Schlüsselwörter

Die Erwachsenenbildung ist in Deutschland zwar einerseits quantitativ und qualitativ als eigenständiger Bildungsbereich erkennbar, andererseits aber nicht systematisch gestaltet oder geordnet. Die Bildungsarbeit mit Erwachsenen hat sich seit dem 19. Jahrhundert in verschiedenen sozialen und politischen Kontexten entwickelt (siehe dazu Tietgens, Feidel-Mertz, Siebert, Tippelt in diesem Band) und wurde in Deutschland erst zu Beginn der 1970er-Jahre öffentlich als „vierte Säule“ des Bildungsbereichs deklariert. Seitdem versteht man in Deutschland unter ‚Erwachsenenbildung‘ gemäß der Definition des Deutschen Bildungsrates (1970) die „Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“ (ebd., S. 197). ‚Weiterbildung‘ wird in manchen anderen (auch europäischen) Staaten ein wenig anders definiert (etwa unter Einschluss des Studiums). Mit der bildungspolitischen Verortung der Erwachsenenbildung wurde ihr auch ein neuer Sammelbegriff verordnet: ‚Weiterbildung‘. Damit wird stärker der Kontext des Bildungssystems, der Aufbau auf bereits Gelerntem, betont als das Alter der Lernenden. Der Begriff der ‚Weiterbildung‘ setzte sich jedoch erst seit Beginn der 1980er-Jahre durch, eng verbunden mit dem rasanten Anstieg der Bildungsarbeit im beruflichen Kontext. Seitdem bestehen beide Begriffe nebeneinander: ‚Weiterbildung‘ mit einer stärker beruflichen, ‚Erwachsenenbildung‘ mit einer stärker allgemeinen und politischen Konnotation.

Heute werden die Begriffe ‚Erwachsenenbildung‘ und ‚Weiterbildung‘ meist synonym gebraucht und umfassen ganz unterschiedliche Bereiche, wie berufliche und betriebliche Weiterbildung, Fortbildung und Umschulung, politische Bildung, gewerkschaftliche Bildung, Allgemeinbildung und kulturelle Bildung. Sie umfassen Angebote, die von einer einzelnen Abendveranstaltung bis zu mehrjährigen Ausbildungsgängen gehen. Und sie umfassen Einrichtungen völlig unterschiedlicher Zielrichtung, Rechtsform und Arbeitsweisen sowie soziale und personelle Zusammenhänge ganz unterschiedlicher Provenienz.

Erwachsenenbildung als ein gewachsener Bereich, der historisch aus unterschiedlichen Zusammenhängen heraus entstand (siehe dazu Tietgens in diesem Band), ist auch heute noch disparat organisiert und nur schwer überschaubar. Dies ist umso schwieriger geworden, als Erwachsenenbildung letztlich überall stattfindet, in Vereinen, Organisationen, Betrieben, Verbänden, Netzwerken und Bildungseinrichtungen. Ordnungsgrundsätze gelten jeweils nur für Teilbereiche. Dennoch lassen sich einige übergreifend charakterisieren.

Für die deutsche Erwachsenenbildung gilt im Großen und Ganzen, dass sie nicht staatlich organisiert ist, aber mehr oder weniger stark staatlich gestaltenden Einflüssen unterliegt. In ihrer Substanz ist sie „plural“, was letztlich bedeutet, dass ihre gewachsene Gestalt fortbesteht. Von großer Bedeutung ist dabei die Tatsache, dass das Prinzip der Pluralität die Gültigkeit und Relevanz der institutionellen Struktur der Erwachsenenbildung in Deutschland bestätigt und bestärkt. Der Grundsatz der Pluralität des Weiterbildungsbereichs bestärkt die Existenz einer Vielzahl und Vielfalt von Einrichtungen und Trägern.

Der Staat (Länder und Kommunen) wirkt strukturfördernd und zum Ausgleich von Defiziten auf die Weiterbildung ein, dort eingreifend, wo Standards oder politische Ziele nicht realisiert werden – nach dem Prinzip der Subsidiarität. Im Grundsatz gilt, dass Erwachsenenbildung nicht vollständig staatlich finanziert ist. Jedoch wendet der Staat Mittel auf für die Weiterbildung. Der Evaluationsbericht zum nordrhein-westfälischen Weiterbildungsgesetz (DIE 2010) trägt entsprechend den Titel „Lernen fördern, Strukturen stützen“.

Die Intensität des staatlich gestaltenden Einflusses (und damit auch die jeweilige Gültigkeit der Ordnungsgrundsätze) unterscheidet sich vor allem danach, um welche staatliche Instanz und um welchen inhaltlichen Bildungsbereich es geht. Entscheidend ist dabei das föderalistische Grundprinzip in der deutschen Bildungspolitik und -verwaltung, nach dem Bund, Ländern und Kommunen jeweils spezifische Aufgaben im Bildungsbereich zufallen.

Die wesentlichsten Grundsätze des Weiterbildungsbereichs sind daher zunächst Pluralität, Subsidiarität und Föderalismus. Sie lassen sich anhand von vier Fragen differenziert darstellen:

  • Welches sind die gesellschaftlichen Grundlagen der Erwachsenenbildung?

  • Welches sind die rechtlichen Grundlagen der Erwachsenenbildung?

  • Welches sind die institutionellen Grundlagen der Erwachsenenbildung?

  • Welches sind die materiellen Grundlagen der Erwachsenenbildung?

1 Gesellschaftliche Grundlagen

Ideengeschichtlich liegen in Europa die Wurzeln der Erwachsenenbildung in der Aufklärung, sozialgeschichtlich im Kampf des Bürgertums gegen feudale Zwänge und im Kampf des Proletariats gegen die Unterdrückung. Heute ist der aufklärerische Impetus generelles Leitziel in der Erwachsenenbildung: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude!“ (Kant 1784, S. 481).

Im Rahmen ihrer jeweiligen Klasseninteressen wurde die Idee der Aufklärung für das Bürgertum wie auch für das Proletariat im 19. Jahrhundert zur Leitidee organisierter Bildungsbemühungen. So wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Lese-, Museums- und Literaturgesellschaften gegründet, die Vorträge, Gespräche und gemeinsame Unternehmungen veranstalteten. Musikalische Vereine, Sonntags- und Abendschulen organisierten das bildungsbürgerliche Element; landwirtschaftliche Vereine und die Handwerkerbildungsvereine dieser Zeit bemühten sich, die Menschen zur Ausübung ihrer neu zu erkämpfenden oder bereits erworbenen bürgerlichen Rechte und beruflichen Aufgaben zu befähigen. Auch konfessionell orientierte Bildungseinrichtungen entstammen diesem Abschnitt bürgerlicher Selbsthilfe im Bildungsbereich; so wurde etwa der von Adolf Kolping geleitete „Katholische Gesellenverein“ Ausgangspunkt des heutigen Kolpingswerkes. 1871 sammelte sich die bürgerlich-liberale Bildungsbewegung in der Gründung der „Gesellschaft für die Verbreitung von Volksbildung“. Diese Gesellschaft entfaltete vielfältige Aktivitäten, um neue Bildungsvereine zu gründen, Volksbibliotheken einzurichten und das öffentliche Vortragswesen auszuweiten.

Wichtige Impulse erhielt die Bewegung auch durch die Universitätsausdehnung vor allem in England und Österreich, mit der wissenschaftliches Wissen nach klassischen Bildungsidealen verbreitet wurde. Dieser spezielle Aspekt führte 1899 zur Gründung eines „Verbandes für volkstümliche Kurse von Hochschullehrern des Deutschen Reiches“, der sich von 1904 bis 1912 in Wien, Berlin, Dresden und Frankfurt zu „Volkshochschultagen“ zusammenfand. 1913 waren im Bereich der „Gesellschaft für die Verbreitung von Volksbildung“ etwa 8000 Bildungsvereine registriert, die mehr oder weniger miteinander kooperierten. Sie stellten in dieser Zeit die größte europäische Vereinigung zur Volksbildung dar.

