1 Blutgruppen

1.1 AB0-System

Die Blutgruppe richtet sich nach der Antigeneigenschaft der Erythrozyten. Die Blutgruppenantigene A und B des AB0-Systems befinden sich an der Erythrozytenoberfläche. Das Antigen 0 gibt es nicht, man spricht allenfalls vom Merkmal H.

1.2 Rhesusfaktor

Der Rhesusfaktor der Erythrozyten wird durch mehrere Antigene (Partialantigene) bestimmt: C, c, D, d, E, e. Das Rhesusantigen D ist wegen seiner starken Immunität das wichtigste und bei Transfusionen stets zu berücksichtigen. Blut, das Erythrozyten mit dem Antigen D besitzt, wird als »Rhesus-positiv« (Rh-pos) bezeichnet. Fehlt dieses Antigen, wird es als »Rhesus-negativ« (Rh-neg) bezeichnet.

Rhesusformel Ccddee: als Empfänger Rh-neg, als Spender Rh-pos.

1.3 Serumantikörper

Antikörper sind Immunoglobuline und werden in reguläre und irreguläre Antikörper unterteilt.

1.3 Reguläre Antikörper (Iso-Antikörper)

  • kommen regelmäßig im AB0-System vor, d. h. ohne Sensibilisierung (z. B. Anti-A, Anti-B), werden jedoch erst im Laufe des ersten Lebensjahres entwickelt, d. h. Neugeborene besitzen i. d. R. noch keine Iso-Antikörper des AB0-Systems

  • gehören zur Klasse der IgM-Antikörper und sind wegen ihrer Größe nicht plazentagängig

  • fast immer komplementbindend und somit hämolytisch wirksam

1.3 Irreguläre Antikörper

  • entstehen erst nach Sensibilisierung, z. B. nach vorangegangener Transfusion oder nach Schwangerschaft

  • gehören zur Klasse der IgM- oder IgG-Antikörper

  • können gegen Untergruppen im AB0-System (A2, H) oder in anderen Systemen gerichtet sein

Wichtig sind irreguläre Antikörper der IgG-Klasse. Irreguläre Antikörper gegen die Untergruppen im AB0-System (Anti-A1, Anti-H) besitzen sehr selten hämolytische Eigenschaften und sind somit klinisch nicht bedeutsam.Irreguläre Antikörper der IgM-Klasse sind z. B. Kälteagglutinine.

1.4 Blutgruppenhäufigkeiten (Tab. 48.1)

Tab. 48.1 Blutgruppenhäufigkeiten

2 Blutprodukte

2.1 Vollblut

länger als 72 h gelagertes Frischblut (darf nicht mehr in den Verkehr gebracht und nicht mehr transfundiert werden)

2.1 Stabilisatoren und Additivlösungen für Erythrozytenkonzentrate

Stabilisatoren dienen der Antikoagulation und der Membranstabilität von Erythrozyten zur Lagerung (ACD-Stabilisator, CPD-A-1-Stabilisator). Additive Lösungen dienen der Aufrechterhaltung des Energiehaushalts und der Membranstabilität von Erythrozyten während der Lagerung und verlängern die Verwendbarkeit um 10–14 Tage gegenüber Stabilisatoren (SAG-M-Additivlösung, PAGGS-M-Additivlösung).

2.1 Lagerung

Vollblut und Erythrozytenkonzentrate müssen bei 2–6°C in geeigneten Kühlschränken oder -räumen mit fortlaufender Temperaturregistrierung gelagert werden. Die Kühlkette soll auch während des Transports nicht unterbrochen werden, sofern die Blutprodukte nicht unmittelbar danach zur Anwendung kommen.

2.2 Erythrozytenkonzentrate (EK)

Alle verfügbaren EK enthalten in Abhängigkeit vom Herstellungsverfahren den größten Teil der Erythrozyten einer Vollbluteinheit. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen durch den Gehalt an noch verbleibenden Leukozyten, Thrombozyten (»buffy coat«) und Plasma (inklusive Gerinnungsfaktoren) sowie den Zusatz additiver Lösung zur Haltbarkeitsverlängerung.

2.2 »Buffy-coat«-haltige EK

Nach Zentrifugation des Vollbluts wird das Plasma durch einfache physikalische Verfahren im geschlossenen System teilweise oder weitgehend von den Erythrozyten getrennt.

2.2 »Buffy-coat«-freie EK

Nach Zentrifugation des Vollbluts werden das Plasma und der »buffy coat« durch physikalische Verfahren im geschlossenen System teilweise oder weitgehend von den Erythrozyten getrennt. Zur Verbesserung der Konservierung wird das EK anschließend mit 40–70 ml Plasma resuspendiert.

2.2 »Buffy-coat«-freie EK in additiver Lösung

Das »Buffy-coat«-freie EK wird in 80–100 ml Additivlösung aufgeschwemmt.

2.2 Leukozytendepletierte EK (gefilterte EK)

Mittels spezieller Tiefenfilter (Leukozytendepletionsfilter) wird die Anzahl der Leukozyten weiter reduziert. Die Anzahl der Restleukozyten darf 106 Zellen pro EK nicht übersteigen. Leukozytendepletierte EK können sowohl aus »Buffy-coat«-freien EK als auch aus »Buffy-coat«-freien EK in additiver Lösung hergestellt werden.

2.2 Nachteile
  • Kontaminationsgefahr und fehlende Lagerungsfähigkeit bei Eröffnung des geschlossenen Systems, sodass sie nach dem Öffnen möglichst umgehend verwendet werden sollten

2.2 Indikationen
  • Prävention einer Alloimmunisierung gegen leukothrombozytäre Merkmale bei absehbarer Langzeitsubstitution und Immunsuppression (auch vor Transplantation)

  • hämatologische Grunderkrankungen (aplastische Anämie, myelodysplastische Syndrome, transfusionspflichtige chronische Anämien, Leukämien)

  • Schwangere, wenn CMV-negative EK nicht verfügbar sind (Vermeidung einer intrauterinen fetalen CMV-Infektion)

  • ggf. HIV-Infizierte

  • herzchirurgische Patienten mit einem Transfusionsbedarf von >3 EK

  • Zustand nach nichthämolytischer, febriler Transfusionsreaktion

  • Verhinderung eines Refraktärzustandes gegen Thrombozyten

  • Reduzierung einer intrazellulären, leukozytären Virenübertragung (CMV, HIV)

  • Prophylaxe des ARDS bei Massivtransfusion

  • evtl. Früh-/Neugeborene und Säuglinge bis zum ersten Lebensjahr

2.2 Gewaschenes EK

  • Herstellung: durch mehrmaliges Aufschwemmen und Zentrifugieren Leukozyten-depletierter Erythrozyten wird der größte Teil des Plasmas, der Leukozyten und Thrombozyten entfernt.

