Schlüsselbegriffe

1 Theoretische Grundlagen des Ingredient Branding

Bereits im antiken Ägypten markierten Handwerker ihre Ziegel, da sie der Meinung waren, dass ihre eigenen Ziegel von höherer Qualität seien als die Ziegel ihrer Wettbewerber (Esch 2006, S. 3629). Schon im damaligen Handelsverkehr wurden so markenähnliche Symbole und Schriftzüge verwendet, um die Herkunft von Vorprodukten entsprechend zu kennzeichnen. Diese historische Perspektive zeigt, dass Kennzeichnungen zur Differenzierung bestimmter Güter oder zur Markierung einer Leistung keine Erfindung der Neuzeit sind.

Die Marke nach unserem heutigen Verständnis entwickelte sich jedoch erst in den letzten einhundert Jahren. Die Bedeutung der Marke kann dabei über das „eigentliche“ Produkt hinausgehen. Häufig werden Kaufentscheidungen nicht am sachlichen Produktnutzen oder an Produkteigenschaften festgemacht, sondern an den Assoziationen, die mit dem Produkt verbunden werden (Aaker 1992, S. 22; Esch 2006, S. 3629). Bei zahlreichen Kaufentscheidungen – insbesondere bei erklärungsbedürftigen Produkten – ist die Informationsasymmetrie zwischen dem Kunden auf der einen und dem Hersteller auf der anderen Seite der Bedeutung der Marke zuträglich. In diesem Fall fungiert die Stärke der Marke als Ersatzindikator für die Qualität des Produkts. Diesen Qualitätstransfer kann sich auch ein Hersteller von Vorprodukten zunutze machen, wenn er seine Leistungen so markiert, dass sie in der weiteren Produktion nicht untergehen, sondern für den Konsumenten sichtbar bleiben oder sogar explizit in die Endproduktwerbung aufgenommen werden. Durch diese Kennzeichnung löst sich der Vorprodukthersteller aus der Anonymität und trägt seinen Teil dazu bei, dass die Informationsasymmetrie beim Endkunden abgemildert wird. Gleichzeitig kann der Vorprodukthersteller seine Position gegenüber seinem Abnehmer stärken. Insbesondere aufgrund der abnehmenden Fertigungstiefe der Folge‑ und Endprodukthersteller, die eine immer größere Zahl an Vorprodukten auslagern, konkurrieren zahllose Komponentenhersteller um die Fertigungsverträge (Krüger und Homp 1997). Um dieser Substitutionsgefahr zu entgehen, streben Komponentenhersteller daher immer häufiger nach der Umsetzung einer stufenübergreifenden Markenstrategie (Simon und Sebastian 1995, S. 42 ff.).

Der Austritt aus der Beliebigkeit kann über die Markierung (Branding ) der „Zutaten“ (Ingredients) des Folge‑ bzw. Endprodukts durch den Vorprodukthersteller erfolgen, das sogenannte Ingredient Branding. Grundsätzlich versteht man darunter die „promotion of the ingredient to the final user“ (Norris 1992, S. 20). Das Ingredient Branding gehört allerdings nicht zu den strategischen Ansätzen, die neuen Ursprungs sind. Vielmehr lassen sich die ersten Ansätze bereits in den 1930er‐Jahren nachweisen (Corey 1962; Hertzberg 1963). Trotz dieser langen Zeit rückte das Ingredient Branding erst in den vergangenen Jahren zunehmend in den Vordergrund marktstrategischer Entscheidungen der Vorprodukthersteller (Baumgarth 1998; Pförtsch und Müller 2006, S. 1). Hierfür mögen die allseits bekannten Erfolgsgeschichten von Intel und GORE‐TEX® ihren Beitrag geleistet haben.

Die weiteren Ausführungen dienen dazu, nicht nur anhand ausgewählter Beispiele die Potenziale des Ingredient Brandings herauszustellen, sondern auch ausgewählte Erfolgsfaktoren kritisch zu beleuchten. Dabei werden zwei Perspektiven eingenommen, zum einen die des Vorproduktherstellers, und damit des eigentlichen Rechteinhabers der Ingredient Brand, und zum anderen die des Endproduktherstellers und seiner Marke, der sogenannten „Hostbrand“. Eine Ingredient Brand ist die Marke des Herstellers eines Vorprodukts (z. B. die Marke Intel als Hersteller von Computerprozessoren als Vorprodukt), die neben der Hostbrand des Folgeprodukts (z. B. Dell als Hostbrand des Folgeprodukts Computer) als zusätzliche Markierung auf dem Folgeprodukt für den Endnachfrager deutlich zu erkennen ist. Somit kann jede existierende Marke in Form einer Ingredient Brand verwendet werden. Die Hostbrand bezeichnet die Hauptmarkierung des Endprodukts durch das Markensymbol des Endproduktherstellers (z. B. die Hostbrand Dell als Markensymbol des Endproduktherstellers von Computern).

Die mit den beiden Perspektiven verbundenen Begriffszuordnungen – Ingredient Brand einerseits, Hostbrand andererseits – zeigen schon, dass in der Diskussion um das Ingredient Branding eine saubere Begriffsabgrenzung notwendig ist. Im Folgenden wird daher dieser Notwendigkeit Genüge getan, um daran anschließend die allgemeine Bedeutung des Ingredient Brandings durch einige bekannte Fallbezüge herauszustellen. Im Anschluss daran werden nochmals die wesentlichen Erfolgsfaktoren für eine Ingredient Brand aus den beiden Perspektiven – Ingredient Brand versus Hostbrand – aufgezeigt. Der Begriff des Ingredient Brandings kann in der wörtlichen Übersetzung zunächst als Markierung von Bestandteilen bezeichnet werden. Wie bereits skizziert, wird unter Ingredient Branding der explizite Hinweis auf die Herkunft ausgewählter Bestandteile eines Folgeprodukts durch den Folge‑ oder Endprodukthersteller verstanden. Dieser Hinweis ist häufig in Form einer zusätzlichen Markierung des Folgeprodukts durch die Marke des Vorproduktherstellers zu erkennen.