Bereits sehr frühzeitig hatte sich die Arbeiterbildung von der bürgerlichen Bildung abgespalten; Handwerksgesellen und die rasch wachsende Arbeiterschaft stellten fest, dass Freiheit, Bildung und Wohlstand zunehmend zum Privileg nur einer Gesellschaftsklasse, des Bürgertums, wurden und Bildung nicht nur zur Befreiung von feudalen Strukturen, sondern auch als Herrschaftsmittel gegenüber der Arbeiterklasse benutzt wurde. Aus dieser Auseinandersetzung entstand die Formulierung eines klassenspezifischen Bildungsbedürfnisses der Arbeiterschaft im Zusammenhang mit deren Organisierung in den 50er- und 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Linksliberale Strömungen (vgl. Schulze-Delitzsch 1990) hatten sich bereits der Arbeiterbildung angenommen, bevor Ferdinand Lasalle explizit das Klassenbewusstsein des Proletariats der bürgerlichen Bildungsidee gegenüberstellte. Er gründete den „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ (1863) und formulierte die Erkenntnis, dass die politischen und gesellschaftlichen Ziele der Arbeiterklasse Vorrang haben vor „nur“ pädagogischen Handlungsstrategien. Damit war der Beginn einer Arbeiterbildung im Dienst der politischen Emanzipation der Arbeiterklasse markiert. Bildung als Mittel im Klassenkampf („Wissen ist Macht“) wurde von gewerkschaftlichen und parteilichen Organisationen der Arbeiterklasse bis zum 1. Weltkrieg ausgebaut, intensiviert und verstärkt.

Eine dritte Wurzel für das, was heute unter Erwachsenenbildung subsumiert wird, ist bereits im 19. Jahrhundert feststellbar, auch wenn für sie nicht explizit der Begriff der Aufklärung reklamiert und sie gewöhnlich in historischen Darstellungen zur Erwachsenenbildung nicht mit behandelt wird: Die betriebliche und im weiteren Sinne unmittelbar berufliche Erwachsenenbildung. Anlernprozesse am Arbeitsplatz, Bildungsveranstaltungen für innerbetrieblichen Aufstieg, Fortbildung für Führungskräfte nahmen in dem Maße zu, indem die kapitalistische Produktionsweise immer größere Betriebe hervorbrachte. Große Konzerne wie etwa Krupp hatten bereits vor dem 1. Weltkrieg Ansätze eines betrieblichen Fortbildungssystems realisiert, die sich in das Bemühen um eine betriebliche Personalfür- und -vorsorge einreihten.

Der 1. sowie der 2. Weltkrieg bedeuteten auch für die deutsche Erwachsenenbildung einen tief greifenden Einschnitt. Noch gravierender wirkte sich das Nazi-Regime aus, das in vielen Bildungsstätten noch heute ein weißer Fleck in der eigenen Geschichte ist. Die Frage, inwieweit die Richtungen der Erwachsenenbildung, wie sie um die Jahrhundertwende bestanden, in der Weimarer Republik und nach dem 2. Weltkrieg kontinuierlich fortgeführt oder aber gebrochen wurden, ist unter Historikerinnen und Historikern nicht unstrittig. Konsens besteht vor allem über folgende Punkte:

In der Weimarer Republik gewann die Erwachsenenbildung insgesamt einen höheren, aber auch qualitativ veränderten Stellenwert. Erwachsenenbildung ist Bestandteil der Weimarer Verfassung und 1918 bis 1920 sind die Jahre, in denen ein großer Teil der auch heute existierenden, traditionsreichen Volkshochschulen als eigenständige Einrichtungen des freien Volksbildungswesens (teilweise in Anlehnung an dänische Internatsschulen für Erwachsene) gegründet wurden. Die Ansätze der Erwachsenenbildung unterliegen in der Weimarer Zeit unterschiedlichen Bewegungen. Die bürgerlich-liberale Volksbildungsbewegung führte eine heftige Diskussion der „alten“ Richtung der Wissensvermittlung gegenüber der „neuen“ Richtung der vom Menschen ausgehenden individuellen Bildungsarbeit. Insbesondere die Volkshochschulen, 1927 in einem Reichsverband zusammengeschlossen, waren stark in diese Diskussion involviert. Die konfessionellen Volksbildungsbewegungen, eher der bürgerlich-liberalen Richtung zuzuschlagen, verfolgten demgegenüber recht eigenständige konzeptionelle Entwicklungen. Die „alte“ und „neue“ Richtung einigten sich 1931 in Prerow auf einen Kompromiss, in dessen Mittelpunkt vor allem auch berufsbezogene Bildungsinhalte stehen („Prerower Formel“).

Die Arbeiterbewegung verfolgte in der Weimarer Republik sowohl in Verbindung mit dem Parteiapparat als auch mit Gewerkschaften einen eigenständigen institutionellen und theoretischen Aufbau der Erwachsenenbildung, wobei insbesondere die Berliner Gewerkschaftsschule und die Akademie der Arbeit (beide 1921 gegründet) als Haupttypen der institutionellen Arbeiterbildung hervorzuheben sind. Die betriebliche Erwachsenenbildung führt auch in der Weimarer Republik eine von der öffentlichen Diskussion weitgehend unbeachtete Existenz weiter.

Im Nationalsozialismus wurde versucht, alle unterschiedlichen Strömungen der Erwachsenenbildung „gleichzuschalten“, organisatorisches Hilfsmittel war dabei die nationalsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ als Trägereinrichtung des „Deutschen Volksbildungswerkes“. Die Gleichschaltung der Erwachsenenbildung erfolgte langsam und gestaltete sich offensichtlich mühsam; erst 1939 wurden reichseinheitliche Richtlinien zur Erwachsenenbildung verabschiedet. Das in der Erwachsenenbildung teilweise angesammelte Widerstandspotenzial (vgl. Seitter 2000, S. 18; siehe dazu auch Feidel-Mertz in diesem Band) trug viel dazu bei, dass in der Rekonstruktion der Erwachsenenbildung nach dem 2. Weltkrieg an vorhandene Linien angeknüpft werden konnte.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde Erwachsenenbildung, soweit sie öffentlich diskutiert und gefördert wurde, vor allem unter dem Aspekt der demokratischen Re-Education durch die alliierten Siegermächte vorangetrieben. Dies galt besonders für die kommunalen Einrichtungen der Volksbildung, die Volkshochschulen, während betriebliche, konfessionelle und gewerkschaftliche Erwachsenenbildung in ihren je eigenen Organisationsbereichen sich um einen konzeptionellen Neuanfang bemühten. In den Blickpunkt einer öffentlichen Diskussion geriet die Erwachsenenbildung umfassender 1960 mit dem Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen „Zur Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung“. Hier heißt es unter anderem, dass Bildung im Sinne von „Einsicht und Verständnis“ anknüpft „an einen der umstrittensten Bildungsbegriffe der europäischen Geistesgeschichte: denn Erhellung des Bewusstseins ist nur ein anderer Name für das, was man früher Aufklärung nannte“ (Deutscher Ausschuss 1960, S. 20–21). Die wesentliche politische Bedeutung des Gutachtens ist die, dass Erwachsenenbildung als Bestandteil der öffentlich zu fördernden und zu gestaltenden Bildungsbereiche und damit als öffentliche Aufgabe zu betrachten ist.

Nach weiteren 10 Jahren intensiver Diskussionen um die Gestaltung des Bildungssystems („Bildungskatastrophe“, Picht 1965) markierten schließlich der Strukturplan des Deutschen Bildungsrates von 1970 und der Bildungsgesamtplan der Bund-Länder-Kommission von 1973 die für die Erwachsenenbildung entscheidenden Eckpunkte in der Entwicklung zu einem eigenständigen vierten Bildungsbereich. „Die erste Bildungsphase ist ohne ergänzende Erwachsenenbildung unvollständig. Der Gesamtbereich Erwachsenenbildung ist daher Teil des Bildungssystems; Fortbildung, Umschulung und Erwachsenenbildung gehören in den Rahmen dieses Bereiches“ (Deutscher Bildungsrat 1970, S. 199–200).