  • Leukozyten: <1%, Plasma: <1% (vom Vollblut)

  • Nachteile: Kontaminationsgefahr und fehlende Lagerungsfähigkeit bei Eröffnung des geschlossenen Systems sowie waschbedingte Zellschäden

2.2 Indikationen
  • Unverträglichkeit gegen Plasmaproteine, trotz Verwendung von Leukozyten-depletierten EK in additiver Lösung oder bei Nachweis von Antikörpern gegen IgA oder andere Plasmaproteine

2.2 Kryokonserviertes EK

  • Herstellung: gewaschene EK werden unter Zusatz eines Gefrierschutzmittels (Glycerin) tiefgefroren und bei mindestens -80°C gelagert. Kryokonservierte EK sind praktisch frei von Plasma sowie intakten Leukozyten und Thrombozyten. Nach dem Auftauen muss das Glycerin wieder ausgewaschen und die EK müssen umgehend verwendet werden

  • Leukozyten: <1%, Thrombozyten: <1%, Plasma: <1% (vom Vollblut)

2.2 Indikationen
  • nur bei Patienten mit komplexen Antikörpergemischen oder mit Antikörpern gegen ubiquitäre Antigene, die nicht anders versorgt werden können

2.2 Bestrahlte EK

  • Herstellung: Bestrahlung mit 30 Gy kurz vor der vorgesehenen Transfusion, dadurch Zerstörung immunkompetenter Lymphozyten (nach Möglichkeit sollten leukozytenarme gefilterte EK bestrahlt werden)

  • Nachteil: lagerungsbedingter Kaliumaustritt aus den Erythrozyten durch Bestrahlung zusätzlich verstärkt

Für Kinder und Patienten vor/nach Transplantation sollten nur CMV-freie und bestrahlte Blutprodukte verwendet werden.

2.3 »Fresh frozen plasma« (FFP)

  • Herstellung: innerhalb von 6 h (max. 24 h) tiefgefrorenes Plasma, welches aus einer Vollblutspende (etwa 270 ml) oder durch Plasmapharese (etwa 600 ml) gewonnen wurde

  • gerinnungsaktive Qualität von Frischplasmen abhängig von:

    • Konzentration der Gerinnungsfaktoren beim Spender (große interindividuelle Schwankungen bei Spendern von 0,6–1,4 U/ml jedes Gerinnungsfaktors, dabei entspricht 1 U/ml 100 % Aktivität eines Plasma-Pools)

    • Lagerung (Temperatur)

    • Herstellungsverfahren (Virusinaktivierung durch Methylenblau, Hitze etc.)

    • Auftauen (Temperatur und Geschwindigkeit); Soll: 25 min bei 37°C

      • die Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII im aufgetauten Plasma soll mindestens 70 % der individuellen Ausgangsaktivität betragen

      • nach dem Auftauen verlieren die Gerinnungsfaktoren jedoch rasch an Aktivität: etwa 60–70 % der Ausgangsaktivität nach dem Auftauen, außer Faktor V (etwa 40–50 %), da sehr labil

    • FFP innerhalb von 30 min nach dem Auftauen geben.

      • nach 4 h sind nur noch 40–50 % der Aktivität vorhanden, nach 6 h 0 %.

  • zulässiger Restzellgehalt: Erythrozyten: <1000/µl, Leukozyten: <500 µl, Thrombozyten: <20.000/µl

  • Proteinkonzentration: 60 g/l

  • Lagerung: bei –30°C: bis 1 Jahr, bei –40°C: bis 2 Jahre, bei –70°C: bis 3 Jahre

2.3 Indikationen

  • Verdünnungskoagulopathie infolge Massivtransfusion

  • Verbrauchskoagulopathie

  • Lebererkrankungen mit aktiver klinischer Blutung

  • angeborener Faktor-V- und -XI-Mangel

  • Plasmaaustausch bei Moschkowitz-Syndrom oder thrombotischthrombozytopenischer Purpura

  • Guillain-Barré-Syndrom (der mehrfache Plasmaaustausch ist einer rein supportiven Therapie nachweislich überlegen)

  • Austauschtransfusionen (von mehr als dem errechneten Blutvolumen des Patienten) bei Kindern und Erwachsenen

  • Notfallindikation beim Hämophiliepatienten

  • Gabe von FFP bei Kindern:

    • bei Quick-Wert von <40 %, PTT von >150 % der Norm und Fibrinogenspiegel von <0,75 g/l bzw.

    • spätestens bei 1- bis 1,5fachem Verlust des geschätzten Blutvolumens

Dosis

Faustregel: 1 ml FFP/kg KG führt zu Erhöhung des Faktorengehalts um etwa 1–2 %

  • Massivtranfusion: EK und FFP im Verhältnis 3 : 1 bis notfalls 1 : 1 geben

  • Leberausfall: 10–20 ml/kg KG, initial 4 Einheiten; Tagesbedarf: etwa 8 Einheiten

2.3 Kontraindikationen

  • Plasmaeiweißallergie

  • Mangel einzelner Gerinnungsfaktoren (relativ)

  • Volumenmangel ohne Gerinnungsstörungen

  • Hypervolämie, Hyperhydratation, Lungenödem

2.3 Nebenwirkungen

  • Überempfindlichkeitsreaktionen

  • Herz-Kreislauf-Reaktionen infolge von Zitratreaktionen bei Leberfunktionsstörungen sowie bei Neugeborenen, besonders bei schneller Transfusion

  • Immunisierung des Empfängers gegen Plasmaproteine

  • transfusionsinduzierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI-Syndrom): sehr selten, tritt fast ausschließlich durch Übertragung größerer Mengen Plasma, das granulozytenspezifische Antikörper enthält, auf. Seit der Nutzung von Blutprodukten von Frauen ohne vorherige Schwangerschaft TRALI seltener

Mit nichtinaktiviertem Plasma können Erreger von Infektionskrankheiten (z. B. HBV, HCV, CMV, HIV, Parvovirus B19) oder andere Mikroorganismen übertragen werden.