Ingredient Branding steht somit einerseits für eine „… marktstufenübergreifende Markenpolitik für eine Produktkomponente, die zumeist wesentlicher Bestandteil des Hauptprodukts wird, im letzteren aber untergeht und für die Abnehmer auf nachfolgenden Stufen unsichtbar bleibt“ (Kleinaltenkamp und Rudolph 1999, S. 301). Dieses eher weit gefasste Verständnis von Ingredient Branding als möglichem Weg aus der Substitutionsfalle beleuchtet die Markenstrategie eher aus der Sicht von Komponentenherstellern. Andererseits macht Norris durch die Auffassung von Ingredient Branding als „… promotion of the ingredient to the final user“ (Norris 1992, S. 20) wiederum auf die Wichtigkeit des Endkunden als Zielobjekt dieser Markenpolitik aufmerksam.

Zusammengenommen wird Ingredient Branding demnach als „… marktstufenübergreifende Markenpolitik von Materialien, Komponenten oder Teilen verstanden, die in anderen Produkten mit dem Ziel zum Einsatz kommen, dass ihre Leistung vom Endkonsumenten als eigenständiger Bestandteil dieser Produkte wahrgenommen wird. Marken im Rahmen einer Ingredient‐Branding‐Strategie werden hierbei nicht nur auf der direkten Abnehmerstufe, sondern auch über mehrere Stufen hinweg bis zum Endnachfrager oder Endverwender eingesetzt“ (Mattmüller et al. 2009, S. 12).

Vor diesem Hintergrund ist die grundsätzliche Vorstellung zu erweitern, dass die Marke sich „… nicht allein nur auf ein bestimmtes Austauschobjekt“ beschränkt, sondern „… sich ebenso auf den Markeninhaber als Ganzes“ (Mattmüller 2006, S. 184; auch Meyer 1978, S. 171) beziehen kann. Diese erweiterte Sichtweise ist insbesondere für das Ingredient Branding von Bedeutung, denn durch die zusätzliche Kennzeichnung der Hostbrand durch eine weitere eigenständige Marke, wie die der Ingredient Brand, kombiniert der Endkunde die positiven Assoziationen der einzelnen Marken zu einem Gesamtbild, was sowohl für die Hostbrand als auch für die Ingredient Brand zu einer gesteigerten Qualitätswahrnehmung führen kann. Bei einem positiven Verlauf gewinnt die Hostbrand durch die Ingredient Brand an Wertschätzung beim Endkunden.

Nach dieser ersten Klärung des Begriffs Ingredient Branding sind zum besseren Verständnis weitere, verwandte Begrifflichkeiten zu präzisieren bzw. abzugrenzen. So werden etwa Co‑ und Vertical Branding, Inverses Ingredient Branding, Komponentenmarken‑ und Gütezeichenpolitik nicht selten mit dem Begriff des allgemeinen Verständnisses von Ingredient Branding gleichgesetzt (Mattmüller et al. 2009, S. 13). Exemplarisch soll daher an dieser Stelle das häufig synonym verwendete Co‐Branding kurz vorgestellt und dem zuvor definierten Ingredient Branding gegenübergestellt werden. Co‐Branding im Allgemeinen liegt laut Binder dann vor, „… wenn ein Produkt mit zwei an sich eigenständigen Marken gleichzeitig markiert wird“ (Binder 1996, S. 58; ausführlich Baumgarth 2003, S. 22 ff.). Wie beim Ingredient Branding wird auch bei einer Co‐Branding‐Strategie ein Produkt mit einer zusätzlichen Markierung ausgestattet. Während jedoch das Co‐Branding sowohl vertikale als auch horizontale Kooperationen beinhaltet (Mattmüller et al. 2009, S. 14), wird Ingredient Branding auf die Form einer vertikalen Kooperation begrenzt. Dementsprechend überschneiden sich die Begriffe inhaltlich lediglich zum Teil. Eine Markenallianz zwischen Endprodukt‑ und Komponentenhersteller kann sowohl dem Co‐Branding als auch dem Ingredient Branding zugeordnet werden. Allerdings ist das Co‐Branding in seiner Begrifflichkeit weiter gefasst (vgl. Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Vergleich Ingredient Branding und Co‐Branding. (Quelle: Freter und Baumgarth 2005, S. 463)

Nach der nun erfolgten terminologischen Abgrenzung des Ingredient Branding wird im folgenden Abschnitt der Fokus auf die Darstellung und Diskussion von Ingredient Branding als Markenstrategie gerichtet.

2 Ingredient Branding als Markenstrategie

2.1 Ausgewählte Praxisbeispiele und Bedeutung der Ingredient Brands für die Marktteilnehmer

Der Ende der 1960er‐Jahre in den USA gegründete Chiphersteller Intel hat seinen Produkten und damit der Marke Intel durch eine konsequent verfolgte Ingredient‐Branding‐Strategie zu weltweitem Ruhm und Erfolg verholfen. Das Anfang der 1990er‐Jahre bei den Endkonsumenten noch völlig unbekannte Unternehmen verfügt mit seiner Marke Intel im Jahre 2015 nach dem Interbrand Best Global Brand Ranking über einen Markenwert von 35,42 Mrd. US‐Dollar und belegt damit Platz vierzehn auf der Liste der international wertvollsten Marken.