Mit der Einführung des Oberbegriffs ‚Weiterbildung‘ anstelle des Oberbegriffs ‚Erwachsenenbildung‘ wurde nicht nur die Zusammengehörigkeit der bis dahin unverbundenen Bildungsaktivitäten reklamiert, sondern auch ein höheres Maß an Verbindlichkeit der Erwachsenenbildung sowie an staatlicher Verantwortlichkeit betont. Folgerichtig waren auch ‚Kooperation‘ und ‚Koordination‘ zentrale Begriffe der Strukturpapiere. Eingeführt wurden Gedanken einer „flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung“, der „Qualität der Bildungsangebote“ sowie der „Professionalisierung der Lehrenden“. In der Akzeptanz der gewachsenen und institutionell gefestigten Ansätze von Erwachsenenbildung, wie sie seit dem letzten Jahrhundert nebeneinander bestanden, gingen auch diese Strukturüberlegungen von einer Pluralität der Erwachsenenbildung aus und verfestigten sie damit. Die Weiterbildungsgesetze, die in der Folge – entsprechend der föderalen Struktur der Bundesrepublik – in den meisten Bundesländern verabschiedet wurden, setzten diese Überlegungen um (vgl. Kuhlenkamp 2002; Grotlüschen 2013; Grotlüschen und Haberzeth in diesem Band).

Die „realistische Wende“ der Erwachsenenbildung, die Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre stattfand, stellt Erwachsenenbildung zum einen in den Zusammenhang mit anderen Bildungsbereichen, insbesondere der beruflichen Bildung und der allgemeinen Schulbildung, zum anderen in die Diskussion gesellschaftlicher Qualifikationsbedarfe und aktiver Arbeitsmarktpolitik sowie in weiterem Sinne in den Zusammenhang kultureller und politischer Gesellschaftsperspektiven. Dieser Kontext erreicht in der jüngsten Vergangenheit sogar noch eine neue Dimension, die Erwachsenenbildung in einen globalen ökonomischen Zusammenhang stellt: „Die Strukturen und Systeme von Unternehmen, Märkten und Produkten ordnen sich im weltweiten Maßstab, Konkurrenz ist keine räumlich eingrenzbare Kategorie mehr. Für die Weiterbildung hat dieser Megatrend unmittelbare Konsequenzen, etwa im Bildungsziel der „Employability“ oder im zunehmend globalen Wettbewerb von Bildungsdienstleistungen, wie dies aktuell die Diskussionen um GATS zeigen (vgl. z. B. Haslinger und Scherrer 2006)“ (DIE 2008, S. 13). Für die Individuen bedeutet die Globalisierung eine immer größer werdende Eigenverantwortung, die sie im Zuge eines Umbaus des Sozial- und Bildungssystems (verbunden mit einem Rückzug des Staates aus bisher gesellschaftlich verantworteten Teilbereichen) auch für ihre (Weiter-)Bildung übernehmen müssen (Zeuner 2006).

Unabhängig davon sind Ordnungsgrundsätze für die Erwachsenenbildung erst seit der „realistischen Wende“ in dem Sinne feststellbar, als es erst seitdem eine übergeordnete Instanz – den Staat – gibt, die sich um eine Ordnung der Erwachsenenbildung bemüht. Die Ordnungsgrundsätze der Erwachsenenbildung gehen aber von den gewachsenen Strukturen, von den historischen Ansätzen und institutionellen Möglichkeiten aus. Sie sind vor allem in Form von Gesetzen, von diesen nachgeordneten Verordnungen und zunehmend auch von internationalen (europäischen) Richtlinien und Empfehlungen festgehalten.

2 Rechtliche Grundlagen der Erwachsenenbildung

Als rechtliche Grundlage der Erwachsenenbildung werden meist nur die entsprechenden Gesetze der Länder gesehen. Grundsätzlich ist dabei festzustellen, dass die Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik Deutschland durch eine Vielzahl ineinander verschränkter gesetzlicher und anderer Regelungen geordnet wird, die teilweise unterschiedlichen Leitzielen dienen und auch manche Bereiche der Erwachsenenbildung unberührt lassen (siehe dazu auch Grotlüschen und Haberzeth in diesem Band; Krug und Nuissl 2004 ff.). Unterschiedliche Ziele verfolgen etwa das für das Bundesgebiet gültige SGB III mit arbeitsmarkt- und strukturpolitisch begründeten Maßnahmen- und Teilnehmerförderungen sowie die Weiterbildungsgesetze der Länder, die fast ausschließlich Institutionen und Personal der Erwachsenenbildung fördern. Weitgehend unberührt von öffentlich diskutierten Ordnungssystemen sind die kommerziell betriebene Erwachsenenbildung, die keinerlei staatliche Zuschüsse erhält, und die Erwachsenenbildung in den Betrieben, die im Rahmen der Tarifautonomie zwischen Unternehmensleitungen und Gewerkschaften ausgehandelt wird.

Darüber hinaus gibt es eigenständige gesetzliche Bestimmungen für einzelne Personengruppen (auf Bundesebene etwa für Betriebsräte im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes, auf Landesebene etwa für die Fortbildung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst), für einzelne Institutionen (etwa für die Hochschulen auf Bundesebene im Hochschulrahmengesetz, auf Landesebene in den jeweiligen Hochschulgesetzen der Länder) sowie für einzelne Fachressorts (auf Landesebene etwa für Landwirtschaft sowie Handel und Industrie) (Krug und Nuissl 2004 ff.). Hinzu kommen Ländergesetze zur Freistellung von der Arbeit zu Bildungszwecken („Bildungsurlaub“, vgl. Schmidt-Lauff 2005), Regelungen und Empfehlungen von Kultusministerkonferenz und Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung, Regelungen im allgemeinen Tarifrecht und – länderspezifisch – zum Nachholen von Schulabschlüssen.

Die Vielzahl und Vielfalt von Regelungssystemen für die Erwachsenenbildung entspricht der disparaten Struktur des Bereichs. Ordnungsgrundsätze sind daher, sofern sie detailliert dargestellt werden, immer nur für Teilbereiche gültig. Allerdings können hier – je nach Bedeutung des Regelungsbereiches – auch Gewichtungen vorgenommen werden.

Erster und oberster Ordnungsgrundsatz auf der Basis rechtlicher Grundlagen ist, dass Erwachsenenbildung nicht staatlich geordnet sein muss. Anders als etwa im Schulbereich unterliegt sie im Grundsatz nicht staatlichem Anerkennungszwang. Erwachsenenbildung ist zum einen durchführbar auf der Grundlage allgemeiner marktwirtschaftlicher Bestimmungen bis hin zum Verbraucherschutz, zum anderen als unternehmerische Aktivität wie viele andere auch. Eine Ausnahme bildet hier nur der Fernunterricht, für den aufgrund entsprechender Erfahrungen ein gesondertes Fernunterrichtsschutzgesetz (erste Fassung von 1977) erlassen wurde, das letztlich vor allem ein Verbraucherschutzgesetz ist.

Mit der Zunahme des Interesses der Bevölkerung an Erwachsenenbildung und wachsenden Teilnahmezahlen ist die Bedeutung kommerzieller Erwachsenenbildungsanbieter gestiegen, sie haben auf kommunaler und regionaler Ebene teilweise den gestaltenden Einfluss öffentlich geförderter Erwachsenenbildungseinrichtungen zurückgedrängt. Anders als in den 1970er-Jahren geplant, sind heute in manchen Angebotsbereichen (etwa Sprachenbereich, EDV-Schulung) Einflüsse der Regelung von Nachfrage und Angebot prägender als staatlich induzierte Ordnungskriterien wie Qualitätssicherung, Kommunalisierung und Allgemeinzugänglichkeit. Dies wird umso bedeutsamer, als auch staatlich finanzierte Bildungsangebote nach dem SGB III nach Marktgesetzen ausgehandelt werden, die teilweise Regelungen der Erwachsenenbildungsgesetze der Länder konterkarieren.