2.3 Virusinaktivierung des Plasmas durch:

  • Hitzebehandlung

  • Alkoholfraktionierung

  • photodynamische Einzelplasmabehandlung mit Methylenblau und Lichtexposition

  • Lagerung (4 Monate vorgeschrieben: Quarantäneplasma)

Plasma der Blutgruppe AB kann im Notfall für Patienten aller Blutgruppen verwendet werden. Das Rhesus-System braucht nicht berücksichtigt zu werden.

2.4 Thrombozytenkonzentrate (TK)

2.4 Herstellung

Einzelspender-TK aus dem »buffy coat« oder aus plättchenreichem Plasma einer Einzelvollblutspende enthalten bis etwa 5–8 × 1010 Thrombozyten in 50–80 ml Plasma und sind mit bis zu 2 × 108 Leukozyten und 1–5 × 108 Erythrozyten verunreinigt. Pool-TK bestehen aus 4–8 Einzelspender-TK.

2.4 Lagerung

unter ständiger Bewegung (auf Rüttelmaschine) bei Raumtemperatur (>22±2°C) für max. 3–5 Tage (nicht im Kühlschrank, dies führt zur Plättchenaggration!)

Pool-TK und in offenen Systemen gewonnene TK müssen innerhalb von 12 h nach Herstellung verwendet werden.

2.4 Indikationen

  • >100.000/µl nur bei Thrombopathie

  • 80.000–90.000/µl bei großen oder risikobehafteten Operationen (besonders Kardiochirurgie, Neurochirurgie, Augenoperationen)

  • 50.000–60.000/µl bei Massivtransfusion

  • 50.000/µl intraoperativ und postoperativ bis 4. Tag

  • 20.000–50.000/µl bei Blutung

  • 30.000/µl postoperativ (4.–7. Tag)

  • 10.000/µl zur Prävention einer Spontanblutung ohne chirurgischen Eingriff (nach LTPL evtl. erst bei <10.000/µl wegen möglicher Sensibilisierung)

Nicht bei Pseudothrombozytopenie (fälschlich zu niedrig gemessene Werte durch antikörperinduzierte Verklumpung, z. B. EDTA-abhängige Thrombozytopenie; Bestimmung in Zitratblut)

Nur 60–70 % finden sich in der Blutzirkulation wieder, der Rest wird bei Erstpassage in der Milz abgefangen. Seit 2001 dürfen nur noch leukozytendepletierte zelluläre Blutkomponenten in den Verkehr gebracht werden.

2.4 Durchführung

  • Übertragung nach Kompatibilität im AB0- und Rh-System wie bei EK (wegen der geringen, aber immer vorhandenen Kontamination mit Erythrozyten); weitere wichtige Alloantigene: HLA-Antigene der Klasse I und plättchenspezifische Antigene

    • einem Rh-negativen Empfänger dürfen Rh-positive Thrombozyten nur im Notfall transfundiert werden, da der Empfänger Antikörper bildet, die oft lebenslang erhalten bleiben. Wird einem solchen Patienten erneut Rh-positives Blut übertragen, kann eine schwere hämolytische Transfusionsreaktion ausgelöst werden. Wenn die Gabe von Rh-positiven Thrombozyten unvermeidlich ist, sollte bei Rh-negativen Frauen im gebärfähigen Alter eine Prophylaxe mit Anti-D-Immunoglobulin (250–300 µg Anti-D i. v.) durchgeführt werden; Beachte: keine i. m. Injektion

  • Gabe über ein spezielles Thrombozytenbesteck (Filtergröße: 170–200 µm), das einen geringeren Thrombozytenverlust im System verursacht

  • Therapiekontrolle: Thrombozytenzahl und Thrombozytenfunktion

Bei immunsupprimierten Patienten muss vor TK-Transfusion zur Vermeidung einer Graft-versus-Host-Reaktion eine Bestrahlung mit etwa 30 Gy durchgeführt werden.

Dosis

Faustregel für den minimalen Thrombozytenbedarf: Thrombozytenanzahl = gewünschter Thrombozytenzahlenanstieg (/µl) × Blutvolumen (ml) (etwa 70 ml/kg KG) × 1,5, z. B. Anstieg um 50.000/µl bei einem 70 kg schweren Patienten: 50 × 103/µl × 70 kg × 70 ml/kg KG × 1,5 = 50 × 103/µl × 4900 × 103 µl × 1,5 = 367 × 109 ≈ 3,6 × 1011

Erfahrungsgemäß führen

  • 4–6 Einheiten Einzelspender-TK oder

  • 1 Einheit Pool-TK oder

  • 1 Einheit Thrombozytenhochkonzentrat

zu einem Thrombozytenzahlenanstieg von etwa 20.000–30.000/µl.

3 Transfusionen

3 Indikationen

  • Für die Indikation zur Transfusion von EK lassen sich keine obligaten unteren Grenzwerte für Hb-Konzentration oder Hämatokrit festlegen. Nach neueren Empfehlungen wird bei bestehenden kardialen Kompensationsmechanismen die minimale Hb-Konzentration bei 6 g/dl angegeben (kritischer Hb-Wert, bei dem bei Normovolämie und Normoxie die O2-Versorgung des Gewebes noch gewährleistet ist).