Zunächst war den Endkunden die Tatsache, dass Prozessoren die Leistung eines PCs ganz essentiell beeinflussen, beim Kauf eines Computers nicht bewusst, da der Prozessor wie die Festplatte und das Mainboard lediglich eine weitere Komponente des Endprodukts Computer darstellt. Intel war somit anfänglich ein Hersteller dieser Chip‐Komponente, die den meisten Nachfragern eher bedeutungslos erschien. Daraufhin entwickelte Intel in den 1990er‐Jahren eine groß angelegte Kommunikationskampagne, um die Prozessoren zunächst überhaupt einmal in den Wahrnehmungsraum der Nachfrager zu bringen. Nachdem Intel in einem ersten erfolgreichen Schritt bei den Konsumenten das Bewusstsein für Computerprozessoren geschaffen hatte, konzentrierte sich das Unternehmen im Anschluss darauf, die Marke Intel als überlegene Marke für Computerprozessoren zu positionieren (Esch und Honal 2009, S. 75 f.). Durch breit angelegte Kommunikationsmaßnahmen konnte Intel neben der neu geschaffenen Wahrnehmung von Computerprozessoren gleichzeitig aus der Anonymität der Chiphersteller heraustreten und somit das eigene Angebot an Prozessoren von den Konkurrenzherstellern differenzieren.

Bei allem Erfolg war bzw. ist Intel allerdings auf die Kooperation mit den PC‐Herstellern angewiesen. Dementsprechend setzt Intel neben der eigenen Markenwerbung auch auf Kooperationswerbung mit führenden PC‐Herstellern, die von Intel dafür bis zu 50 % an Werbekostenzuschüssen erhalten (Esch und Honal 2009, S. 81). Im Gegenzug taucht das Intel Logo in den Werbekampagnen der PC‐Hersteller auf. Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang nicht nur die Werbung sowie die Verpackung des Endprodukts mit dem Intel Markenlogo versehen, sondern auch die Endprodukte selbst erhalten neben der Marke des PC‐Herstellers eine explizite zusätzliche Markierung durch die Ingredient Brand Intel in Form eines Aufklebers auf der Computeroberfläche. Das Ergebnis ist eine Win‐Win‐Situation für PC‐Hersteller und den Chiphersteller. Intel profitiert als Ingredient Brand vom Imagetransfer der Hostbrands führender Computerhersteller, die im Gegenzug dank dem durch die Kommunikationskampagnen von Intel generierten Nachfragesog wiederum von höheren Absatzzahlen profitieren (Kleinaltenkamp 2001, S. 264). Die höheren Absatzzahlen der PC‐Hersteller haben wiederum für Intel größere Verkaufszahlen ihrer Chipsätze zur Folge, die in den Endgeräten der Computerhersteller verbaut werden. Gleichzeitig sinkt die Gefahr, durch andere (nicht markierte) Komponentenhersteller substituiert zu werden. Ein weiterer positiver Effekt der Ingredient‐Branding‐Strategie ist die deutlich verstärkte Präsenz und Wahrnehmung der Marke Intel in der Welt der Nachfrager.

Heutzutage wirbt der Großteil der führenden Computerhersteller mit dem Hinweis „Intel inside“ und die (Ingredient) Brand Intel ist als Aufkleber auf den meisten PC‐Endgeräten deutlich zu erkennen. Werden in diesem Zusammenhang zwei außerordentlich starke Marken zusammengeführt, entstehen Synergieeffekte, die nicht selten in einem Wettbewerbsvorteil resultieren, der von der Konkurrenz nur schwer einzuholen ist. Ein gutes Beispiel dafür liefert die Zusammenarbeit von Intel (Prozessor als Komponente) und Sony VAIO (Laptop als Endprodukt).

Diese Transfereffekte zwischen Host und Ingredient Brand (in der Literatur auch als Feedback oder Spillover‐Effekte bezeichnet) wurden von Radighieri et al. (2013, S. 1–14) näher untersucht. In drei Studien zeigten sie, dass bei einer erfolgreichen Vermarktung eines Endproduktes sowohl Host als auch Ingredient Brand in ihrer Marke gestärkt werden. Dabei wird die jeweils schwächere Marke mehr gestärkt als die bereits stärkere Marke, wobei jedoch beide von der gemeinsamen Vermarktung profitieren. Eine Gefahr besteht allerdings dann, wenn das Endprodukt am Markt scheitert: dann leiden sowohl Host als auch Ingredient Brand – mit der Ausnahme von sehr starken Ingredient Brands, die selbst unter negativen Bedingungen (z. B. bei Nichterreichen des erhofften Absatzpotenzials) vor einem Verlust an Markenwert geschützt sind.

Eine ähnliche Erfolgsstory wie Intel hat das 1958 in den USA gegründete Unternehmen W. L. Gore & Associates mit seiner Marke GORE‐TEX ® zu verzeichnen. Anfang der 1970er‐Jahre gelang es dem Unternehmen, eine atmungsaktive Textilstruktur zu entwickeln, die sowohl wasser‑ als auch winddicht ist. Im Jahre 1976 kam es zur Markteinführung der mit GORE‐TEX® hergestellten Textilien, die unter dem Namen GORE‐TEX® angeboten wurden. Trotz der innovativen Technologie gehörte GORE‐TEX® zunächst jedoch zu den unbekannten Komponentenherstellern. Das ist darauf zurückzuführen, dass die besonderen Produkteigenschaften den entsprechenden Zielgruppen nicht wirksam genug vermittelt wurden und somit der Mehrwert des Ingredients für den Endverbraucher nicht sichtbar war.