Im Bereich der öffentlich verantworteten und gestalteten Erwachsenenbildung ist zu berücksichtigen, dass die entsprechenden Regelungen mit Ordnungsgrundsätzen gestuft sind. In der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist – anders als in der Weimarer Verfassung – Erwachsenenbildung nicht geregelt. Nach Auffassung von Verfassungsrechtlerinnen und -rechtlern ist jedoch auch für die Erwachsenenbildung – wie für andere Bildungsbereiche – aus dem Demokratiegebot, dem Sozialstaatspostulat und dem Gleichheitsgrundsatz eine Verantwortung des Staates für die Erwachsenenbildung abzuleiten (vgl. Bubenzer 1982). Einige Bundesländer haben in ihren Landesverfassungen die Erwachsenenbildung explizit aufgenommen: Baden-Württemberg (Artikel 22: „Die Erwachsenenbildung ist vom Staat, den Gemeinden und den Landkreisen zu fördern“), Bayern (Artikel 139: „Die Erwachsenenbildung ist durch Volkshochschulen und sonstigen mit öffentlichen Mitteln unterstützte Einrichtungen zu fördern“), Bremen (Artikel 35: „Allen Erwachsenen ist durch öffentliche Einrichtungen die Möglichkeit zur Erwachsenenbildung zu geben“), Nordrhein-Westfalen (Artikel 17: „Die Erwachsenenbildung ist zu fördern. Als Träger von Einrichtungen der Erwachsenenbildung werden neben Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden auch andere Träger wie die Kirchen und freie Vereinigungen anerkannt“), Rheinland-Pfalz (Artikel 37: „Das Volksbildungswesen einschl. der Volksbüchereien und Volkshochschulen soll von Staat und Gemeinden gefördert werden. Die Errichtung privater oder kirchlicher Volksbildungseinrichtungen ist gestattet“), Saarland (Artikel 32: „Staat und Gemeinde fördern das Volksbildungswesen, einschl. der Volksbüchereien und Volkshochschulen“), Schleswig-Holstein (Artikel 9, Abs. 3: „Die Förderung der Kultur und der Erwachsenenbildung, insbesondere des Büchereiwesens und der Volkshochschulen, ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände“).

Auf der rechtlich obersten Ebene, derjenigen der Verfassung, wird Erwachsenenbildung dort, wo sie überhaupt erwähnt wird, als staatliche Verpflichtung und teilweise konkreter als kommunale Pflichtaufgabe definiert. Weitestgehend ist hier die Verfassungsbestimmung in Nordrhein-Westfalen, in der auch Angaben zu den zulässigen Trägern enthalten sind. In den jeweiligen Landkreis- und Gemeindeordnungen der genannten Bundesländer, aber auch in den Bundesländern, in denen Erwachsenenbildung nicht verfassungsmäßig verankert ist, ist Erwachsenenbildung als Pflichtaufgabe eingeschlossen. Auch in den neuen Bundesländern hat sich diese Regelung im Großen und Ganzen durchgesetzt. Unterschiedlich sind die Bestimmungen darüber, welche Institutionen diese Pflichtaufgabe wahrnehmen.

Für das gesamte Bundesgebiet gelten auch unterhalb der Verfassungsebene keine umfassenden gesetzlichen Regelungen zur Erwachsenenbildung. Ein Bundes-Weiterbildungsgesetz, spätestens seit Anfang der 1970er-Jahre immer wieder diskutiert und gefordert, existiert bis heute nicht. Besonderer Hinderungsgrund für ein Bundesgesetz ist die Zuständigkeit der Länder für die Bildung. Durch die 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform entfiel zudem die gemeinsame Bildungsplanung in der „Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung“ (BLK), sodass angesichts vielfach bestehender Länder-Weiterbildungsgesetze eine übergeordnete oder konkurrierende Bundesgesetzgebung ebenso wie etwa im Hochschulbereich umstritten ist. Auch ein bundesweites Bildungsurlaubsgesetz existiert trotz vielfältiger Initiativen in der Vergangenheit nach wie vor nicht, wobei hier vor allem der Widerstand der Arbeitgeber gegenüber entsprechenden Regelungen, der auch auf Landesebene wirksam ist, einen Hinderungsgrund darstellt.

Für das Bundesgebiet gesetzlich geregelt sind der Fernunterricht (im Fernunterrichtsschutzgesetz), Erwachsenenbildung als Aufgabe der Hochschulen (im Hochschulrahmengesetz), Erwachsenenbildung für einzelne Personengruppen (etwa Bundesbedienstete und Migrant/-innen) sowie – und dies hat seit den 1970er-Jahren immer größere Bedeutung erlangt – im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik durch das ehemalige Arbeitsförderungsgesetz (AfG), das seit 1998 als Drittes Buch im Sozialgesetzbuch (SGB III) verankert ist. Letzteres regelt, welche Personengruppen in welchen Inhaltsbereichen (durch Fortbildungen und Umschulungen) staatlich gefördert werden; so werden sowohl Maßnahmen als auch Individuen (etwa durch den Einsatz von Bildungsgutscheinen, vgl. § 77 SGB III) durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) teilweise oder vollständig gefördert. Das SGB III regelt beispielsweise Dauer, Inhalt und Anspruchsberechtigung bei mehrmonatigen Kursen „Deutsch als Fremdsprache“. Seine gestaltende Kraft sowohl für Institutionen als auch für Inhalte und Teilnehmende der Erwachsenenbildung hatte das AfG in der Vergangenheit durch seine hohen Förderungsbeträge erhalten, die in der Summe diejenigen Beträge überstiegen, die auf der Grundlage der Erwachsenenbildungsgesetze der Länder vergeben werden (s. u.). Da Maßnahmen nach dem SGB III in der Regel auf dem Markt ausgeschrieben werden, haben sie zu einer Stärkung des Bereichs der kommerziellen Erwachsenenbildung geführt.

Trotz der Novellierungen des Gesetzes seit Beginn der 1990er- Jahre, die eine Einschränkung der Förderungssumme vollzogen, übte das SGB III lange einen großen gestaltenden Einfluss in der Weiterbildung aus; seit Ende der 1990er-Jahre allerdings hat sich die Förderlogik der BA drastisch nach dem „Minimum-Prinzip“ (minimaler Mitteleinsatz zur effizienten Erreichung eines gegebenen Outputs) geändert, womit die öffentliche Förderbeteiligung nach SGB III um mehr als 80 % zurückgegangen ist (vgl. DIE 2008, S. 109).

Die Richtwerte für SGB III-Maßnahmen in Bezug auf Teilnahme, Dauer, Qualitätsstandards und Abschlüsse haben – über entsprechende Marktmechanismen – auch regulierenden Einfluss auf andere Angebotsbereiche. In verschiedenen Fällen stehen etwa Qualitätsstandards und Anforderungen an Lehrpersonal für Angebote nach dem SGB III in Konkurrenz zu entsprechenden Regelungen in den Erwachsenenbildungsgesetzen der Länder.

Ebenfalls für das Bundesgebiet gültig ist das Betriebsverfassungsgesetz (BVerfG); es regelt die Freistellung von Betriebsräten für Zwecke der Erwachsenenbildung und hat große Bedeutung für gewerkschaftliche Bildungsarbeit, die sich aus dem historischen Ansatz der Arbeiterbildung ableitet (siehe dazu auch Derichs-Kunstmann und Schnier in diesem Band).

Oft bundesweit gültig, wenn auch nicht staatlich induziert, sind schließlich erwachsenenbildungsrelevante Regelungen in Manteltarifverträgen. In ihnen wird etwa festgelegt, welche Personengruppen in den jeweils vom Tarifvertrag betroffenen Betrieben unter welchen Bedingungen an festgelegten Erwachsenenbildungsangeboten teilnehmen können. Einige dieser tarifvertraglichen Regelungen gehen über die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus (vgl. u. a. Sutter 1989).

Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen zur Erwachsenenbildung auf Landesebene sind die genannten Weiterbildungsgesetze der Länder. Sie sind in der Interpretation des Subsidiaritätsgrundsatzes, also der Gestaltungsabsicht für den Weiterbildungsbereich, sehr verschieden (Kuhlenkamp 2002; Nagel/Tiedtke 2007) und ihre jeweilige Wirkung hängt eng zusammen mit dem Förderungsvolumen, dessen Vergabe an Einrichtungen die Gesetze der Erwachsenenbildung im jeweiligen Land regeln (siehe etwa DIE 2010). Die wichtigsten und in der Regel auch in allen Erwachsenenbildungsgesetzen enthaltenen Ordnungsgrundsätze sind (Rohlmann 1992; Otto und Winger 1992):

  • Die Sicherung der institutionellen Grundstruktur der Erwachsenenbildung durch institutionelle Förderung, Anerkennung unter bestimmten Aspekten von kontinuierlicher und qualitativ ausgewiesener Arbeit und Grundlinien organisatorisch-rechtlicher Art, insbesondere Zusammenschluss zu Verbänden auf Landesebene.

  • Abgrenzung der Bildungseinrichtungen von anderen gesellschaftlichen Organisationen (wie etwa Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Kirchen) und Sicherung ihrer Selbstständigkeit in der Wahrnehmung der Bildungsaufgabe, Freiheit der Lehrplangestaltung und Unabhängigkeit in der Auswahl der Mitarbeitenden.

  • Qualifikation der Mitarbeitenden sowie deren Fortbildung.

  • Kooperation zwischen den Bildungseinrichtungen auf kommunaler und auf Landesebene.

  • Offener Zugang der Bildungseinrichtungen für alle Personen und Personengruppen in der Bevölkerung.

In einigen Bundesländern haben sich diese Ordnungsprinzipien der Erwachsenenbildungsgesetze in der Struktur der Erwachsenenbildungseinrichtungen im Lande durchgesetzt, ein hoher Institutionalisierungs- und Professionalisierungsgrad ist festzustellen. Insbesondere Nordrhein-Westfalen weist diese Strukturen auf. Erkennbare Strukturierungsmerkmale nach Gesetz sind vor allem auch in Niedersachsen, Bremen und Hessen festzustellen. Diese Umsetzung von Ordnungsgrundsätzen der Erwachsenenbildunggesetze erfolgt hauptsächlich in den weitgehend kommunal verankerten Volkshochschulen, die vielerorts lokale Zentren für Kultur und Bildung sind (siehe dazu auch Süssmuth und Eisfeld in diesem Band), aber auch in Bildungswerken der Kirchen, der Gewerkschaften (siehe dazu Derichs-Kunstmann und Schnier in diesem Band) und der Unternehmensverbände. Unberührt von den Erwachsenenbildungsgesetzen bestehen vor allem Angebote von Betrieben (siehe dazu Käpplinger, Diekmann sowie Dobischat und Düsseldorff in diesem Band), kommerziellen Anbietern, aber auch etwa Hochschulen (siehe dazu Jütte und Bade-Becker in diesem Band). Allerdings lassen sich Berührungspunkte in Bezug auf Qualität von Erwachsenenbildung als auch von Kooperation der Einrichtungen untereinander (siehe dazu Alke und Jütte in diesem Band) erkennen. Erwachsenenbildungsgesetze gibt es derzeit (2016) in 14 der 16 Länder.

Ebenfalls auf Landesebene gültig sind Bildungsurlaubsgesetze (die mit Ausnahme von Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen in allen Bundesländern existieren), teilweise auch Freistellungs- oder Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz genannt. Sie regeln die bezahlte Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zur Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, formulieren ein individuelles Anspruchsrecht von in der Regel einer Woche pro Jahr und haben auf die Entwicklung einer spezifischen Angebotsform (ein- und zweiwöchige Seminarveranstaltungen) sowie dazugehöriger Konzeptionen prägenden Einfluss ausgeübt. Nach wie vor sind die Bildungsurlaubsgesetze vielerorts zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer/-inne/-n umstritten, ihre Inanspruchnahme durch anspruchsberechtigte Beschäftigte ist im bundesweiten Durchschnitt mit etwas mehr als 1 % sehr gering – dieser Prozentsatz ist seit vielen Jahren unverändert, die Bildungsurlaubsgesetze blieben also bis heute faktisch ohne nennenswerte Wirkung (DIE 2008, S. 50). Den wesentlichsten Einfluss haben Bildungsurlaubsgesetze ausgeübt auf die Diskussion einer Verbindung von Bildung und Beschäftigungsverhältnis sowie auf die Diskussion einer lebenslangen Verknüpfung von Arbeit und Bildung (Faulstich 2006). Der ursprüngliche inhaltliche Impetus der Bildungsurlaubsgesetze, der anknüpfend an die Arbeiterbildung politische Bildungsinhalte förderte, hat in den 1980er-Jahren an Kraft verloren; Bildungsurlaub ist heute vielerorts in erster Linie berufliche Bildung (z. B. Robak et al. 2015; Schmidt-Lauff 2005).

Ganz sicher haben die Erwachsenenbildungsgesetze der Länder am stärksten auf die institutionelle Struktur der Erwachsenenbildung Einfluss ausgeübt. Auf ihrer Grundlage sind Bildungseinrichtungen entstanden bzw. haben sich konsolidiert, die in kontinuierlicher Arbeit unter Verpflichtung auf gemeinsame Qualitätskriterien die Maßstäbe für öffentlich verantwortete Erwachsenenbildung setzen. Diese strahlen aus auf kommerzielle Anbieter und Erwachsenenbildungsveranstaltungen in Betrieben, auch wenn die Verbindungen nach wie vor eher gering sind.

Kuhlenkamp (2005) merkt jedoch an, dass die Weiterbildungsgesetze der Länder an Einfluss verlieren („Kaiser ohne Land“), da die Ressourcen, die sie verteilen, zurückgefahren werden und die Zuständigkeit heute oft in andere Politikfelder abgegeben wird (ebd., S. 27) oder aber durch Kommunen oder Gebietskörperschaften substituiert werden.

Die Europäische Union (EU) hat keinerlei rechtliche Kompetenzen, setzt aber natürlich durch Förderung, Empfehlungen und Programme, die thematisch auch national aufgegriffen werden, entsprechende Impulse. Wesentliche Impulse liegen in der Qualitätssicherung, der internationalen Zusammenarbeit und einem erhöhten Beitrag zur Beschäftigungsfähigkeit („Employability“) (Mitteilung der Kommission vom 26.08.2015; siehe dazu auch Zeuner in diesem Band).

3 Institutionelle Grundlagen der Erwachsenenbildung

Die institutionelle Struktur der Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik Deutschland ist außerordentlich heterogen, unübersichtlich und differenziert (siehe dazu auch Tippelt und Lindemann in diesem Band). Entsprechend dem historischen Stand der Entwicklung dieses Bildungsbereiches gibt es kein einheitliches Raster für die Erwachsenenbildungsinstitutionen. Aufgrund des obersten Ordnungsgrundsatzes der Pluralität haben die ideologischen Wurzeln, organisatorischen Bindungen und institutionellen Voraussetzungen der Erwachsenenbildungseinrichtungen nach wie vor eine große Bedeutung für das, was an Erwachsenenbildung real getan wird. Allerdings sind institutionelle Strukturen der Erwachsenenbildung – möglicherweise gerade aufgrund der heterogenen und interessenzersplitterten Gesamtsituation – ein nur wenig bearbeitetes Feld der deutschen Erwachsenenbildung. So kann auch über die Anzahl der Einrichtungen keine genaue Aussage getroffen werden. 2008 wurde eine Zahl von mindestens 17.005 Einrichtungen erhoben (vgl. DIE 2008, S. 84). Erst seit Beginn der 1990er-Jahre, seit sich verschärfenden Macht- und Marktkämpfen, gewinnen organisationssoziologische Fragestellungen eine größere Bedeutung.