  • Aktuelle Indikationen zur Transfusion sind:

    • Hb-Konzentration von <6 g/dl bzw. Hk von <20 %

    • Hb-Konzentration zwischen 6 und 10 g/dl sowie

      • pvO2 von <32 mmHg

      • O2-Extraktionsrate von >50 %

      • ein um mehr als 50 % von der Ausgangssituation gesunkener O2-Verbrauch, der nicht anderweitig geklärt werden kann

      • myokardiale und zerebrale Ischämieanzeichen trotz ausreichender Isovolämie (ST-Strecken-Senkungen von >0,1 mV oder ST-Strecken-Hebungen von >0,2 mV für eine Dauer von mindestens 1 min in den Ableitungen II und V5)

Die restriktive Gabe von EK (Hb-Transfusionswert von <7 g/dl vs. <10 g/dl) führte in einer von Herbert veröffentlicht großen randomisierten Studie zu keiner Zunahme der 30-Tage- und der Krankenhausmortalität. Länger als 15 Tage gelagerte EK scheinen ungeeignet zu sein, die globale und lokale O2-Versorgung beim kritisch kranken Patienten zu verbessern.

3 Maximal tolerabler Blutverlust (MTBV), Tab. 48.2

Tab. 48.2 Therapievorschlag
$$MTBV=\frac{\begin{matrix} gesch\ddot{a}tzesBlutvolumen \\ \left( \frac{70ml}{kg} \right)\times \left( HK{{T}_{0}}-Hk{{t}_{min}} \right) \\ \end{matrix}}{\left( HK{{T}_{0}}-HK{{T}_{min}} \right)/2}$$

Hkto = Ausgangshämatokrit

Hktmin = minimaler Hämatokrit

Für das Überleben von (Myokard-)Gewebe ist ein unterer O2-Gehalt von 6 ml/dl notwendig, was einem Hb-Wert von 4,4 g/dl unter Raumluft entspricht. Es liegen einzelne Berichte vor, dass Zeugen Jehovas Hb-Werte von 2,4 g/dl und Hk-Werte von bis zu 4 % ohne Organschäden überlebten – das Recht auf Selbstbestimmung (Art. 2 GG) ist bei erwachsenen bewusstseinsklaren Patienten zu respektieren (gegenüber dem Grundsatz der ärztlichen Behandlungsfreiheit). Anders ist dies hingegen bei minderjährigen Kindern, deren Eltern eine Bluttransfusion verweigern. Hier muss über das Vormundschaftsgericht eine Einwilligung zur Transfusion gegen den Willen der Eltern eingeholt werden (§ 1666 BGB). Im Notfall muss die Transfusion erfolgen, da sonst der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung zugrunde liegen kann.

Unter extremer Hämodilution sind Gelatinelösungen aufgrund eines erhöhten Transportvermögens von CO2 und keiner über das Maß des Hämodilutionseffekts hinausgehenden Beeinflussung der Gerinnung zu bevorzugen.

Dosis

Faustregel: 3–4 ml EK/kg KG führt zur Erhohung des Hb-Wertes um etwa 1 g/dl; oder:

\(ErforderlichesVolumen = {{Blutvolumen{\kern 1pt} {\kern 1pt} \left( {etwa{\kern 1pt} {\kern 1pt} {{70ml} \over {kgKG}}} \right){\kern 1pt} {\kern 1pt} \times {\kern 1pt} {\kern 1pt} H{K_{Wunsch}} - H{K_{aktuell}}} \over {H{K_{transf.Blut}}}}\)

Therapievorschlag Tab. 48.2

Dabei ist HkWunsch der gewünschte Hämatokrit, Hkaktuell der aktuelle Hämatokrit und Hktransf Blut der Hämatokrit des transfundierten EK (60–80 %).

3.1 Verträglichkeitstests (Prophylaxe hämolytischer Transfusionsreaktionen)

Vor jeder Transfusion müssen folgende Untersuchungen bzw. Tests durchgeführt werden:

  • Bestimmung der Blutgruppe und des Rhesus-Faktors

  • Antikörpersuchtest (indirekter Coombs-Test) bei Empfänger und Spender

  • Kreuzprobe

  • Überprüfung des Blutgruppenbefundes, der Kreuzprobe und der Konserve

  • Bedside-Test

3.1 Kreuzprobe

Mit der Kreuzprobe soll festgestellt werden, ob sich Antikörper beim Spender oder Empfänger befinden und eine hämolytische Transfusionsreaktion auslösen können. Die Kreuzprobe besteht aus 3 Stufen.

3.1 Stufe 1: Kochsalztest (eigentliche Kreuzprobe)
  • Die Erythrozyten des Spenders werden mit dem Serum des Empfängers (Major-Teil) und umgekehrt (Minor-Teil) zusammengebracht:

    • Major-Test: Empfängerserum wird auf Antikörper gegen Spendererythrozyten untersucht

    • Minor-Test: Spenderserum wird auf Antikörper gegen Empfängererythrozyten untersucht (besonders wichtig bei Neugeborenen und Kleinkindern mit noch nicht ausgereiftem Immunsystem)

Tritt beim Major- oder Minor-Test nach Inkubation über 5 min bei Raumtemperatur und anschließender Zentrifugation bereits eine Agglutination auf, besteht Unverträglichkeit, und die weiteren Tests können ausgelassen werden.

3.1 Stufe 2: Albumintest
  • Suche nach kompletten Antikörpern oder Antikörpern, die in Kochsalz keine Agglutination hervorrufen

  • Zugabe von 30%igem Rinderalbumin und Inkubation über 30–45 min bei 37°C

  • nach Zentrifugation Untersuchung auf Agglutination

3.1 Stufe 3: Coombs-Test (direkter Coombs-Test)
  • Suche nach inkompletten Antikörpern, die erst durch Zugabe von Coombs-Serum (Antihumanglobulin) eine sichtbare Agglutination bewirken. Die im Coombs-Serum enthaltenen Antikörper bilden eine »Verbindungsbrücke« zwischen inkompletten Antikörpern.

3.1 Antikörpersuchtest (indirekter Coombs-Test)

  • Dieser wird bei Empfänger und Spender durchgeführt. Es werden im Unterschied zur Kreuzprobe gepoolte Testerythrozyten mit einer optimalen Anzahl von Antigenen mit Empfänger- bzw. Spenderserum vermischt. Es resultiert eine Aufdeckung der meisten irregulären bzw. inkompletten Antikörper wie z.B. Rhesus, Kell, Duffy, Lewis oder Kidd. Eine weitere Identifizierung von irregulären Antikörpern erfolgt dann ggf. mit speziellen Testerythrozyten.