Schließlich kommunizierte das Unternehmen die Besonderheiten seiner neu entwickelten wasser‑ und winddichten und trotzdem atmungsaktiven Textilstruktur an die Textilhersteller, die – nachdem das Material sie überzeugt hatte – die Endkunden explizit auf die technologischen Vorteile der GORE‐TEX®‐Textilstruktur in ihren Produkten aufmerksam machten und letztere somit in den Wahrnehmungsraum der Konsumenten rückten. Daraufhin etablierten sich die GORE‐TEX®‐Materialien in kürzester Zeit auf dem Textilmarkt. Somit konnte das Unternehmen W. L. Gore & Associates sogar durchsetzen, dass die Komponenten der Marke selbst auf den Kleidungsstücken der zum Teil starken Hostbrands deutlich sichtbar mit dem Markenlogo von GORE‐TEX® gekennzeichnet werden (Baumgarth 2003, S. 83 ff.; Esch und Stein 2001; Haller 2001, S. 21).

Die Potenziale des Ingredient Brandings existieren nicht nur bei der Hostbrand oder bei den Vorproduktherstellern, sondern auch bei den Endkunden. Für diese kann eine starke Ingredient Brand, wie etwa Intel oder GORE‐TEX®, als Qualitätsindikator dienen, indem die Ingredient Brand dem Konsumenten ein weiteres Qualitätsversprechen gibt. Die Kennzeichnung durch eine Ingredient Brand fungiert somit ähnlich wie ein zusätzliches Qualitätssiegel, was etwaige Zweifel oder Unsicherheiten des Konsumenten beim Kauf vermindern kann. Einhergehend mit diesem additiven Qualitätsversprechen sorgen Ingredient Brands neben einer zusätzlichen Orientierungsfunktion als weitere (und vor allem auch bekannte) Marke auf dem Endprodukt für eine verbesserte Informationsfunktion, die wiederum die Basis für Glaubwürdigkeit und Vertrauen schafft (Meffert et al. 2005, S. 13). Diese Effekte der Ingredient Brand auf Qualitätswahrnehmung und Vertrauensbildung lassen sich durch die Signaling‐Theorie erklären. Diese Theorie besagt, dass die Markierung eines Produktes einen direkten Hinweis bzw. ein Signal an den Konsumenten über die Qualität des Produktes sendet, woraufhin dieser eher zu einem Vertrauensaufbau in Bezug auf die Marke geneigt ist (Erdem und Swait 1998, S. 152, Ponnam et al. 2015, S. 525).

Bei allen diesen Vorteilen darf der isoliert betrachtete (sachliche) Nutzen des hinter einem Ingredient Brand stehenden Produkts nicht außer Acht gelassen werden. Um beim Endkunden durch das Ingredient Branding einen Mehrwert zu stiften, hat das Endprodukt durch die Verarbeitung des Vorprodukts einen vom Endkunden wertgeschätzten Nutzenvorteil zu erzielen (Pförtsch und Schmid 2005, S. 129). Genau diesen sachlichen Mehrwert haben Intel und GORE‐TEX® eindringlich bei den Endkunden platzieren können. Ist der Nutzenvorteil erst einmal fest in der Wahrnehmung der Endkonsumenten verankert, so repräsentiert die Ingredient Brand neben der Hostbrand ein starkes Symbol der Vertrauenswürdigkeit und sorgt bei den Endkunden für eine Steigerung der Informationseffizienz sowie eine daraus resultierende zusätzliche Reduktion von Komplexität und Risiken der Kaufentscheidung. Insbesondere mit der Schaffung von zusätzlichem Vertrauen kann ein direkter Einfluss auf die Steigerung der Kaufbereitschaft beim Endkunden nachgewiesen werden. Insofern kann der Ingredient Brand daher auch eine signifikante Funktion zur Verkaufsförderung zugesprochen werden.

Insbesondere die Markenstärke von Intel und GORE‐TEX® ist außergewöhnlich: Als Ingredient Brands besitzen sie mittlerweile eine derart starke Wirkung auf den Endnachfrager, dass die Hostbrand häufig in den Hintergrund der Qualitätswahrnehmung gerät (Kleinaltenkamp 2001, S. 268). So ist beim Kauf eines PCs dessen Herkunft besonders bei unerfahrenen Käufern nicht selten unbedeutend, solange der PC über einen Intel‐Prozessor verfügt, da ein Intel‐Chipsatz vom Nachfrager als ausreichender Qualitätsindikator wahrgenommen wird (Kleinaltenkamp 2009, S. 162). Es lässt sich also generell festhalten, dass die Ingredient Brands von Intel und GORE‐TEX® eine so starke Wirkung beim Endkunden erzielen, dass sie eine eigene Präferenzkraft bilden und somit als eine Art strategischer Differenziator fungieren (Baumgarth 2009, S. 136; Simon und Sebastian 1995, S. 42).

Ein jüngeres Beispiel für Ingredient Branding zur Schaffung von Vertrauen und mehr Transparenz als Antwort auf die Wünsche der Konsumenten zeigt die weltweit größte Restaurantkette McDonald’s (Schramm und Götting 2009, S. 276 ff.). Neben den Softdrinks, die seit jeher unter der Marke der Coca Cola Company angeboten werden, hat McDonald’s bereits im Jahr 2000 damit begonnen, explizit auf seine namhaften Markenlieferanten hinzuweisen (Schramm und Götting 2009, S. 282). Mittlerweile wird dem Konsumenten genauestens dargelegt, dass die Burger‐Brötchen von der Kamps GmbH, der Salat von der Bonduelle Group und die Pommes Frites von McCain stammen. Das Markieren der Zutaten umfasst sogar Milch‑ und Kaffeeprodukte, Saucen, Toppings, Fleisch und Geflügel. Die Kommunikation der Ingredient Brands erfolgt hauptsächlich über die Tablettsets und die Homepage. Selbstverständlich funktioniert eine solche Strategie nur, wenn die Herstellermarken eine ausreichende Bekanntheit bei den Konsumenten besitzen, respektive über einen entsprechenden Markenwert sowie ein positives Image verfügen. Dementsprechend sollte die Auswahl der Ingredient Brands mit höchster Sorgfalt erfolgen, wie auch Ranu und Rishu darlegen (2012, S. 766).