Die wesentlichste Unterscheidung im institutionellen Strukturgefüge der Erwachsenenbildung ist die zwischen Einrichtungen und Trägern. Noch komplizierter: die Träger (und manchmal auch Einrichtungen) sind in der Regel auf Landes- und Bundesebene zu größeren Organisationseinheiten zusammengefasst. Grund dafür sind hauptsächlich gemeinsame Aufgaben und Probleme (etwa bei der Mitarbeiterqualifizierung, der Werbung, der politischen Interessenvertretung), aber auch Auflagen staatlicherseits, wenn es etwa um landesspezifische Vergaben von Fördermitteln oder bundesweite Repräsentanz geht. Jede der unter dem Primat der Pluralität agierenden Erwachsenenbildungseinrichtungen steckt also in einem komplizierten innerorganisatorischen Beziehungsgeflecht. Dieses wird zusätzlich komplex bei denjenigen Einrichtungen, die aus gesellschaftlichen Großorganisationen hervorgingen und in der Regel noch eng an diese angebunden sind (gewerkschaftliche Bildungseinrichtungen, Bildungsstätten der Kirchen, Bildungswerke der Wirtschaft). Jede der Trägerorganisationen ist in sich anders strukturiert, regelt Verantwortlichkeiten und Verbindlichkeiten auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlicher Intensität.

Obwohl die Einrichtungen, Träger und Dachorganisationen von Zahl und Art außerordentlich umfangreich sind, lassen sich die in der – zumindest öffentlichen – Erwachsenenbildungsdiskussion rasch nennen:

  • die berufliche Weiterbildung, deren Bedeutung seit den 1980er-Jahren enorm zunahm – durch das Eindringen der Mikroelektronik, die Internationalisierung und zunehmende Bedeutung der „human resources“;

  • die kommunale Erwachsenenbildung (Volkshochschulen), die in Aufgabenverständnis und Arbeitsweise hauptsächlich an die bürgerlich-liberale Wurzel des Volksbildungswesens anknüpfen;

  • die gewerkschaftliche Erwachsenenbildung, die sich in weiten Bereichen auf die Tradition der Arbeiterbildung berufen kann;

  • die konfessionelle Erwachsenenbildung, insbesondere seitens der katholischen und evangelischen Kirche, die ihren Anfang nahm in der sozialengagierten liberalen Bildungsbewegung der Kirchen im vorletzten Jahrhundert.

Diese vier großen institutionellen Bereiche der Erwachsenenbildung sind auf regionaler sowie auf Landes- und Bundesebene weitgehend durchstrukturiert, weisen eigenständige bundesweite Geschäftsstellen auf und organisieren einen wesentlichen Teil der bildungspolitischen und ideologischen Diskussion der Erwachsenenbildung in Deutschland. Sie partizipieren auch alle mehr oder weniger an staatlichen Fördermitteln und orientieren sich mehr oder weniger an deren Vorgaben.

Dies gilt auch für weitere Träger und Trägerverbände der Erwachsenenbildung, die allerdings weniger verbreitet und weniger durchstrukturiert sind. Zu ihnen zählen etwa die Hochschulen – traditionell mit ihren Einrichtungen der wissenschaftlichen Weiterbildung, aber voraussichtlich auch zunehmend mit den weiterbildungsbezogenen Abschlüssen im mittlerweile eingeführten konsekutiven Ausbildungssystem (Bachelor/Master-Abschlüsse; siehe dazu auch Schüßler und Egetenmeyer in diesem Band) –, die Heimvolkshochschulen, die Einrichtungen der ländlichen Erwachsenenbildung, die Stiftungen, die Kammern, staatliche Einrichtungen (z. B. Lehrerfortbildungsinstitute) und die von Gewerkschaften und Volkshochschulen gemeinsam getragene Bildungsvereinigung „Arbeit und Leben“.

Nicht einbezogen in diesen Gesamtzusammenhang einer mehr oder weniger öffentlich verpflichteten und öffentlich diskutierenden Erwachsenenbildung sind:

  • die innerbetrieblichen Erwachsenenbildungseinrichtungen, insbesondere großer Unternehmen,

  • die kommerziellen Einrichtungen und Träger (Bunke 1992),

  • die Fernlehrinstitute (Ehmann 1987),

  • die Medien (insbesondere Rundfunk und Fernsehen) sowie

  • die „alternative“ Erwachsenenbildung.

Diese fünf Bereiche sind aus unterschiedlichen Gründen außerhalb der staatlich geförderten Strukturen der Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik Deutschland zu sehen. Für die betriebliche Erwachsenenbildung gelten vor allem die Erfordernisse betrieblicher Qualifizierung und Personalpolitik; für die kommerzielle Erwachsenenbildung gelten staatliche subsidiäre Förderungen vor allem als Wettbewerbsverzerrung und Hindernisse auf dem Bildungsmarkt; die Medien, in den 1960er-Jahren noch eng mit der Bildungsdiskussion verbunden, folgen mittlerweile gänzlich anderen Paradigmen als die Einrichtungen des Bildungssystems, was sich unter anderem in einem Abbau der medialen Institutionen der organisierten Bildung ausdrückt (siehe dazu auch von Hippel und Freide in diesem Band); viele sogenannte „alternative“ Anbieter von Erwachsenenbildung wehren sich bewusst gegen eine Institutionalisierung, da sie darin eine Pädagogisierung und Entfremdung von Bildungsbemühungen sehen. Gegen eine Institutionalisierung wird weiterhin eingewandt, dass sie zur Erstarrung der Strukturen führe, den Lerninteressen der Menschen fremd werden könne, bildungspolitische Akzente in der staatlichen Förderpolitik verhindere. Für die Institutionalisierung wird hingegen argumentiert, dass sie Gewähr biete für eine kontinuierliche und qualitativ hochstehende Bildung, für eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Bildungsangeboten und für eine konzeptionelle und systematische Entwicklung pädagogischen Wissens. In den 1970er-Jahren hatten vor allem die Argumente für eine Institutionalisierung überwogen, in den 1980er- und 1990er-Jahren zunehmend diejenigen gegen eine solche. Mittlerweile wird wieder eher der Wert von Institutionen gesehen (DIE 2010).

Bedingt durch den Rückgang öffentlicher Mittel (siehe Abschn. 4) wandelt sich allerdings die Verantwortung für Erwachsenenbildung/Weiterbildung ohnehin zunehmend von einer öffentlichen zu einer privaten (Kuhlenkamp 2005, S. 27) und zwingt (auch alternative und sogenannte „öffentliche“) Erwachsenenbildungsanbieter heute zu deutlich mehr Marktorientierung. Diese ist im nationalen und internationalen Benchmarking unmittelbar verbunden mit dem Nachweis der Qualität des Erwachsenenbildungs-/Weiterbildungsangebots (etwa durch Zertifizierungs- und QM-Verfahren), geknüpft an die Einhaltung von Standards (wie z. B. dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQF)) und einer ökonomisch-rechtlichen Anpassung an die Gegebenheiten des Weiterbildungsmarktes; so haben bspw. in den vergangenen Jahren etliche Einrichtungen (allen voran die Volkshochschulen) ihre Rechtsform zu Gesellschaften (GmbH etc.) umgewandelt; gezielte Marketingmaßnahmen (siehe dazu Schöll in diesem Band) und ein effizientes Weiterbildungsmanagement (siehe dazu Meisel und Mickler in diesem Band) sind unerlässliche Faktoren im Wettbewerb auf dem Weiterbildungsmarkt geworden.

