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Zwecke von Künsten – eine teleologische Perspektive?

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Zusammenfassung

Um die Frage, welche Rolle Ziele und Zwecke in künstlerischem Handeln, dessen Ergebnissen und dessen Wahrnehmung spielen, soll es in diesem abschließenden Kapitel gehen. Die Frage stellt sich bezogen auf eine Umgebung bzw. Gesellschaft, in der ästhetische Praktiken als individuelle Handlungs- und Zuschreibungsformen allgemein an Bedeutung gewinnen, in einer neuen Weise. Den Künsten kann im Kontext einer in vielen Teilen als form- und anschauungsorientiert aufgefassten Umgebung nicht mehr unkompliziert die Denkfigur einer nichtentfremdeten Tätigkeit und auch nicht die Funktion der Funktionslosigkeit (wie in einer ehemals als rational bzw. funktional bestimmten Gesellschaftsstruktur) zugewiesen werden.

Gegeben ist […] nur eine zeitliche Aufeinanderfolge; alles übrige ist vom Verstande hinzugefügt. Die ganze weitere Streitfrage geht dann lediglich darum, ob das Abhängigkeitsverhältnis mit Recht oder mit Unrecht hinzugefügt wird.

Nicolai Hartmanna

Die These vom Ende der Metaerzählung markiert zu Recht die Erschöpfung teleologischer und evolutionistischer Geschichtsphilosophien und ihre Unglaubwürdigkeit angesichts der Wirklichkeit des 20. Jahrhunderts. Aber sie stellt ja selbst eine Metaerzählung dar, die einen irreversiblen epochalen Einschnitt bezeichnen will. Wenn wir diese reflexive Schleife zu ziehen bereit sind, dann sehen wir, daß uns der Abschied von teleologischen und evolutionistischen Geschichtsdeutungen nicht davor bewahrt, uns in ein historisch reflektiertes Verhältnis zur Herkunft unserer Ideale und zum Schicksal ihrer Verwirklichung zu setzen. Es kann sich dann auch durchaus ein eingeschränktes Recht für teleologische oder evolutionistische Denkweisen ergeben.

Hans Joasb

aNicolai Hartmann: Teleologisches Denken, Berlin 1966, S. 19.

bHans Joas: Die Entstehung der Werte, Frankfurt a. M. 1999, S. 19 f.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. Hans Peter Balmer: Figuren der Finalität. Zum teleologischen Denken der Philosophie, München 2017.

  2. 2.

    Ebd., S. 218: „Teleologie ist nicht so sehr eine anfechtbare Hypothese zur Welterklärung als vielmehr Struktur des Weltverstehens. Sie ist unmittelbar an den Menschen gebunden, der nicht allein als Subjekt konstruieren oder zuletzt wenigstens noch in ästhetischer Weise imaginieren, sondern nach wie vor als Weltwesen verstehen und so sein Dasein bestehen möchte.“

  3. 3.

    Ebd., S. 221.

  4. 4.

    Ebd., S. 213.

  5. 5.

    Georg Bertram: Kunst als menschliche Praxis, S. 13.

  6. 6.

    Ebd.

  7. 7.

    Ebd., S. 14.

  8. 8.

    Bertram bestimmt die Rolle der Kunst im Anschluss an diese Offenheit aller Subjektivität dahin gehend, dass sie „einen Beitrag zur Subjektwerdung“ leistet, vgl. ebd.

  9. 9.

    Bruno Latour: Ein vorsichtiger Prometheus? Einige Schritte hin zu einer Philosophie des Designs, unter besonderer Berücksichtigung von Peter Sloterdijk, in: Sjoerd van Tuinen/Koenraad Hemelsoet/Marc Jongen (Hg.): Die Vermessung des Ungeheuren, Paderborn 2009, S. 356–373, hier S. 357.

  10. 10.

    Und empirisch gesehen haben sich reale kritische bzw. utopische Alternativen zum Bestehenden immer auch außerhalb der Künste entwickelt, evtl. nicht in der von den Ästhetiker*innen für die Kunst gewünschten Radikalität.

  11. 11.

    Und so findet man auch Klagen über den moralisch schlechten Zustand der Künste, wie z. B. Hannes Rautenberg: Die Kunst und das gute Leben. Über die Ethik der Ästhetik, Berlin 2016; Wolfgang Ulrich: Ende der Autonomie? Zur Rolle der Kunst in der heutigen Gesellschaft, in: http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/essay/swr2-essay-ende-der-autonomie/-/id=659852/did=14129562/nid=659852/w67ok8/index.html (abgerufen am 01.10.2018).

  12. 12.

    Vgl. die Ausführungen zu Reckwitz im vierten Kapitel.

  13. 13.

    Eine Ausnahme bildet Isabell Graw: Der Wert der Ware Kunst, in: Texte zur Kunst, Nr. 88 (Dezember 2012): Die Wertfrage, S. 31–60.

  14. 14.

    Vgl. dazu die Wiedergabe von Gumbrechts Analyse im ersten Kapitel.

  15. 15.

    „Platos Forderung nach einer Zensur der Dichtung und Musik ist ein Tribut an den sozialen und sogar politischen Einfluß, der durch diese Künste ausgeübt wird.“ Dewey: Kunst als Erfahrung, S. 397.

  16. 16.

    Vgl. dazu die Bemerkungen zum zweiten Regime der Kunst im Anschluss an die Darstellungen des aristotelischen Zweckbegriffs in Abschn. 3.1.2.

  17. 17.

    Vgl. Klaus Corcilius: Streben und Bewegen. Aristoteles’ Theorie der animalischen Ortsbewegung (Quellen und Studien zur Philosophie, Bd. 79), Berlin 2007.

  18. 18.

    Bertram: Kunst als menschliche Praxis, S. 214.

