Zusammenfassung
M. H.! Die Grundlage der Konstitutionspathologie bildet, wie wir in der ersten Vorlesung gehört haben, die individuelle Variabilität, die Tatsache also, daß auch nicht zwei Menschen unter den vielen Millionen einander vollkommen gleichen. Wir kennen diese individuellen Verschiedenheiten von der äußeren Gestalt, insbesondere von der Form des Gesichtes her. Für die Erfassung der individuellen Unterschiede ist offenbar ein gewisses Training erforderlich. So erkennen wir die individuellen Verschiedenheiten ohne weiteres am Gesicht, viel weniger schon an den Händen, wo sie doch in demselben Ausmaße vorhanden sind — ich erinnere nur an die kriminalistische Bedeutung der Daktyloskopie, der Erkennung eines Individuums aus den feinen Linien und Furchen der Haut an den Fingerballen. Wir sind eben nicht gewohnt, auf individuelle Unterschiede der Hände in dem Maße zu achten wie auf jene des Gesichts. Die mangelnde Übung ist auch schuld, warum wir bei fremdrassigen Menschen, z. B. Negern oder Japanern, individuelle Unterschiede auch der Gesichtsform nicht so leicht erfassen wie bei Menschen der eigenen Rasse. Die geringste Übung im Erkennen individueller Differenzen haben wir bei der Beurteilung der inneren Organisation, obwohl sie auch hier genau so vorhanden sind wie im Exterieur. Denken wir nur an die Verschiedenheiten der Lagerung und Länge der Darmschlingen oder an die ja schon von älteren Hirnforschern genau studierten Verschiedenheiten in der Anordnung und Konfiguration der Hirnwindungen, speziell der kleinen und kleinsten Furchen und Ästchen, die es in ihrer Variabilität mit den äußeren Körperformen wohl aufnehmen können.
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Bauer, J. (1923). Die individuelle Variabilität, ihre Gesetzmäßigkeit und Meßbarkeit. In: Vorlesungen Über Allgemeine Konstitutions- und Vererbungslehre. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99671-9_2
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