Im Kontext der Schaffung von „Zugängen“ zu (Weiter-)Bildung (Inklusion), ist die Diskussion in jüngster Zeit von solchen Polarisierungen für oder gegen Institutionalisierung abgekommen; Mischformen von selbstgesteuertem Lernen in organisierten Zusammenhängen – wie sie etwa im internationalen Diskurs um „Learning centers“ oder „work-based training“ (wo es i. d. R. um mehr als die Entwicklung von spezifischen beruflichen Fähigkeiten geht) thematisiert werden – finden immer größere Verbreitung (siehe dazu auch Stang et al. in diesem Band). Politisch macht sich die Reflexion um Inklusion u. a. durch unterschiedliche Möglichkeiten neuer Finanzierungssysteme bemerkbar (siehe Abschn. 4). An den bestehenden Tatsachen der pluralen Struktur von Erwachsenenbildungseinrichtungen änderte sich in den letzten Jahrzehnten aber wenig.

Seit der „realistischen Wende“ der Erwachsenenbildung, seit dem „Strukturplan für das Bildungswesen“ des Deutschen Bildungsrates (1970) wurde in verschiedener Art und Weise versucht, die unübersichtliche Struktur der Erwachsenenbildungseinrichtungen in Deutschland zu ordnen. Dabei entstanden vielfältige Ansätze, die sich jeweils danach unterscheiden, was als oberstes Ordnungskriterium verwendet wurde. Als Ordnungskriterien herangezogen wurden:

  • Die Adressat/-innen bzw. der Zugang: Hamacher (1976) führte auf der Basis dieses Kriteriums die Unterscheidung zwischen geschlossener und offener Erwachsenenbildung ein. Danach sind Veranstalter geschlossener Erwachsenenbildung etwa der öffentliche Dienst, Betriebe und Verbände, Veranstalter der offenen Erwachsenenbildung vor allem die Volkshochschulen.

  • Die gesellschaftliche Stellung der Trägerorganisation: Hier wird eine Differenzierung zwischen öffentlicher und freier Erwachsenenbildung vorgenommen (vgl. Müller 1982). Dabei wird unter öffentlicher Erwachsenenbildung diejenige Erwachsenenbildung verstanden, die von staatlichen oder kommunalen Instanzen gefördert wird, während die von gesellschaftlichen Organisationen und privaten Einrichtungen ausgehenden Angebote unter dem Begriff der freien Erwachsenenbildung subsumiert werden.

  • Das Interesse der veranstaltenden Einrichtung: Danach werden vier Gruppen unterschieden: Einrichtungen mit erwerbswirtschaftlichen Interessen (z. B. Fernlehrinstitute), mit partikularen gesellschaftlichen Interessen (z. B. Kirchen, Gewerkschaften), mit öffentlichen Interessen (z. B. Volkshochschulen) sowie mit organisatorischen Interessen (z. B. Betriebe) (Müller 1982).

  • Die Zugehörigkeit einer Einrichtung zu einer anderen Organisation: Danach wird unterschieden zwischen freien Einrichtungen und Trägern, die keiner gesellschaftlichen Großorganisation und vor allem Bildungsideologie verpflichtet sind (z. B. Volkshochschulen, kommerzielle Einrichtungen), und den gebundenen Erwachsenenbildungseinrichtungen, für die dies zutrifft, z. B. Bildungswerke der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Kirchen oder auch Stiftungen von Parteien.

  • Die Rechtsnatur der Träger: Hier wird unterschieden zwischen öffentlichen Einrichtungen in der Zuständigkeit von Bund und Ländern sowie den öffentlichen Einrichtungen in der Zuständigkeit der Kommunen, öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, nicht öffentlichen Einrichtungen in privater Trägerschaft und kommerziellen Einrichtungen. Die Erwachsenenbildungseinrichtungen, deren Träger und Verbände sind mittlerweile zudem durch eine Vielfalt von Rechtsformen (z. B. GmbH, gGmbH, Verein, Genossenschaft etc.) gekennzeichnet, die auch die Frage von Zuständigkeiten immer verschwommener werden lässt (Knoll 1989).

  • Der Inhaltsbereich des Erwachsenenbildungsangebotes: Hier hat sich seit Mitte der 1980er-Jahre eine Gliederung verbreitet, die zwischen Einrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung und Einrichtungen der nicht-beruflichen Erwachsenenbildung unterscheidet (Klemm et al. 1990).

Die unterschiedlichen Strukturierungsversuche der Einrichtungen und Träger der Erwachsenenbildung verwirren nicht nur durch teilweise identische Begriffe für unterschiedliche Sachverhalte die Diskussion, sondern machen auch die Schwierigkeit deutlich, planvoll-systematische Ordnungsgrundsätze in einer historisch und institutionell pluralen „Weiterbildungslandschaft“ durchzusetzen. Auch die in verschiedenen Ländern, z. B. Hessen und Niedersachsen, per Gesetz verlangte Kooperationsrunde zwischen denjenigen Einrichtungen und Trägern, die von der staatlichen Förderung profitieren, haben nicht zu einer weitergehenden Transparenz und Abstimmung geführt. Sie führen eher zu der Gefahr eines „Closed Shop“, einer Abwehr der in der Kooperationsrunde mitarbeitenden Einrichtungen und Träger gegen weitere Partizipant/-innen an öffentlichen Fördermitteln.

Jenseits der Erwachsenenbildungseinrichtungen gibt es zunehmend auch Weiterbildungsangebote von Organisationen, deren Hauptzweck eigentlich ein anderer ist (Bibliotheken, Verlage, Beratungsunternehmen). Umgekehrt bieten Einrichtungen der Weiterbildung zunehmend Beratungs- und sonstige Dienstleistungen an (DIE 2014). Hierdurch entstehen intern neue Anforderungen an die Personal- und Organisationsentwicklung. Durch die verstärkte Öffnung der Dienstleistungsmärkte in Europa entwickelt sich ein internationaler Weiterbildungsmarkt, bei dem noch unklar ist, welche Rolle deutsche Anbieter spielen werden (DIE 2008, S. 92 ff.; siehe dazu auch Zeuner in diesem Band).

4 Finanzielle Grundlagen der Erwachsenenbildung

Erwachsenenbildung fand traditionell auf ideengeschichtlicher und am Menschenbild orientierter Grundlage statt, offensichtlich weniger auf finanzieller. Dies zumindest legt die Tatsache nahe, dass wissenschaftliche und auf die Praxis der Erwachsenenbildung bezogene Analysen zur Finanzierungsstruktur bis in die 1980er-Jahre hinein eine Ausnahme blieben. Einige Beschäftigungen mit der Erwachsenenbildungsfinanzierung (etwa Kuhlenkamp und Schütze 1982; Rohlmann 1989; Brödel 1996; Weiß in diesem Band) waren Ausnahmen. Einführungen und Handbücher zur Erwachsenenbildung konnten auch in den 1990er-Jahren erscheinen, ohne die Finanzierung der Erwachsenenbildung eigenständig zu thematisieren.

Die Gründe dafür sind mehrere: Zum ersten ist in der Tat Erwachsenenbildung stark einer ideengeschichtlichen Grundhaltung verpflichtet, dies auch nach der „realistischen Wende“. Die Argumentation mit der Finanzierung von Erwachsenenbildung wurde hauptsächlich aus der Sicht der Betriebe entwickelt und dort auch zu differenzierten, wenn auch nicht unstrittigen Analysen ausgebaut (Weiß 1991). Der zweite Grund ist die Schwierigkeit einer Analyse der Finanzierung der Erwachsenenbildung, da sich hier die Unübersichtlichkeit der rechtlichen Ordnungssysteme mit der Unübersichtlichkeit der institutionellen Struktur geradezu potenziert. Zudem beginnt die Finanzierung der Erwachsenenbildung gerade erst – wenn auch noch nicht in ausreichendem Umfang – ins öffentliche Interesse zu rücken. Erstmalig explizite öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr der Aspekt mit dem Gutachten der Expertenkommission zur „Finanzierung Lebenslangen Lernens“.

