermoralische Werte sowie moralische Pflichten und korrespondierende Rechte thematisch sind.

  2. 2.

    Nach Klaus Reisinger und Oliver R. Scholz (2001) ist für Kant das Vorurteil Ausdruck eines „passiven Gebrauchs der Vernunft“, insofern Urteile ohne Prüfung ihres (sinnlichen oder vernunftmäßigen) Ursprungs und ihrer Richtigkeit angenommen werden. Der Versuch von Gadamer die Tradition und das mit ihr verbundene Vorurteil gegenüber der Kritik der Aufklärung zu „rehabilitieren“ (vgl. Gadamer 1960, S. 250 ff.) grenze Vorurteil und Vorverständnis nicht hinreichend voneinander ab (Reisinger und Scholz, S. 1260).

  3. 3.

    Vgl. zu dieser Analyserichtung und ihrer Theoriesprache einschlägige Texte von Fritz Schütze (1983, 1984, 1987) Thomas Reim und Gerhard Riemann (1997).

  4. 4.

    Im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm wird Verwahrlosung als „vernachlässigung durch mangel an pflege, sorgfalt, interesse“ bzw. als „nachlässigkeit, unachtsame handlungsweise“ bezeichnet (Grimm und Grimm 2004, Bd. 25, Sp. 2090–2091).

  5. 5.

    Schondelmayer schreibt: „Er charakterisiert somit die „Kultur“ der „Schwarzen“, ihre Bewertung und Einschätzung, im Rahmen der Interaktion mit „Weißen“. Das eigene (weiße) Verhalten wird damit durch die Augen der Anderen beurteilt.“ (2010, S. 277).

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Kreitz, R. (2019). Normative Implikationen der erziehungswissenschaftlichen Biografieforschung. In: Meseth, W., Casale, R., Tervooren, A., Zirfas, J. (eds) Normativität in der Erziehungswissenschaft. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21244-5_19

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