Die Anwendbarkeit von Ingredient‐Branding‐Strategien erstreckt sich nicht nur auf tangible Endprodukte, sondern kann auch auf den Dienstleistungsbereich ausgeweitet werden. So bewerben viele Krankenhäuser oder radiologische Kliniken die Qualität ihrer Dienstleistungen, indem sie die Nutzung eines Magnetresonanztomographen (MRT) der Firma Siemens hervorheben. Die erhoffte Wirkung für die Hostbrand (das Klinikum oder die radiologische Praxis) liegt darin, dass das bereits existierende Image der Marke Siemens auf die Qualität der kompletten Dienstleistung des Krankenhauses übertragen wird. Insbesondere bei Dienstleistungen wie einer Arztbehandlung, bei der die Qualität der erbrachten Leistung schwer zu beurteilen ist, werden von den Konsumenten gerne Ersatzindikatoren zur Beurteilung der Qualität herangezogen, so z. B. die bereits etablierte Marke eines Untersuchungsapparates wie eines MRT.

Ein weiteres Beispiel einer innovativen Art der Zusammenarbeit im Rahmen einer Ingredient‐Branding‐Strategie bildet die Kooperation des deutschen Konsumgüterherstellers Henkel AG & Co. KGaA mit der italienischen Designfabrik Alessi, deren Tagesgeschäft aus der Produktion von Designerhaushaltsgeräten besteht. Der Grund für die Kontaktaufnahme von Henkel mit dem italienischen Designer lag in den Ergebnissen eigener Fokusgruppenbefragungen, die eine Trendwende in der Wahrnehmung des Badezimmers von einem rein funktionalen Raum zu einem Wohlfühl‑ und Erholungsort andeuteten (Wendler und Götting 2009, S. 338). Das Ziel dieser auf den ersten Blick eher ungewöhnlich erscheinenden Zusammenarbeit bestand darin, dass die Hostbrand Henkel den funktionalen Teil der Produktentwicklung eines neuen WC‐Duftsteins übernahm und Alessi als namhafter italienischer Designer seine Marke als Ingredient Brand zur Verfügung stellte, um mit der eigens für das Projekt entwickelten Surfergestalt die physische Gestaltung des Endprodukts zu übernehmen. Die Zusammenarbeit war von Erfolg gekrönt, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen. Henkel verzeichnete durch die Neuprodukteinführung sowohl eine deutliche Vergrößerung des Marktanteils im Segment der WC‐Duftsteine als auch eine signifikante Steigerung der Umsatzrendite. Des Weiteren verstärkte die Ingredient Brand Alessi das positive Image der Hostbrand Henkel. Demgegenüber sorgten bei Alessi zum einen die Lizenzeinnahmen durch den Verkauf der WC‐Spülsteine für ein bedeutsames Umsatzwachstum, zum anderen gelang dem italienischen Designer die Erschließung neuer Kundenkreise durch die aus der Zusammenarbeit resultierende Brand Entry Penetration (Wendler und Götting 2009, S. 344).

Das Beispiel von Henkel und Alessi zeigt somit auf, dass eine Ingredient‐Branding‐Strategie auch Erfolgspotenziale bei eher losen Verbundeffekten zwischen Vor‑ und Endprodukthersteller bietet. Das entscheidende Verbindungsstück zwischen einer Ingredient Brand und einer Hostbrand ist der eigenständige Nutzenvorteil, der von der Ingredient Brand auszugehen hat. Fehlt dieser oder wird dieser von den Konsumenten auch nicht als kaufrelevant eingeschätzt, kann auch keine Synergie zwischen Ingredient Brand und Hostbrand hergestellt werden (Esch und Honal 2009, S. 73). Jegliche gewünschten Effekte würden dann als Kommunikationsphantome verpuffen. Gleichwohl hat andererseits die Hostbrand dafür Sorge zu tragen, dass die Wirkung der Ingredient Brand nicht so stark ausstrahlt, dass sie die eigene Markenstärke bzw. die eigenen Nutzenaussagen in den Schatten stellt. Abb. 2 fasst Bedeutung und Funktionen der Ingredient Brand für die verschiedenen Beteiligten zusammen.

Abb. 2
figure 2

Bedeutung und Funktionen der Ingredient Brand für die Marktteilnehmer

2.2 Erfolgsfaktoren für Ingredient Brand und Hostbrand

Im Abschn. 2.1 wurde anhand ausgewählter Fallbeispiele das grundsätzliche Potenzial von Ingredient Branding aufgezeigt. Dabei wurde implizit neben der Perspektive der Hostbrand und der Ingredient Brand auch die Position des Endkunden eingenommen. In Abschn. 2.2 rückt die Kundenbezogenheit in den Hintergrund, stattdessen werden getrennt nach den zwei Perspektiven – zum einen der Ingredient Brand als Anbieter und zum anderen der Hostbrand als Nutzer der Ingredient Brand – Erfolgsfaktoren des Ingredient Brandings abgebildet.

2.2.1 Perspektive des Anbieters einer Ingredient Brand

Generell handelt es sich bei den Anbietern von Ingredient Brands vor allem um Komponentenhersteller und Zulieferer, deren Produkte wesentliche Bestandteile von Folge‑ oder Endprodukten darstellen. Durch eine Ingredient‐Branding‐Strategie versuchen diese Unternehmen zum einen, eine Markenpolitik für ihre Produkte zu entwickeln, die zum einen vermeiden soll, dass sie aufgrund der Weiterverarbeitung im Endprodukt untergehen und somit für den Endnachfrager auf nachfolgenden Stufen unsichtbar bleiben (Kleinaltenkamp 2009, S. 156). Zum anderen – und das ist häufig der primäre Grund – zielt eine Ingredient‐Branding‐Strategie darauf ab, aus dem Schatten der Endprodukthersteller hervorzutreten und durch die Schaffung einer starken Ingredient Brand für den Folge‑ bzw. Endprodukthersteller nicht mehr ohne Weiteres austauschbar zu sein. Der konsequenten Verfolgung einer solchen Strategie sollte jedoch in jedem Fall eine kritische Nutzenanalyse vorangehen, da sich eine Ingredient‐Branding‐Strategie keinesfalls für jedes Unternehmen eignet.

