Zusammenfassung
Das Wort „Idee“ hat in der Philosophie die mannigfachsten Verwendungen gefunden; es bezeichnet bald das Wesen oder den Selbstzweck der Erscheinungen, bald ihre erdachte Vollkommenheit, es dient hier dazu, der Wirklichkeit ihren Wert gegenüberzustellen, dort, den Wechsel der Geschehnisse auf Gesetzmäßigkeit zurückzuführen, es appelliert als Forderung, besonders als die höchste Forderung, an den Willen und wird ihm als unendliche Aufgabe doch wieder entrückt, es wendet sich als letzte Erkenntnis oder Grenzbegriff an den Verstand und wird ihm als ein Apriori doch wieder entzogen. Man möchte aus dieser Buntscheckigkeit die Lehre ziehen, daß es am geratensten ist, das Wort zu meiden, aber gerade die Rechtsphilosophie hat sich so sehr auf die Aufgabe festgelegt, die Idee des Rechts zu finden, daß dieser Formulierung nicht mehr ausgewichen werden kann. Außerdem liegt den vielfältigen Verwendungen doch eine einheitliche Auffassung zugrunde, was schon daraus ersichtlich ist, daß sich mit dem Wort „Idee“, wenn auch verschwommene, so doch unmittelbar gewisse Assoziationen verbinden; wir wissen oder fühlen, was gemeint ist, wenn jemand nach der Idee des Christentums, der Kunst oder der Sozialversicherung frägt oder Freiheit und Gleichheit als Idee der Demokratie feiert.
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Literatur
So hat Gustav Schmoller, Grundriß der Allg. Volkswirtschaftslehre (in der 1. Aufl. Bd. 1, S. 57) vortrefflich Jellineks auf den Inhalt bezogene Formulierung ergänzt.
Vgl. Münch in den Beiträgen zur Phil, des dtschn. Idealismus I, S. 139: „Ideen sind die sachlichen Synthesisprinzipien der historisch-kulturellen Gebilde, in voller erkenntnistheoretischer Parallele zu den Naturgesetzen als den sachlichen Konstitutionsprinzipien der Naturphänomene.“
Auch Sauer, Grundlagen des Strafrechts S. 163, will unterscheiden, gelangt aber nicht zu einem klaren Ergebnis. — Über Zweck und Motiv (Sollen und Sein) vgl. meinen Allg. Teil des Strafrechts S. 106.
Auch nach Münch a. a. O. S. 139/140 sind Idee und Ideal scharf zu unterscheiden; ich glaube die Stelle ganz im Sinne des Textes auffassen zu dürfen, obwohl die Gleichung Ideal = Idee + Zweck nicht zum Ausdruck gebracht ist.
Vgl. die in der Einleitung, besonders zu Stammlers und Radbruchs Lehre angegebene Literatur.
Politik als Wissenschaft (Rede) 1898. Dazu Netter, Das Prinzip der Vervollkommnung als Grundlage der Strafrechtsreform 1900.
Vgl. etwa Windelband, Gesch. der neuern Philosophie II, S. 117 (zit.nach der 2. Aufl.).
So treffend Mezger, Sein und Sollen im Recht S. 29.
Das in der Literatur im Vordergrund stehende Argument, durch die Grundthese, nichts ist absolut wahr, hebe sich der Relativismus selbst auf, ist mehr gegen den Skeptizismus gerichtet und in dieser Form eben von uns vorgebracht worden.
Dieser Standpunkt fällt nicht mit dem von Mezger (Sein und Sollen im Recht) als „kultureller Objektivismus“bezeichneten (S. 33) und als „Philosophie der innern Haltlosigkeit“kritisierten (S. 46) zusammen, denn der bloß kulturelle Objektivismus wird durch die Humanitätslehre tiberwunden. Deswegen schien mir auch die sonst gut passende Bezeichnung nicht brauchbar. — Aber auch der Ausdruck „kritischer Relativismus“ist nicht voll befriedigend, hauptsächlich deswegen nicht, weil er das System in die gefährliche Nähe des skeptischen Relativismus bringt. Deswegen sei angemerkt, daß die vernichtenden Einwände, die, wie von andern, so von Rickert (Der Gegenstand der Erkenntnis, 4. u. 5. Aufl. 1921, S. 264) gegen den Relativismus und in Verbindung hiermit gegen den Pragmatismus gerichtet werden, mich so wenig berühren, daß ich, wenn ich den kritischen Relativismus erkenntnistheoretisch ausbauen wollte, nichts Besseres tun könnte, als an Rickerts Erkenntnistheorie anzuknüpfen. Nach ihr steht nämlich das Erkennen als „Anerkennen von Werten und Verwerfen von Unwerten“nicht bloß in einem Gegensatz zum Vorstellen, sondern auch zu dem über die Wirklichkeitserkenntnis hinausgehenden Beurteilen. Dieses Mehr-als-Erkennen, dieses Anerkennen von ethischen Werten unterstellen wir dem Begriff der Richtigkeit, gerade um es vom Anerkennen logischer Werte (im Sinne Rickerts) zu unterscheiden, und können die Brücke von dieser Erkenntnistheorie zu unserer Rechtsphilosophie mit dem Satze schlagen: Ohne „transzendentes Sollen“keine Richtigkeit. Mit anderen Worten: daß von Richtigkeiten überhaupt nicht die Rede sein könnte, wenn es nicht unumstößlich wäre, daß es transzendente, d. h. (nach Rickert) vom Subjekt unabhängige Wahrheiten gibt, ist hier vorausgesetzt, — muß hier stillschweigend vorausgesetzt werden, weil ein Grundriß nicht ab ovo beginnen kann, am allerwenigsten wenn er von vielen Juristen gelesen werden möchte.
