Zusammenfassung
Wenn es um das Dorf geht, dann war und ist das negative Gegenbild der großen Stadt ebenso wie die Kritik an der »Idiotie« des Großstadtlebens (Höhne 2015) nicht weit. Und wenn es um Gemeinschaft ging und geht, dann war seit dem 19. Jh. die negative Gegenidee der (modernen) Gesellschaft stets nah. Kurz, im modernen politischen und gesellschaftlichen Imaginären stehen Gemeinschaft und Dorf auf der einen Seite Gesellschaft und Großstadt auf der anderen diametral gegenüber; in einem Gegensatzpaar, in dem die bevorzugte, positiv konnotierte Seite stets die des Dorfes und der Gemeinschaft war. Dabei werden in der Geschichte der kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschung wie auch in den soziokulturellen Alltagswahrnehmungen beide Idealtypen – Dorf und Gemeinschaft – immer wieder aufeinander bezogen und miteinander identifiziert (Langthaler 2014). In und mit seinem 1887 erschienenen Werk Gemeinschaft und Gesellschaft prägte Ferdinand Tönnies ein Narrativ, das die beiden Begriffe – eng verknüpft auch mit der Gegenüberstellung von ›Dorfleben vs. Großstadtleben‹ – als Gegensatzpaar erscheinen lässt und das auch gegenwärtig nach wie vor wirksam ist. Erneut gibt es beispielsweise seitens zivilgesellschaftlicher Akteure Versuche, das Dorf als Gegenmodell der Stadt neu zu beleben. Ebenso sind immer wieder kritische Diagnosen der (modernen kapitalistischen, egoistischen und bürokratischen) Gesellschaft zu vernehmen; sowie, damit korrelierend, positive Fassungen des Gemeinschaftsbegriffs zu finden (oder äquivalenter Begriffe wie z. B. »Resonanz«, Rosa 2016). Und ebenso werden immer wieder erneut aus politischer, sozialwissenschaftlicher und sozialphilosophischer (Schneidereit 2010) Perspektive – nun unabhängig von der Frage der Lokalität des Dorfes – die Bedingungen der politischen ›Gemeinschaft‹ diskutiert. Neue, mit den digitalen Techniken verbundene Gemeinschaftsutopien und auch Gemeinschaftspraktiken sind beobachtbar; und es finden sich wieder zunehmend Analysen, die die gesellschaftliche Wirkung solcher virtuellen (z. B. Hepp/Berg/Roitsch 2014) oder auch realphysischen Vergemeinschaftungen empirisch untersuchen (z. B. angesichts von Naturkatastrophen wie der ›Oderflut‹, John 2008).
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Delitz, H. (2019). Gemeinschaft und Gesellschaft. In: Nell, W., Weiland, M. (eds) Dorf. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05449-4_41
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05449-4_41
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-02625-5
Online ISBN: 978-3-476-05449-4
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