3.1 Bedside-Test

  • Mit dem Bedside-Test sollen Vertauschungen und Verwechslungen bei der Blutabnahme, bei der Kreuzprobe oder bei der Zuordnung der Blutpräparate zum Patienten entdeckt werden. Der Bedside-Test ist unmittelbar vor der Transfusion vom transfundierenden Arzt oder unter seiner Aufsicht durchzuführen, um die AB0-Blutgruppe des Empfängers zu bestätigen. Das Ergebnis ist schriftlich zu dokumentieren. Eine Testung der Konserve ist nicht mehr vorgeschrieben!

  • Eine Bestimmung des Rhesus-Faktors oder eine Blutgruppenkontrolle des EK (»Inhaltskontrolle«) ist nicht vorgeschrieben. Bei Eigenblut muss der Bedside-Test beim Empfänger und bei der Eigenblutkonserve (»Inhaltskontrolle«) durchgeführt werden, um Vertauschungen zu vermeiden, da hier keine Kreuzprobe erfolgt.

Vor Beginn der Transfusion hat der transfundierende Arzt Folgendes persönlich zu überprüfen bzw. durchzuführen:

  • Blutgruppenbefund des Empfängers und evtl. vorliegende irreguläre Antikörper

  • ob die Konserve für den entsprechenden Empfänger bestimmt ist

  • ob die Blutgruppe der Konserve (Konservenetikett) dem Blutgruppenbefund des Empfängers entspricht

  • ob Verträglichkeit besteht (negative Kreuzprobe) und die Kreuzprobe noch Gültigkeit besitzt (i. d. R. 72 h)

  • ob die angegebene Konservennummer mit dem Begleitschein übereinstimmt

  • ob die Konserve unversehrt und das Verfalldatum nicht überschritten ist

  • Bedside-Tests (oder unter seiner Aufsicht)

3.2 Auswahl von EK, Tab. 48.3

Tab. 48.3 Blutgruppenkompatible Transfusion von EK

Nach Möglichkeit sollte AB0- und Rh-blutgruppengleich transfundiert werden.

Einem Rh-negativen Empfänger darf Rh-positives Blut nur im Notfall transfundiert werden, da der Empfänger Antikörper bildet, die oft lebenslang erhalten bleiben. Wird einem solchen Patienten erneut Rh-positives Blut übertragen, kann eine schwere hämolytische Transfusionsreaktion ausgelöst werden.

Die Gabe von Rh-positiven EK sollte bei Rh-negativen Kindern und Rh-negativen Frauen im gebärfähigen Alter unbedingt vermieden werden.

3.2 »Universalspenderblut 0«

Erythrozyten der Blutgruppe 0 lassen sich praktisch reaktionslos auf blutgruppenungleiche Empfänger übertragen. Da jedoch in EK der Blutgruppe 0 immer noch ein Plasmaanteil mit Anti-A- und Anti-B-Antikörpern vorhanden ist, ist die Menge der übertragbaren EK begrenzt. Bei größeren Transfusionsmengen werden die Empfängererythrozyten geschädigt, da dann die Verdünnung der Antikörper nicht mehr ausreichend hoch ist.

Bei EK mit geringem Plasmaanteil (gewaschene EK) brauchen die Isoantikörper des AB0-Systems im Spenderplasma nicht berücksichtigt zu werden. Solche EK können im Bedarfsfall unter Berücksichtigung der Major-Kompatibilität im AB0-System unbedenklich übertragen werden.

Bei Austauschtransfusionen an Neugeborenen muss das für den Austausch herangezogene EK mit der AB0-Blutgruppe der Mutter und des Kindes kompatibel sein.

3.3 Komplikationen bei Transfusionen

Die Häufigkeit von Transfusionszwischenfällen beträgt etwa 1 : 5000. Man kann zwischen immunologisch und nichtimmunologisch bedingten Komplikationen unterscheiden.

3.3 Hämolytische Transfusionsreaktion

Ursache sind Antikörper gegen Erythrozyten (am häufigsten AB0-Unverträglichkeit, seltener bereits vor Transfusion vorhandene, hämolytisch wirksame Allo-Antikörper:

Mehr als 80 % der hämolytischen Transfusionsreaktionen sind auf menschliches Versagen, also Verwechslung von Patienten und/oder Konserven, zurückzuführen

3.3 Häufigkeit
  • 1 : 6000 bis 1 : 80.000

  • tödliche Reaktionen: 1 : 250.000 bis 1 : 600.000

3.3 Symptome
  • Schüttelfrost und Fieber, kalter Schweiß

  • Tachypnoe, Tachykardie, RR-Abfall: Schock

  • Hämolyse, Hämaturie, diffuse Blutung im Operationsgebiet

3.3 Komplikationen
  • DIC

  • akutes Nierenversagen

3.3 Therapie
  • Transfusion sofort abbrechen

  • Blutentnahme für Labor (wenn möglich vor weiteren Maßnahmen): Blutgruppenbestimmung, Kreuzprobe und Antikörpersuchtest wiederholen, Bestimmung von Hämoglobin in Blut und Urin, Bestimmung von Haptoglobin, Bilirubin, Kreatinin, Harnstoff, Thrombozyten, Gerinnungsstatus und Fibrinogenspaltprodukten

  • Hypotonie mit Volumengabe und ggf. Katecholaminen behandeln

  • hochdosiert Kortikoide

  • Diurese steigern (Volumen, Furosemid, Mannitol), ggf. frühzeitige Hämodialyse

  • Heparinisierung bei beginnender Verbrauchskoagulopathie

  • Bereitstellung von kompatiblen EK

  • bei besonders schweren Reaktionen Austauschtransfusion

3.3 Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion

  • unerklärlicher Hb-Wert-Abfall nach zunächst unauffälliger Transfusion mit mehr oder weniger ausgeprägten Hämolysezeichen

  • primär niedrige Allo-Antikörper-Titer beim Empfänger (negative Kreuzprobe) – derartige Reaktionen lassen sich also nicht sicher vermeiden