Radbruch S. 97 im Anschluß an Lask in Phil, im Beginn des 20. Jahrh., 2. Aufl. 1907, S. 269.
Insoweit sind Erich Kaufmanns Einwände gegen Radbruch zutreffend; vgl. Wesen des Völkerrechts und die clausula rebus sic stantibus S. 141.
Stahls Vorlesungen, Die gegenwärtigen Parteien in Staat u. Kirche 1863, sind auch heute noch wertvoll. Außerdem sei verwiesen auf die neuesten, auch in die Lit. einführenden Darstellungen im Handbuch für Politik, 3. Aufl.; im Bd. I (1920) die Beiträge von W. v. Blume, Bedeutung der Parteien, und Bergsträsser, Die pol. Part, in Deutschland vor dem Kriege, im Bd. III (1921) die Darstellung der einzelnen neuen Parteien von Pfeiffer, W. Goetz, Otto Hugo, G. v. Below, Paul Hirsch und Dittmann.
So namentlich Kelsen, Wesen und Wert der Demokratie 1920, bes. S. 36, und Sozialismus und Staat 1920, S. 128.
Es weicht von der Darstellung Badbruchs beträchtlich ab; in ihr fehlt die erste Kolonne ganz, in der zweiten fehlt das dritte Zwecksubjekt (Menschheit), in der dritten die dritte Partei, da keine zu finden war, die die „Werkwerte“über alles stellt; statt dessen steht der Liberalismus als personalistisch neben der Demokratie, der die Idee der Freiheit, nicht die der Gerechtigkeit zugeordnet wird.
a. a. O. S. 146. Gegen Kaufmann u. a. Nelson, Rechtswissenschaft ohne Recht S. 144; Kelsen, Problem der Souveränität S. 265.
Franz Haymanns, J. J. Rousseaus Sozialphilosophie 1898.
Ich folge hier den so betitelten Ausführungen von Leopold v. Wiese in der Zeitschr. f. Politik IX, S. 407, 1916.
Vgl. Radbruch S. 138.
Vgl. Vierkandt, Staat u. Gesellschaft in der Gegenwart 1916, S. 129ff.
Ich folge hier, und zwar an einigen Stellen wörtlich, meiner Rede zur Feier des 18. Januar 1921, Nr. XII der Frankfurter Universitätsreden 1921.
d’Aguanno, Die Ideale der Gerechtigkeit, Archiv f. Rechts- u. Wirtschaftsphil. III, S. 70. 2) Ein beliebtes, aber gefahrvolles Thema für akademische Festreden; hervorzuheben die beiden Tübinger Kanzlerreden von G. Rümelin 1880 und Max Rümelin 1920.
Vgl. Radbruch S. 177 in Verbindung mit S. 183.
Die „Kompromißnatur des Rechts“, auf die oft Bezug genommen wird, ist namentlich von Adolf Merkel betont worden; vgl. seine Enzykl. § 40 u. die dort angegebenen Stellen.
Riezler, Das Rechtsgefühl 1921. Ebenda S. 1 die Literatur über Rechtsgefühl und Verwandtes.
„Der Mensch als Naturwesen weiß gar nichts von einem richtigen Wollen, also auch nichts von Recht und Gerechtigkeit. Der Gedanke der Richtigkeit im Wollen und Wählen muß erst erworben werden.“So mit gutem Grunde Stammler, Th. d. Rw. S. 723.
Hammacher, Hauptfragen der modernen Kultur 1914, S. 132.
Franz Exner, Über Gerechtigkeit im Strafmaß, Festnummer der Österr. Zeitschr. f. Strafrecht für Karl Stooß 1920, S. 300.
Die jüngste Behandlung des Themas hat Max Rümelin geboten, Die Billigkeit im Recht (Tübinger Kanzlerrede) 1921.
Vgl. Carl Göring, Über die menschliche Freiheit 1876, S. 11.
Nur Wilhelm v. Humboldt (1767—1835) könnte genannt werden; vgl. Stammler, Rechts- und Staatstheorien S. 51, „Die Freiheitslehre“.
Wir übertragen auf die menschliche (Gesellschaft, was Erich Kaufmann (Kritik der neukant. Rechtsphil. S. 19) sich gegen Stammler wendend von der Gemeinschaft frei wollender Wesen gesagt hat: in ihr „ist das für das soziale Leben der Menschen ebenso charakteristische wie notwendige Spannungsverhältnis entspannt“, und könnten mit Kaufmann fortfahren, darum kann sie dem sozialen Leben „nicht als Ideal hingestellt werden“; — wir könnten es, wenn wir „Ideal“in dem prägnanteren Sinne, der unserer Darstellung zugrunde liegt, auffassen dürften. Aus der Gegenüberstellung von Ideal und Idee ergibt sich aber im Gegensatz zu Kaufmann, daß aus dem Grunde, den erangibt, die entspannte Gemeinschaft die Idee des sozialen Lebens seinmuß.
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Mayer, M.E. (1933). Die Idee des Rechts. In: Rechtsphilosophie. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, vol 1. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99222-3_3
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