Zusammenfassung
Die Behandlung der Erbunwürdigkeit und des Erbverzichts an dieser Stelle unserer Darstellung rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß diese Begriffe nicht nur für die Erbberechtigung, sondern auch für das Pflichtteils- und Vermächtnisrecht von Bedeutung sind, weshalb es nicht angehen würde, sie etwa unter dem Gesichtspunkt der Anfechtbarkeit oder Unwirksamkeit der Berufung zu betrachten. So empfiehlt es sich, sie, dem System des Gesetzbuchs folgend, in einem besonderen Abschnitt am Schluß des Erbrechts zu behandeln. Die Erbunwürdigkeit, mit der wir uns zunächst beschäftigen wollen, stammt aus dem römischen Kaiserrecht, das dabei jedoch einen einheitlichen Grundgedanken vermissen läßt und vor allem einen dem Institut fremden Gesichtspunkt damit in es hineintrug, daß es das den Erben oder Vermächtnisnehmern wegen ihrer Unwürdigkeit Entzogene an den Fiskus fallen ließ. Nur in Ausnahmefällen fielen diese „bona ereptoria“ an andere Personen, die sich durch Pietät gegenüber dem Erblasser oder seinem letzten Willen hervorgetan hatten. An dieser Regelung hat das deutsche Rechtsempfinden berechtigten Anstoß genommen; es erschien ihm unerträglich, daß der Fiskus zur Konfiskation von Nachlässen schreite, solange noch Verwandte des Erblassers vorhanden waren. Daher hat sich schon im Gemeinen Recht das Bestreben geltend gemacht, den dem Unwürdigen entrissenen Nachlaß sonstigen Erbberechtigten zuzusprechen, und das Preußische Allgemeine Landrecht hat dem Rechnung getragen, indem es im Fall der Indignität des Bedachten demjenigen einen Anspruch auf die Zuwendung gewährte, der Erbe geworden wäre, wenn der Bedachte nicht vorhanden gewesen wäre. Hieran schließt sich im wesentlichen die Regelung an, die das Institut im BGB. gefunden hat, und wodurch es auf eine einheitliche Grundlage gestellt worden ist.
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Binder, J. (1923). Erbunwürdigkeit und Erbverzicht. In: Bürgerliches Recht Erbrecht. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, vol 9. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94199-3_10
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