  • nach Übertragung antigentragender Erythrozyten innerhalb weniger Tage verstärkte Antikörperbildung

3.3 Nichthämolytische febrile Transfusionsreaktion (NHFT, Fieberreaktion)

  • zytotoxische Reaktion (Antigen-Antikörper-Reaktion) durch präformierte Antikörper des Patienten gegen Leukozyten (Thrombozyten oder Plasmaeiweiße), die mit den übertragenen Bestandteilen reagieren

  • Häufigkeit: <1 : 200 (EK) bzw. <1 : 5 (TK)

  • aber auch selten vorkommmende bakterielle Verunreinigung ursächlich möglich

3.3 Posttransfusionspurpura

  • akute, isolierte Thromozytopenie mit oder ohne Blutungsneigung etwa 1 Woche nach Transfusion aufgrund der Bildung spezifischer Antikörper gegen Thrombozyten

  • Häufigkeit: 1 : 600.000

  • Therapie: Gabe von Immunglobulinen

3.3 Allergische Reaktion

  • tritt fast ausschließlich bei Empfängern mit Hypogammaglobulinämie (IgA-Mangel) und Immunisierung gegen IgA-Immunoglobuline durch IgA-Übertragung auf

  • Urtikaria, selten schwere Reaktionen

  • kommt seit Verwendung plasmaarmer EK nur noch selten vor

3.3 Transfusionsinduzierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI-Syndrom)

  • Diese Komplikation ist sehr selten und tritt fast ausschließlich durch Übertragung größerer Mengen Plasma in Form von FFP, das granulozytenspezifische Antikörper im Spenderserum enthält, auf.

3.3 Graft-versus-Host-Reaktion

  • wird bei immunsupprimierten Patienten und bei Blutsverwandten nach Übertragung von proliferationsfähigen Lymphozyten beobachtet

  • durch Bestrahlung der Blutprodukte (30 Gy) zu verhindern

3.3 Septischer Schock

  • verursacht durch bakterielle Kontamination (insbesondere gramnegative Keime)

  • meist letal

3.3 Infektionsübertragung

  • Übertragung von intraleukozytären Erregern (CMV, HIV, Epstein-Barr-Viren, Yersinien)

  • Hepatitis B

  • Hepatitis C

  • Lues (Frischblut bis 72 h)

  • Parvovirus B19: kann bei Schwangeren (fötale Infektion) und Personen mit Immundefekt oder gesteigerter Erythropoese (z. B. hämolytische Anämie) zu schweren Erkrankungen führen

  • Parasitosen, insbesondere Malaria (Plasmodien), ferner Trypanosomen, Babesien, Leishmanien, Mikrofilarien und Toxoplasmen

  • HTLV-II-Virus (neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung; sicherheitshalber werden alle Spender, die sich länger als 6 Monate in England aufgehalten haben, von der Blutspende ausgeschlossen)

  • HIV-Risiko bei FFP (Quarantänelagerung): 1 : 20.000.000

  • HIV-Risiko bei Gerinnungspräparaten (virusinaktiviert): <1 : 20.000.000

3.3 Hypervolämie

  • tritt fast ausschließlich bei Patienten mit Herz- oder Niereninsuffizienz auf

3.3 Metabolische Probleme: Zitratintoxikation, Hyperkaliämie, Hypothermie

  • besonders bei Früh- und Neugeborenen, Massivtransfusion oder ausgeprägter Leberfunktionsstörung zu beobachten

  • Vermeidung durch Kalziumglukonat oder CaCl2 und vorherige Erwärmung auf 37°C

3.4 Nebenwirkungen von Leukozytentransfusionen

  • nichthämolytische febrile Transfusionsreaktion (NHFT) – Zur Vermeidung der NHFT soll der Anteil transfundierter Leukozyten einen Wert von 2,5 × 108 pro transfundierte Einheit, der auch CALL-Wert (»critical antigenic load of leucocytes«) genannt wird, nicht überschreiten

  • Alloimmunisierung gegen HLA-Merkmale der Klasse I (notwendige gleichzeitige Übertragung von Zellen mit HLA-Antigenen der Gruppe II: B-Lymphozyten, Makrophagen, aktivierte T-Zellen)

  • Die für die Induktion einer Alloimmunisierung notwendige Dosis transfundierter Leukozyten wird als CILL-Wert (»critical immunogenetic load of leucocytes«) bezeichnet und beträgt 5 × 106 pro transfundierter Einheit

  • Die für die Induktion einer Alloimmunisierung notwendige Dosis

  • Entwicklung eines Refraktärzustandes gegen Thrombozyten (inadäquater Anstieg der Thrombozytenzahlen nach Transfusion)

  • Übertragung von intraleukozytären Erregern (CMV, HIV, Epstein-Barr-Viren, Yersinien)

  • Graft-versus-Host-Reaktion

  • Immunsuppression/ -modulation

3.5 Massivtransfusion

3.5 Definitionen

nicht einheitlich:

  • Austausch des einfachen Sollblutvolumens (70 ml/kg KG) innerhalb von 24 h

  • Austausch des 1,5fachen Sollblutvolumens innerhalb von 24 h

  • Austausch des halben Sollblutvolumens in 12 h bei einer Infusionsrate von >1,5 ml/kg KG/min

  • (benötigte Transfusion: >10 EK)

3.5 Auswirkungen

3.5 Körpertemperaturabfall
  • 25–30 kalte Blutkonserven (4–6°C): Abfall der Kerntemperatur auf 26–29°C mit Gefahr des Kammerflimmerns

  • Hypothermie per se löst Gerinnungsstörung aus, daher Erwärmung auf 37°C (Durchlauferwärmer, Wärmegeräte)

3.5 Störungen der Blutgerinnung
  • Verlustkoagulopathie durch Blutung

  • Dilutionskoagulopathie durch Substitution mit kristalloiden oder kolloidalen Volumenersatzmitteln oder EK (zuerst Thrombozytenverminderung)

  • Koagulopathie durch Verbrauch (Mangel an Faktoren V und VIII)

  • Laborbefunde: PTT erhöht; Quick-Wert, Fibrinogenspiegel sowie AT-III- und Protein-C-Konzentration vermindert

  • Hyperkoagulopathie (bei nur mäßiger Aktivierung der Fibrinolyse, D-Dimere): PTT vermindert

3.5 Übertragung von Mikroaggregaten

Es sollten Mikrofilter (10–40 µm) verwendet werden.