  19. 19.

    Vgl. Abschn. 3.5 zu John Dewey.

  20. 20.

    Der Wertbegriff, der ja im Mittelpunkt vieler Debatten der analytischen Philosophie steht, wird hier nicht eingehend behandelt. Ich meine mit ihm eine subjektive Bewertung, also das, was dem Subjekt wertvoll erscheint, und nicht eine objektive Lesart im Sinne gemeinsam geteilter Werte.

  21. 21.

    Hier sei an die Prekarität von Hannah Arendts Denkfigur des Handelns erinnert, die den Gedanken der Natalität, des Beginnens also, von Augustinus übernimmt; vgl. Abschn. 3.4.

  22. 22.

    John Dewey: Erfahrung und Natur, S. 343.

  23. 23.

    Tasos Zembylas/Martin Niederauer: Praktiken des Komponierens, S. 104.

  24. 24.

    Judith Siegmund: Die Evidenz der Kunst. Künstlerisches Handeln als ästhetische Kommunikation, Bielefeld 2007; Judith Siegmund: Gedanken zu einer sozialen Handlungstheorie der Kunst, in: Daniel Martin Feige/Judith Siegmund (Hg.): Kunst und Handlung, Bielefeld 2015; Judith Siegmund: Empathie und Verkörperung im Material. Überlegungen zur dokumentarischen Filmarbeit, in: Malte Hagener/Ingrid Vendrell Ferran (Hg.): Empathie im Film, Bielefeld 2017, S. 213–235.

  25. 25.

    Anke Haarmann: Praxisästhetik, in Feige/Siegmund (Hg.): Kunst und Handlung, Bielefeld 2015, 215–232, hier S. 216.

  26. 26.

    Vgl. Erika Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen, Frankfurt a. M. 2004, S. 129 ff.

  27. 27.

    Robert Pippin: Kunst als Philosophie, Berlin 2012, S. 93.

  28. 28.

    Ebd., S. 98.

  29. 29.

    Dewey: Kunst als Erfahrung, S. 401.

  30. 30.

    Bruno Latour: Das Parlament der Dinge, Frankfurt a. M. 2009; Lambros Malafouris: At the Potter’s Wheel: An Argument, in: Carl Knappett/Lambros Malafouris (Hg.): Material Agency, Wiesbaden 2008.

  31. 31.

    Dewey: Kunst als Erfahrung, S. 115 f.

  32. 32.

    Wolfgang Ulrich: Ende der Autonomie? Zur Rolle der Kunst in der heutigen Gesellschaft, in: http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/essay/swr2-essay-ende-der-autonomie/-/id=659852/did=14129562/nid=659852/w67ok8/index.html (abgerufen am 01.10.2018); Hannes Rautenberg: Die Kunst und das gute Leben. Über die Ethik der Ästhetik, Berlin 2016; Markus Metz/Georg Seeßlen: Geld frisst Kunst. Kunst frisst Geld, Berlin 2015.

  33. 33.

    Rehberg: „Westkunst“ versus „Ostkunst“, S. 55.

  34. 34.

    Hier lässt sich anmerken, dass Dewey den Hang hat, alle hier genannten Begriffe (Nutzen, Instrumentalität, Funktion und Zweck) eher positiv auszulegen, dies kann man als ein Pendant zu ihrer undifferenzierten negativen Lesart in der deutschen Ästhetik-Debatte am Ende des 20. Jahrhunderts deuten. Dies ist u. a. ein Grund dafür, dass ich mich tendenziell eher an seiner trennscharfen Unterscheidung von „inneren und äußeren Zwecken“ orientieren möchte.

  35. 35.

    John Dewey: Erfahrung und Natur, S. 341.

  36. 36.

    Ebd.

  37. 37.

    Ebd.

  38. 38.

    Vgl. Art. „Nutzen/Grenznutzen“, in: HWdPh, Bd. 6, hg. von J. Ritter und K. Gründer, Sp. 1008–1011.

  39. 39.

    Stefan Deines: Die Funktionen der Kunst in der pragmatistischen Ästhetik, in: Kongress-Akten, Bd. 4: Das ist Ästhetik!, hg. von Juliane Rebentisch, S. 2. http://www.dgae.de/wp-content/uploads/2017/06/Deines_Pragmatistische-A%CC%88sthetik.pdf (abgerufen am 25.09.2018).

  40. 40.

    Ebd., S. 3.

  41. 41.

    Niklas Luhmann: Art. „Funktion IV“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, Basel 1972, Sp. 1138–1143, hier Sp. 1142.

  42. 42.

    Vgl. ebd.

  43. 43.

    Jan Mukařovský: Ästhetische Funktion, Norm und ästhetischer Wert als soziale Fakten, in: Ders.: Kapitel aus der Ästhetik, Frankfurt a. M. 1970, S. 7–112.

  44. 44.

    Jan Mukařovský: Die Kunst als semiologisches Faktum, in: Ders.: Kapitel aus der Ästhetik, Frankfurt a. M. 1970, S. 138–147.

  45. 45.

    Werner Busch: Einleitung, in: Ders. (Hg.): Funkkolleg Kunst. Eine Geschichte der Kunst im Wandel ihrer Funktionen, München/Zürich 1987, Bd. I und Bd. II.

  46. 46.

    Ebd., Bd. I, S. 3.

  47. 47.

    Ebd., S. 19.

  48. 48.

    Ebd., S. 23.

  49. 49.

    Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Begriffe Funktion und Zweck als Synonyme behandelt wurden.

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Siegmund, J. (2019). Zwecke von Künsten – eine teleologische Perspektive?. In: Zweck und Zweckfreiheit. Ästhetiken X.0 – Zeitgenössische Konturen ästhetischen Denkens. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04805-9_5

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