Sobald ein Unternehmen sich dazu entschließt, das eigene Produkt als Ingredient Brand aufzustellen und die vorher weitgehend unbekannten Produkte somit verstärkt in den Wahrnehmungsraum der Endnachfrager und der Öffentlichkeit zu rücken, ist es in erster Linie bestrebt, der Substitutionsfalle zu entgehen und zudem (dadurch impliziert) aus der Anonymität zu treten, was im optimalen Fall in einer nachhaltigen Wettbewerbsdifferenzierung des Ingredient‐Anbieters resultiert.

Wie in den bisherigen Ausführungen bereits beispielhaft gezeigt, muss zu Beginn einer Ingredient‐Branding‐Strategie zunächst einmal das Ingredient selbst eine Wertschätzung durch den Endkunden erfahren. Um diesen Sprung von einem unbekannten zu einem wertgeschätzten Produkt zu vollziehen, ist nicht selten ein hoher Kommunikationsdruck und somit ein hohes Marketingbudget die Voraussetzung. Allerdings kann der Anbieter der Ingredient Brand seine Marketingaufwendungen reduzieren, indem er mit der Hostbrand gemeinsame Kommunikationsmaßnahmen einleitet. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine solche Kooperation davon abhängt, inwieweit sich die beiden Marken – also die Ingredient Brand auf der einen und die Hostbrand des nachgelagerten (End‑)Produkts auf der anderen Seite – hinreichend unterscheiden und gleichzeitig wechselseitig ergänzen.

In einem ersten Schritt sollte daher der Anbieter einer Ingredient Brand zunächst die eigenen Kernkompetenzen kritisch evaluieren und die daraus resultierende Unique Selling Proposition (USP, auch als Alleinstellungsmerkmal bezeichnet) als Basis für die Umsetzung einer Ingredient‐Branding‐Strategie verwenden. Eine solche USP kann z. B. in einer überdurchschnittlich hohen Produktqualität, einem signifikanten Technologievorsprung, einer erfolgreichen Unternehmensgeschichte oder einem speziellen Know‐how liegen. Selbstverständlich kann auch die Markenstärke einer (Ingredient) Brand und deren positives Image bei den Endnachfragern eine USP repräsentieren. Letztlich ist es für den Anbieter der Ingredient Brand unabdingbar, dass zunächst der (potenzielle) Nutzer diesen Vorteil auch erkennt und somit eine Zusammenarbeit mit dieser Marke für erstrebenswert hält. Dabei sollte die Stärke der eigenen Marke jedoch nie unterschätzt werden, nur weil diese als Ingredient Brand lediglich eine „Marke in einer Marke“ darstellt. So zeigen die Erfolgsbeispiele Intel und GORE‐TEX® deutlich, dass eine Ingredient Brand sogar stärker als die Hostbrand der Endprodukte sein kann, der sie ursprünglich als zusätzliche Markierung dienen sollte.

Durch das mit einer Ingredient‐Branding‐Strategie einhergehende zusätzliche Markieren eines Folgeprodukts taucht die Ingredient Brand entsprechend überall dort auf, wo die Produkte der Hostbrand zu finden sind. Auf den ersten Blick erscheint diese verstärkte Präsenz der eigenen Marke in Form einer Ingredient Brand durchaus verlockend, jedoch sollte auch aus Sicht der Anbieter eine hohe Sorgfalt bei der Prüfung der Partner herrschen, sodass die Endprodukte der Ingredient Brand Nutzern auch die Qualität repräsentieren, für die der Anbieter der Ingredient Brand steht. Denn ist die Ingredient Brand erst einmal zur Verfügung gestellt, kann dessen Anbieter keinen direkten Einfluss auf das Endprodukt mehr nehmen.

Im Idealfall sollte die Partnerschaft daher sowohl für den Anbieter als auch für den Nutzer der Ingredient Brand positive Auswirkungen zur Folge haben wie beispielsweise eine Steigerung der Markenbekanntheit, die Stärkung des Images sowie schließlich höhere realisierbare Absatzzahlen. Nicht zuletzt ist gerade aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit genauestens darauf zu achten, dass es nicht zu einem einseitig dominierten Machtverhältnis kommt.

2.2.2 Perspektive der Hostbrand als Nutzer von Ingredient Brands

Bevor sich ein Unternehmen für die Integration einer zusätzlichen Markierung in Form einer Ingredient Brand in die eigene Markenstrategie entscheidet, ist auch vonseiten des Nutzers (Hostbrand) in einem ersten Schritt eine fundierte Nutzenanalyse durchzuführen, denn die eigene Marke zählt zu den wichtigsten Vermögensgegenständen eines jeden Unternehmens. Sobald die Hostbrand mit einer Ingredient Brand zusammenarbeitet, beeinflusst das auch die Wahrnehmung der Nachfrager. Dabei repräsentieren sowohl die Stellung der eigenen Marke als auch das damit verbundene Brand Knowledge in der Nachfragerwahrnehmung bedeutende Werte des immateriellen Unternehmensvermögens, die einen signifikanten Einfluss auf die Produktivität des gesamten Marketings besitzen (Keller 1993, S. 2). Dieser Zusammenhang verdeutlicht die Wichtigkeit der detaillierten Evaluierung einer Ingredient‐Branding‐Strategie auch vonseiten der Hostbrand. Die Ingredient Brand sollte neben ihren anderen Vorteilen auch hinsichtlich ihrer Marken‑ und Unternehmensphilosophie zur Hostbrand und somit zum Unternehmen des Nutzers passen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Basis für eine Ingredient‐Branding‐Strategie gelegt.

