Geschichte des Dorfes I: Wandel im westlichen Europa

Zusammenfassung

Nachdem sich die Historiografie von Dörfern, abgesehen von der lokalhistorischen Forschung, lange Zeit auf die Rekonstruktion von Gemeindeverfassung und Herrschaftsbeziehungen konzentrierte, rückten mit der verstärkten Fokussierung sozialhistorischer Problemstellungen seit den 1960er Jahren Fragen nach der sozialen Differenzierung in den Dörfern in den Blick, eng verbunden auch mit wirtschaftshistorischen Themen. Daraus entwickelten sich verschiedene Forschungsstränge, die einerseits die Konfliktgeschichte, sowohl innerhalb der Dörfer als auch in deren Auseinandersetzung mit Herrschaft, in den Blick nahmen, andererseits wirtschaftliche Entwicklungspfade, neben der Agrarwirtschaft prominent das Thema der Protoindustrialisierung, verfolgten. Die damit teilweise verbundene Hinwendung zur Mikrogeschichte geschah parallel zur Erschließung kulturgeschichtlicher Themenfelder, die sich in englischen und deutschen Arbeiten stärker auf die Untersuchung einzelner Dörfer, in Italien auf noch kleinere Untersuchungseinheiten bezog, während in der französischen sozialgeschichtlichen Tradition weiterhin der regionalgeschichtliche Ansatz von Bedeutung blieb. Ein Großteil dieser Arbeiten galt frühneuzeitlichen Themen; vor allem das 20. Jh. blieb lange Zeit unterrepräsentiert. Politikgeschichtlich relevant wurde die Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich nationalsozialistische Herrschaft im dörflichen Alltag der deutschen Landschaften auswirkte. Gerade in Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Urbanismusforschung werden hierbei Stadt-Land-Beziehungen untersucht, kultur-, gender-, mediengeschichtliche Fragestellungen in vielfältiger Weise auf ländliche Gesellschaften angelegt, ohne allerdings vorrangig den Untersuchungsraum ›Dorf‹ in den Blick zu nehmen.