„Im Zuge der Weiterentwicklung und Anpassung der Bildungssysteme kann [also zwischenzeitlich] durchaus davon gesprochen werden, dass (Weiter-)Bildungspolitik derzeit eine besondere Aufmerksamkeit erfährt. Hinweise hierauf liefern u. a. die Aktivitäten auf der Ebene der EU wie auch die damit verbundenen Initiativen auf nationaler Ebene […]. Auch Aktivitäten wie die angestoßene Gesetzesinitiative zu einem öffentlich geförderten Weiterbildungssparen und der in NRW eingeführte Bildungsscheck deuten darauf hin, dass die Weiterbildung aktuell eine hohe politische Aufmerksamkeit erfährt. Zugleich ist aber auffällig, dass es zwischen der hohen Aufmerksamkeit und dem dafür gesellschaftlichen bereit gestellten Mittelfluss seit Jahren einen erheblichen Widerspruch gibt, da dem vielfach politisch proklamierten Bedeutungszuwachs der Weiterbildung bislang keine entsprechende Ressourcenzuteilung folgt“ (DIE 2008, S. 15).

Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Weiterbildungsfinanzierung in Deutschland schon allein auf staatlicher Seite höchst komplex ist. Dohmen (in DIE 2014, S. 135 ff.) identifiziert neben den direkten Förderungen über Gesetze eine Vielzahl von Instrumenten, etwa Bildungsgutscheine und Lernkonten, Steueranreize, Weiterbildungsdarlehen, Rückzahlungsklauseln und Bildungsurlaubsfinanzierungen. Auch die Zielgruppen der Finanzierung sind mannigfach differenziert. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland (neben Italien) zu den Ländern mit den meisten Finanzierungsregelungen, bedingt vor allem auch durch die Regionalisierung.

Auch ist zu berücksichtigen, dass die öffentlichen Mittel in einem großen Umfang ergänzt werden durch Förderungen und Zuschüsse von gesellschaftlichen Organisationen, denen Bildungseinrichtungen angehören, durch finanzielle Aufwendungen der Betriebe, durch gezielte Förderungen der BA (über das SGB III) und schließlich durch erhebliche Aufwendungen der Teilnehmenden selbst. Hinzu kommen Finanzierungen der Erwachsenenbildung über „verdeckte“ öffentliche Etats, also etwa spezifische Finanzierungen in anderen Ressorts als in der Bildung.

Der Ordnungsgrundsatz in Bezug auf die Finanzierung lautet also in Deutschland: Der Staat fördert die Weiterbildung in einem insgesamt wenig übersichtlichen Verfahren und Umfang, die finanzielle Last verteilt sich jedoch auf drei Akteursgruppen: die staatlichen Instanzen (föderal und ressortspezifisch), die Teilnehmenden sowie die Betriebe. Laut dem Adult Education Survey (AES) beteiligte sich etwa ein Drittel der Lernenden selbst an der Finanzierung der Maßnahmen (Dohmen 2014, S. 145)

Die Ausgaben für Erwachsenenbildung/Weiterbildung insgesamt (direkte und indirekte) blieben im vergangenen Jahrzehnt weitgehend konstant mit leicht steigender Tendenz seit 2001; in der Relation zum Bruttoinlandsprodukt allerdings ist der Ausgabenanteil für Erwachsenenbildung/Weiterbildung in diesem Zeitraum deutlich gesunken (siehe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Gesamtfinanzierungsvolumen für Weiterbildung: direkte und indirekte Ausgaben (in Mrd. Euro) und Anteil am BIP (in Prozent) (1996–2006) (DIE 2008, S. 102)

Betrachtet man darüber hinaus die Finanzierungsanteile der oben erwähnten Finanziers von Erwachsenenbildung, wird sichtbar, dass die Mittel heute mehr denn je aus betrieblichen und privaten Quellen stammen, der im Wesentlichen gestaltende und institutionelle Strukturen implementierende Finanzierungsbereich von Bund, Ländern und Gemeinden im Betrachtungszeitraum seit 1996 in etwa gleich geblieben und insbesondere die SGB III-Förderung (Bundesagentur für Arbeit) drastisch zurückgegangen ist (vgl. Tab. 1 und 2).

Tab. 1 DIE 2008, S. 101
Tab. 2 DIE 2008, S. 101

Zählt man die indirekten Ausgaben für Erwachsenenbildung noch hinzu, erhöht sich der Finanzierungsanteil durch die Betriebe sogar auf mehr als 60 % und die Differenz zu den anderen Finanziers wird noch deutlich größer.Footnote 1 Doch selbst wenn man – aufgrund einer anderen Berechnungssystematik, welche beispielsweise Arbeitsausfallkosten miteinrechnet – die Angaben zur Erwachsenenbildungsfinanzierung aus der privaten Wirtschaft nach unten korrigiert, macht diese Aufstellung deutlich, dass gemessen am Gesamtvolumen der Erwachsenenbildungsfinanzierung die gestaltende Finanzierung auf der Grundlage öffentlicher Gesetze und Verordnungen einen nur geringen Anteil ausmacht. Dies bedeutet nicht nur, dass der Anteil der beruflichen und berufsbezogenen Erwachsenenbildung in diesen Jahren deutlich angewachsen ist (die Teilnahmedaten aus dem AES von 2013 bestätigen dies nachdrücklich), sondern auch, dass ein wesentlicher Teil der Erwachsenenbildungsaktivitäten in einem nicht über staatliche Förderungsregelungen und Ordnungsgrundsätze materiell beeinflussten Sektor erfolgt. Nicht zuletzt deshalb ist in der Diskussion der letzten zwei Jahrzehnte von der wachsenden Bedeutung eines Weiterbildungsmarktes die Rede.

Auch in den Institutionen, die überwiegend als öffentlich geförderte eingeschätzt werden und auch in ihrem Selbstverständnis öffentliche Verantwortung tragen, existiert längst eine Mischfinanzierung, in der die staatliche Förderung teilweise nur noch einen kleinen Anteil ausmacht. Das wichtigste Beispiel dabei sind die Volkshochschulen, die traditionell eine sogenannte „Drittelfinanzierung“ haben: aus Teilnahmeentgelten, aus kommunalen Mitteln sowie aus Mitteln von Bund und Ländern. Hinter dem Rückgang der öffentlichen Mittelanteile stehen in erster Linie der zunehmende Rückzug der Länder aus der sogenannten „Sockelfinanzierung“ (in den Ländergesetzen zur Weiterbildung meist verankert) und die fehlenden Mittel aus der SGB III-Förderung, auf die viele Maßnahmen im Angebot der Volkshochschulen ausgerichtet waren.

Die Einnahmen aus Teilnahmeentgelten sind in den späten 1980er-Jahren kontinuierlich gewachsen, sie machen nunmehr durchschnittlich knapp 40 % der Haushalte der Volkshochschule aus. In vielen Bundesländern, in denen vergleichsweise geringere Fördermittel über die Erwachsenenbildungsgesetze vergeben werden, liegen die Anteile aus Teilnahmeentgelten noch deutlich höher (etwa in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern). Verbunden mit anderen, von der Volkshochschule zu erschließenden Finanzierungsquellen (Projekte, Maßnahmenfinanzierungen) liegt vielerorts der Anteil der öffentlichen Mittel am Gesamthaushalt der Einrichtung unter 50 %.

In der Diskussion über die Finanzierung der Erwachsenenbildung ist nicht nur von Bedeutung, ob die sozialstaatliche Verpflichtung zur Gewährleistung von Bildungsangeboten für alle durch den zu geringen Anteil öffentlicher Finanzierung gefährdet ist, sondern auch zu berücksichtigen, dass gestalterische Ordnungsgrundsätze wie Offenheit des Zugangs/Partizipation, Qualität des Angebots, Freiheit der Lehre, Professionalisierung – wie sie in den Erwachsenenbildungsgesetzen enthalten sind – angesichts dieser Situation eine zunehmend geringere Durchsetzungsfähigkeit haben. Es ist daher nach wie vor erforderlich, eine Diskussion über Ordnungsgrundsätze zu führen, die sich angesichts bestehender Gestaltungs- und Finanzierungsspielräume durchsetzen können.