Wie bereits erörtert, legt eine Ingredient‐Branding‐Strategie durch die für den Endnachfrager sichtbare Zusammenarbeit auf Endproduktebene auch aus Sicht der Endprodukthersteller eine Kooperation auf Kommunikationsebene nahe, die sowohl klassische (z. B. Co‐Advertising wie Intel und Sony VAIO, Verlinkung und Hinweise auf den unternehmenseigenen Webseiten) als auch nicht‐klassische Instrumente (z. B. Promotion‐Touren, gemeinsame Informationsstände im Einzelhandel) enthalten kann (Baumgarth 2009, S. 144). Die Zielsetzung des Nutzers von Ingredient Brands besteht dabei vor allem im Aufbau eines möglichst hohen Kommunikationsdrucks bei minimaler Budgetaufwendung. Des Weiteren ist denkbar, dass der Nutzer für die Verwendung der Marke eines Vorproduktherstellers als Ingredient Brand zusätzliche Kostenvorteile im Einkauf als Gegenleistung einfordert.

Dennoch sollte die Realisierung von (Kommunikations‑)Kostenvorteilen nicht das alleinige Ziel der Verwendung einer Ingredient Brand sein. Insbesondere können die Nutzer starker Ingredient Brands von einem starken Nachfragesog profitieren, der in der Regel einen großen Einfluss auf die Verkaufszahlen der eigenen Produkte zur Folge hat. Um diesen Nachfragesog jedoch zu maximieren, sollte die Ingredient Brand bereits vor der gemeinsamen Zusammenarbeit im Wahrnehmungsraum der Nachfrager der Hostbrand verankert sein.

Ein weiteres Argument, das den potenziellen Nutzer zur Integration einer Ingredient Brand bewegen sollte, ist die Aussicht auf einen positiven Reputationstransfer. Qualitativ hochwertige Komponenten sprechen für die Qualität des Endprodukts, was auch dem Großteil der Nachfrager bewusst ist. Verfügt beispielsweise die Marke eines Komponentenherstellers bereits im B‐to‐C‐Bereich über eine gute Reputation und einen ideellen Nutzen, so ist damit die Basis für einen potenziellen Reputationstransfer auf die Unternehmensmarke des Endproduktherstellers im Rahmen einer Ingredient‐Branding‐Strategie gelegt (Backhaus et al. 2002, S. 48 ff.). Dennoch sollte in jedem Fall beachtet werden, dass selbst die erfolgreichste B‐to‐B‐Marke bei Endprodukten im B‐to‐C‐Markt erst dann sinnvoll als Ingredient Brand genutzt werden kann, wenn diese auch im Wahrnehmungsraum der entsprechenden Nachfrager vorhanden und mit positiven Assoziationen verbunden ist.

Die Analyse der zahlreichen unterschiedlichen Kriterien macht deutlich, dass die jeweilige Markenstärke der Anbieter und Nutzer einer Ingredient Brand die Strategiewahl erheblich beeinflusst. Je stärker etwa die Marke des potenziellen Nutzers einer Ingredient Brand ist, wie beispielsweise im Fall BMW als imageträchtige Automobilmarke, desto weniger Erfolg versprechend erscheint eine Ingredient‐Branding‐Strategie, da eine Kooperation mit einer Ingredient Brand die eigene Kompetenz und in diesem Zusammenhang auch die aufgebaute Corporate Identity gefährden könnte (Esch und Honal 2009, S. 71; Kemper 2000, S. 310; Rid und Pförtsch 2013, S. 49) und vice versa. So verbieten Automobilhersteller ihren Zulieferern nicht selten, die gelieferten Komponenten mit der eigenen Marke zu kennzeichnen (Chur und Riesner 2004, S. 1161). Der Fall Intel zeigt im Extremen, dass diese Angst durchaus berechtigt ist. So hat Intel seinen eigenen Erfolg als starke Ingredient Brand auf dem Rücken anderer bekannter Marken wie beispielsweise IBM oder Dell erreicht, deren eigene Marktposition dadurch zum Teil erheblich geschwächt wurde (Bugdahl 1996, S. 110 f.). Aus diesen Gründen beendete Dell 1994 sogar für zwei Jahre vorübergehend die Zusammenarbeit mit Intel. Für Endprodukthersteller mit einer ohnehin starken Hostbrand ist eine enge Zusammenarbeit mit ihren Zulieferern in Form einer Ingredient‐Branding‐Strategie daher nur bedingt empfehlenswert. Die Vorteile einer Ingredient‐Branding‐Strategie sollten in jedem Falle immer auf beiden Seiten liegen, um langfristig erfolgreich und vor allem nachhaltig realisierbar zu sein.

Die diskutierten Erfolgsfaktoren für beide Perspektiven werden nachfolgend noch einmal zusammengefasst.

Erfolgsfaktoren für Ingredient Brand und Host Brand

Ingredient Brand

  1. 1.

    Schaffung einer (verstärkten) Präsenz der Ingredient Brand im Wahrnehmungsraum der Nachfrager

  2. 2.

    Kritische Evaluation der eigenen Kernkompetenzen und Bestimmung der daraus resultierenden Unique Selling Proposition (USP) als Basis (Nutzenvorteil) einer Ingredient‐Branding‐Strategie

  3. 3.

    Kaufrelevante Verankerung des eigenständigen Nutzenvorteils der Ingredient Brand im Wahrnehmungsraum des Konsumenten

  4. 4.

    Objektive Einschätzung der eigenen Markenstärke

  5. 5.

    Sorgfältige Prüfung der Hostbrand‐Partner, Partnerwahl auf Basis einer fundierten Nutzenanalyse

  6. 6.