3.5 Zitratintoxikation bzw. Hypokalzämie

  • der Normwert für ionisiertes Kalzium beträgt 1,1–1,4 mmol/l.

    • Die Leber ist normalerweise in der Lage, das 100fache der normalen Serumzitratkonzentration während einer einzelnen Passage zu metabolisieren. Bei einer Zitratüberschwemmung kommt es auch zu einer Hypokalzämie, da Zitrat ionisiertes Kalzium bindet.

    • Hypothermie, verminderte Leberdurchblutung und Hyperventilation erhöhen zusätzlich die Gefahr der Hypokalzämie. Gesamtkalziumwerte (im Labor gemessen) können irreführend sein. Deutliche Effekte auf die Gerinnung hat die ionisierte Hypokalzämie erst bei Werten von <0,5 mmol/l. Kardiale Phänomene können schon bei Werten von <0,75 mmol/l auftreten.

    • Eine Kalziumsubstitution erfolgt nicht routinemäßig, sondern nur bei erniedrigtem Spiegel des ionisierten Kalziums (wenn keine Kalziumspiegelbestimmung möglich ist: etwa 10 ml Kalziumglukonat 10 % pro 4 EK oder FFP).

    • Eine Kalziumsubstitution durch Kalziumglukonat oder CaCl2:

      • 10 ml Kalziumglukonat 10 % (0,225 mmol/ml)

      • 10 ml Kalziumglukonat 20 % (0,45 mmol/ml)

      • 10 ml CaCl2 liefert mehr ionisiertes Ca2+ (0,5 mmol/ml) als Kalziumglukonat 10 %

Kalziumglukonat und CaCl2 haben verschiedene Molaritäten. Bei CaCl2 wird mehr ionisiertes Kalzium freigesetzt (nicht an den Lebermetabolismus gebunden).

3.5 Hyperkaliämie
  • abhängig vom Alter der Konserven (Azidose verstärkt Hyperkaliämie)

  • Azidose

  • Überkorrektur, da Zitrat in der Leber zu Bikarbonat metabolisiert wird

3.5 2,3-Diphosphoglyzerin-Mangel
  • Linksverschiebung der O2-Bindungskurve (bei bis zu 5 Tage alten Konserven unbedeutend)

4 Fremdblutsparende Maßnahmen

4.1 Präoperativ

4.1 Präoperative Eigenblutspende (EBS)

4.1 Indikationen

planbare OP mit zu erwartendem hohen Blutverlust (>1000 ml)

4.1 Kontraindikationen
  • schwere respiratorische Störungen (z. B. FEV1 von 1,5 l oder paO2 von <65 mmHg)

  • schwere kardiale Störungen (z. B. KHK mit instabiler Angina pectoris, Herzinfarkt vor weniger als 6 Wochen, hochgradige Aorten- oder Mitralstenose)

  • Gerinnungsstörungen

  • akute Infektionen (Fieber, Leukozytose)

  • Anämie (Hb-Wert von <11,5 g/dl und Hk von <34 %)

4.1 Durchführung
  • OP-Terminplanung, Beginn der EBS etwa 35–40 Tage bis max. 72 h vor OP

  • Entnahme von 400–500 ml Blut je Sitzung

  • evtl. Substitution mit Kolloiden (weniger kollaptische Zustände)

  • Auftrennung des gewonnenen Vollblutes in EK und FFP

  • primär kurze Spendeintervalle (<1 Woche: höherer Anstieg des Serumerythropoetinspiegels durch Anämisierung)

  • evtl. Anwendung der Bocksprung-Technik (Re-Transfusion älterer vorher entnommener EK bei simultaner weiterer Blutabnahme)

  • Überwachung des Patienten für mindestens 30–60 min

  • Eisensubstitution: oral (300–900 mg Eisen-II-Sulfat, etwa 100–300 mg Fe2+/Tag) oder 100–200 mg Eisensaccharat i. v. langsam als Kurzinfusion; Beachte: allergische Reaktionen

  • evtl. Gabe von rh-Erythropoetin bei Eigenblutspende: 100–150 (–400) IE/kg KG 2-mal wöchentlich s. c., ab dem 2. Lebensjahr; immer simultane Eisengabe

4.1 Vorteile
  • Ersatz von eigenen Gerinnungsfaktoren durch Eigen-FFP

  • möglicher Infektionsschutz durch körpereigene Immunglobuline

  • Stimulation der Erythropoese

4.1 Präoperative Eigenplasmapherese

4.1 Indikationen

planbare Operation mit zu erwartenden großen Wundflächen (auch bei anämischen Patienten durchführbar)

4.1 Kontraindikationen

s. Eigenblutspende (außer Anämie)

4.1 Durchführung
  • OP-Terminplanung

  • Entnahme von 600–900 ml (10–15 ml/kg KG) Plasma je 30- bis 90-minütiger Sitzung

  • evtl. Substitution mit Kolloiden (weniger kollaptische Zustände)

  • Überwachung der Patienten für mindestens 30–60 min

4.1 Vorteile
  • Beginn schon viele Monate vor dem Eingriff möglich

  • Ersatz von eigenen Gerinnungsfaktoren

  • möglicher Infektionsschutz durch körpereigene Immunglobuline

  • Stimulation der Erythropoese

  • auch bei sehr alten Patienten ohne Probleme durchführbar

4.1 2 Verfahren
  • Membranfiltration

  • Zentrifugation: höherer Gerinnungsfaktorengehalt und höhere Restthrombozytenzahl als bei Membranfiltration (5000 U/min: thrombozytenarmes Plasma; 3500 U/min: thrombozytenreiches Plasma)

