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Für die Behandlung im Halbschlaf ungeeignete Fälle

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Part of the book series: Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie ((MONOGRAPHIEN,volume 4))

Zusammenfassung

Es dürfte angezeigt sein, hier noch darauf hinzuweisen, welche Fälle von Psychoneurosen für die Behandlungsmethode ungeeignet sind, auch wenn es sich um sicher konstatierte psychoneurotische Zustände handelt. Eine ungünstige Prognose haben im allgemeinen (es gibt aber auch Ausnahmen) von vornherein, wie schon erwähnt, die Patienten, die ein gewisses Alter, in der Regel das 40. Lebensjahr, überschritten haben und besonders noch, wenn das Leiden seit vielen Jahren manifest ist. Aber auch diejenigen Fälle, bei denen die Übertragungen außerordentlich häufig sind infolge der Komplexkonstellationen, bieten durch das ganz ungeheuer große, unterbewußt aufgespeicherte Material eine ungünstige Prognose. In der Regel handelt es sich in solchen Fällen um eine außerordentlich schwere psychoneurotische Belastung. Nicht selten spielt bei solchen Kranken die Bildung neuer Komplexe schon beim Denken und Vorstellen eine große Rolle. Es bildet sich so unterbewußt ein unentwirrbares Netz von Komplexverbindungen, auch noch während der Behandlung, daß es schier unmöglich ist, Herr über das Material zu werden. Immerhin muß man von Fall zu Fall entscheiden. Bisweilen kann es durch Herstellen eines geeigneten Milieu gelingen, Schwierigkeiten, die vorher un-überwindbar schienen, zu umgehen. Außerdem sind von vornherein alle die Fälle außerordentlich ungünstig, bei denen die Komplexvorstellungen derartige sind, daß z. B. die Angst auch auf durch Heilung eintretende Momente übertragen wird: der Patient müßte dann, wenn er gesund ist, das tun, wovor er Angst hat. Eine solche unglückliche Übertragung der Angst verursacht oft solche Störungen, daß schon die Hypnose unmöglich wird. Aber auch Versuche, im Wachen zu analysieren, scheitern. Die Flucht in die Krankheit — wie sich Freud ausdrückt — ist in solchen Fällen eine komplette. Eine ziemlich große Zahl von Patienten sind nicht zu heilen, weil die äußeren Umstände derartige sind, daß die Quelle der pathologischen Affekte unaufhaltsam fortdauert. Bevor man sich entschließt, eine solch mühsame Arbeit, wie es, abgesehen von ganz leichten Fällen, in der Regel eine Psychanalyse ist, auf sich zu nehmen, versäume man nicht, abgesehen von der Erhebung einer ganz genauen Anamnese, auch die äußeren und inneren Verhältnisse des Patienten zu erforschen. In nicht seltenen Fällen sind die Familienverhältnisse, besonders die ehelichen Verhältnisse, derartige, daß eine Heilung ausgeschlossen ist und bleibt. Der Mangel eines tieferen Gemütslebens oder auch der Unverstand der Umgebung sind dabei von größter Bedeutung. Nirgends kann man die Lebenserfahrung, daß die Verhältnisse den Menschen bestimmen, besser erhärten, als durch psychanalytische Studien. Die oben geschilderte Eigenart der Psychoneurotiker involviert das außerordentlich häufig vorkommende Mißgeschick, daß solche Patienten, besonders weiblichen Geschlechts, die für sie unpassendsten Ehen abschließen. Die Vorzüge ihres Wesens geben hierzu die Veranlassung. Nicht selten beruht dieses Mißgeschick solcher psychoneurotischer Frauen darauf, daß sie in sexueller Hinsicht eine eigenartige Wirkung auf sexuell minderwertige Männer ausüben, denen sie dann zum Opfer fallen. Oder das Mißgeschick der Kranken hat seine Wurzel darin, daß sie sich in ihrem Partner rücksichtlich des Innenlebens täuschten und nun in der Ehe durchaus nicht verstanden werden. Die außerordentliche Feinheit des Gefühlslebens wird zur Quelle von unsäglichen Leiden. Der andere Ehegatte hat keine Ahnung von all den Leiden, die er dem anderen Teil zufügt, bis die Psychoneurose sich geltend macht. Dann ist es unmöglich, eine Änderung durchzuführen, weil man von einem erwachsenen Menschen nicht erwarten kann, daß er sein Wesen noch ändert. Alle diese Momente müssen in Erwägung gezogen werden, denn sie sind von ausschlaggebender Bedeutung. Tut man dies nicht und die Behandlung scheitert, so ist nicht die Methode daran schuld — eine andere Methode könnte da auch nicht zum Ziele führen — sondern es ist die fortdauernde Quelle, die immer wieder neue Komplexe entstehen und das kranke Gemüt nicht zur Ruhe kommen läßt.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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© 1913 Julius Springer in Berlin

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Frank, L. (1913). Für die Behandlung im Halbschlaf ungeeignete Fälle. In: Affektstörungen Studien über Ihre ätiologie und Therapie. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 4. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94209-9_5

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  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-642-93809-2

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