Zusammenfassung
Die phallogozentrische Geschlechterdichotomie (vgl. Derrida 1980, 508) findet sich im Werk Thomas Bernhards scheinbar bestätigt. Wie im abendländischen Denken der Logos im Sinne von Sprache, Begriff, Vernunft im Mittelpunkt steht und in der symbolischen Ordnung als Ursprung ›phallischer‹ Geisteskraft männlich besetzt ist, so gilt auch im Denksystem der Bernhardschen Protagonisten der Geist »naturgemäß« als männlich und zentral, alles ihm Entgegengesetzte als weiblich, marginal, vernunftwidrig und daher gefährlich. Dementsprechend bemühen sich Bernhards »Geistesmenschen«, das ›weibliche‹ Element in sich und außerhalb ihrer selbst mit äußerstem Willen zu beherrschen, zu unterdrücken und möglichst zu vernichten. Als elitäre Intellektuelle, (Sprach)-Künstler oder faschistische Hochbeamte (Die Jagdgesellschaft, Vor dem Ruhestand) sind es immer auch frauenfeindliche Despoten. Es hat also den Anschein, als würde Bernhards Werk die geschlechtlich kodierte Binarität des okzidentalen Welt- und Menschenbilds (Kultur/Natur, Subjekt/Objekt, Geist/Körper, Bewusstsein/Unbewusstes, Macht/Ohnmacht) als naturgegebene Wahrheit affirmieren, und zwar radikal.
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Literatur
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Tabah, M. (2018). 80 Geschlechterrollen und Geschlechterverhältnisse. In: Huber, M., Mittermayer, M. (eds) Bernhard-Handbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05292-6_82
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