    Äquivalente Stärken von Ingredient Brand und Hostbrand

  7. 7.

    Gemeinsame Diskussion potenzieller Hindernisse und Konsequenzen mit dem Kooperationspartner

  8. 8.

    Anpassung des Marketingbudgets an die Ingredient‐Branding‐Strategie

  9. 9.

    Kostenoptimierung durch gemeinsame Kommunikationsmaßnahmen

  10. 10.

    Konsequente und zielorientierte Steuerung der Ingredient Brand und die Kontrolle von deren Wirkungen

Hostbrand

  1. 1.

    Durchführung einer fundierten Nutzenanalyse als Basis für die Partnerwahl

  2. 2.

    Berücksichtigung und Abstimmung der Marken‑ und Unternehmensphilosophie von Hostbrand und Ingredient Brand

  3. 3.

    Vorhandensein der Ingredient Brand im Wahrnehmungsraum der entsprechenden Nachfrager – ausreichende Bekanntheit bei den Konsumenten ist essenziell

  4. 4.

    Einforderung von (Kommunikations‑)Kostenvorteilen vom Anbieter der Ingredient Brand

  5. 5.

    Kooperation auf Kommunikationsebene: Aufbau von möglichst hohem Kommunikationsdruck bei minimaler Budgetaufwendung

  6. 6.

    Maximierung des Nachfragesogs (Ingredient Brand sollte daher bereits vor der gemeinsamen Zusammenarbeit im Wahrnehmungsraum der Hostbrand‐Nachfrager vorhanden sein)

3 Zusammenfassung

Trotz einiger Erfolgsbeispiele aus naher Vergangenheit hat die Markenstrategie des Ingredient Branding erst langsam wieder an Popularität gewonnen. In diesem Zusammenhang hat die Diskussion gezeigt, dass sich Ingredient Brands in ihren Funktionen größtenteils nur wenig von Marken ohne Ingredient‐Branding‐Strategie unterscheiden. Häufig sind die Funktionen sogar direkt auf Ingredient Brands übertragbar, variieren im Vergleich allerdings in ihrer Intensität. Im Rahmen der obigen Ausführungen konnten dabei folgende Eigenschaften als primäre Funktionen einer Ingredient Brand herausgestellt werden:

  • Informationsfunktion (Steigerung der Informationseffizienz)

  • Orientierungsfunktion (Reduktion der Komplexität)

  • Vertrauensindikator (Schaffung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen und damit einem direkten Einfluss auf die Steigerung der Kaufbereitschaft)

  • Qualitätsindikator (Signalisierung von Qualität)

  • Reduktion von Kaufrisiken (insbesondere bei investitionslastigen Produkten)

  • Differenzierungsfunktion (Ingredient Brand als strategischer Differenziator, der den Austritt aus der Anonymität und die Schaffung von Präferenzen ermöglicht).

Die Diskussion der Erfolgsfaktoren für Anbieter und Nutzer von Ingredient Brands hat darüber hinaus gezeigt, dass grundsätzlich jede existierende Marke als Ingredient Brand Verwendung finden kann. Dennoch sollte die Strategieentscheidung und Partnerwahl auf Basis einer fundierten Nutzenanalyse erfolgen, die sowohl aus Anbieter‑ als auch aus Nutzerperspektive einer Ingredient Brand mit größter Sorgfalt durchzuführen ist. Dazu gehört in einem finalen Schritt ebenfalls die gemeinsame Diskussion möglicher negativer Konsequenzen für Anbieter und Nutzer der Ingredient Brand. Denn gerade aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit in der Zusammenarbeit ist genauestens darauf zu achten, dass die Kooperation nicht zu einem einseitig dominierten Machtverhältnis führt. Dementsprechend wird die Strategiewahl insbesondere von den Markenstärken der Ingredient Brand auf der einen und der Hostbrand auf der anderen Seite erheblich beeinflusst.

Im Idealfall sollte die Partnerschaft neben einer möglichen Kooperation auf Kommunikationsebene sowohl für den Anbieter als auch den Nutzer der Ingredient Brand positive Auswirkungen im Sinne eines gegenseitigen Reputationstransfers, einer beidseitigen Steigerung der Markenbekanntheit sowie der Stärkung der Unternehmensimages haben, um dadurch höhere Absatzzahlen zu realisieren und im Wahrnehmungsraum des Nachfragers die eigenen Positionen zu festigen und zu verbessern.

Für eine Ingredient Brand ist es nicht leicht, die Erfolgsstory von Intel oder GORE‐TEX® zu wiederholen, da dazu wie aufgezeigt eine Vielzahl von Voraussetzungen erfüllt sein muss. Grundsätzlich besteht jedoch für jedes (Zulieferer‑)Unternehmen die Möglichkeit, eine starke Ingredient Brand aufzubauen, sofern es dem Unternehmen gelingt, einen zentralen und relevanten Nutzen seiner Marke an die Endnachfrager zu kommunizieren. Ingredient Branding bietet sowohl für den Nutzer als auch für den Anbieter von Ingredient Brands eine Erfolg versprechende Möglichkeit zur Wettbewerbsdifferenzierung und liefert somit Ansatzpunkte zum Austritt aus der Markenanonymität (Mattmüller et al. 2009, S. 20). Um den langfristigen Erfolg einer Ingredient‐Branding‐Strategie sicherzustellen, ist eine konsequente und zielorientierte Steuerung der Ingredient Brand und die Kontrolle von deren Wirkung entscheidend (Esch und Honal 2009, S. 82).

Dennoch ist an dieser Stelle abschließend zu betonen, dass Ingredient Branding kein für sich stehendes Thema ist, sondern eine strategische Option und einen wichtigen Baustein im Rahmen eines integrativen Marketingprozesses (Mattmüller 2006, S. 58 f.) darstellt.