4.2 Intra- und postoperativ

4.2 Isovolämische Hämodilution

4.2 Indikationen
  • zu erwartender Blutverlust von >1000 ml und Hk von >34 %

4.2 Kontraindikationen
  • Koronar- und Herzinsuffizienz (Herzinfarkt vor <3 Monaten, Herzklappenfehler)

  • schwere restriktive und obstruktive Lungenerkrankungen

  • Anämie (<11 g/dl)

  • SIRS, Hypovolämie, Schock

  • Fieber

  • Eiweißmangel

4.2 Durchführung
  • präoperativ Entnahme von bis zu 15 ml Vollblut/kg KG und Ersatz durch Kolloide

  • Formel nach Gross:

    \(\begin{array}{*{35}{l}} entnehmbaresBlutvolumen= \\ \frac{gesch\ddot{a}tzesBlutvolumen\left( =70\frac{ml}{kg} \right)\times \left( Hk{{t}_{0}}-Hk{{t}_{min}} \right)}{\left( Hk{{t}_{0}}+Hk{{t}_{min}} \right)/2} \\ \end{array}\)

    Hkt0 = Ausgangshämatokrit

    Hktmin = minimaler Hämatokrit

  • Entnahme von 350–450 ml pro Beutel

  • Transfusion in umgekehrter Reihenfolge der Abnahme

  • Lagerung bei Raumtemperatur auf einer Rüttelmaschine zur Erhaltung der Thrombozytenfunktion bis zu 6 h, sonst im Kühlschrank lagern

  • Standardtransfusionfilter (170–200 µm) verwenden

Bei der präoperativen Hämodilution kann auf einen AB0-Identitätstest vor Re-Transfusion verzichtet werden, wenn die Eigenblutkonserve beim Patienten verweilt und weder ein räumlicher noch ein personeller Wechsel zwischen Entnahme und Re-Transfusion erfolgt ist. Die Re-Transfusion erfolgt innerhalb von 6 h.

4.2 Vorteile
  • Verbesserung des postoperativen Gerinnungsstatus, bessere Rheologie

  • keine Schädigung der re-transfundierten Erythrozyten durch den Sauger im Vergleich zur maschinellen Autotransfusion

4.2 Effekte
  • deutliche kardiale Nachlastsenkung: Erhöhung von Ejektionsfraktion, Schlagvolumen und HZV (über höheres Schlagvolumen), DO2-Verminderung

  • verstärkte O2-Extraktionsrate (kritischer Hb-Wert ohne erhöhte Koronarperfusion: 8,8 g/dl; mit gesteigerter Koronarperfusion: 4,4 g/dl)

  • Rechtsverschiebung der O2-Dissoziationskurve durch Zunahme von 2,3-Diphosphoglyzerin

  • Abnahme der Blutviskosität

4.2 Maschinelle Autotransfusion

4.2 Indikationen
  • elektive oder akute OP mit zu erwartendem hohen Blutverlust (>1000 ml)

4.2 Kontraindikationen
  • OP in infektiösen oder kontaminierten Gebieten

  • Tumorchirurgie

4.2 Durchführung
  • Sammeln von Blut aus dem Wundgebiet in einem sterilen Beutel (Vacufix) oder in einem Reservoir mittels Doppellumensauger (heparinisiertes NaCl läuft über ein Lumen zur Saugerspitze und wird zusammen mit dem Blut über das zweite Lumen wieder aufgesogen; Sog: 80–100 mmHg)

  • Antikoagulation mit heparinisierter NaCl-Lösung (15.000 IE Heparin auf 500 ml NaCl 0,9 %, Verhältnis zum Blut von 1 : 5 bis 1 : 10)

  • Aufbereitung (Zellseparation) des in einem Reservoir gesammelten Blutes mittels »Cell-Saver« –Nach ausreichender Füllung des Reservoirs wird das Blut durch eine Rollerpumpe in eine Zentrifugenglocke gepumpt. Dort wird das leichtere Plasma nach oben gedrängt und in den Abfallbeutel entleert, anschließend erfolgt ein Waschvorgang mit NaCl 0,9 %, der mehrfach wiederholt werden kann. Nach Beenden des Waschens wird das Erythrozytenkonzentrat in einen Transfusionsbeutel gepumpt.

Etwa 80 % der Erythrozyten können unzerstört zurückgewonnen werden.

  • der Hk der Erythrozytenlösung beträgt 55–75 % (abhängig von AusgangsHk des Patienten, Verdünnung im OP-Gebiet und Anzahl der Waschvorgänge)

  • die Qualität der Erythrozyten ist hoch (O2-Transportfunktion, Überlebenszeit und osmotische Resistenz)

  • das komplette Plasma sowie Zellfragmente, freies Hämoglobin und aktivierte Gerinnungsfaktoren, aber auch Heparin werden zum größten Teil ausgewaschen

  • es erfolgt eine Elimination von Medikamenten und Anästhetika; Beachte: bei Phäochromozytom nur ungenügende Auswaschung der Katecholamine

  • bei der Transfusion von mittels Cell-Saver gewonnenem Eigenblut sollten zur Re-Transfusion Mikrofilter (10–40 µm) verwendet werden

  • in der Regel erfolgt durch Autotransfusion keine Veränderungen von Gerinnung, Elektrolytgleichgewicht und hämatologischen Werten; Ausnahme: bei hohen Autotransfusionsmengen kann es zu messbaren Veränderungen durch Heparineinschwemmung kommen (heparinisierte Waschlösung), in diesem Fall ist das Heparin durch adäquate Protamingaben zu antagonisieren

4.2 Weitere fremdblutsparende Maßnahmen

  • gewebeschonende Operationstechnik mit akribischer Blutstillung

  • kontrollierte Hypotension

  • Konzept der permissiven perioperativen Anämie

  • postoperative Drainagenretransfusionmedikamentöse Beeinflussung des Blutverlustes:

    • rechtzeitiges Absetzen von Thrombozytenaggregationshemmern und Umstellen auf Heparinperfusor

    • Antifibrinolytika: Tranexamsäure (Cyklokapron)

    • Hemmung der Fibrinolyse und der durch Thrombozytenaggregationshemmer induzierten Blutungsneigung

    • Desmopressin (Minirin): führt zu einer gesteigerten Thrombozytenausschwemmung aus dem Knochenmark