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Die Entstehung der „künstlichen Verwandtschaft“ in Europa, dargestellt am Beispiel der Gildeordnung von St. Omer aus dem elften Jahrhundert

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Zusammenfassung

Südlich von Bourges besiegten im Jahre 1183 bewaffnete „Caputiati“ („Kapuzenleute“) ein Heer von Söldnern, die nach dem Frieden zwischen Philipp August von Frankreich und Heinrich II. von England die Einwohner terrorisierten2. Die zeitgenössischen Berichte3 über diese Gemeinschaft der „Kapuzenleute“, die als pacis foedera (Friedens-Einung), coniuratio (Schwurgemeinschaft) oder confratia (Verbrüderung) bezeichnet wurde4, lassen Gemeinsamkeiten zu früheren Verbindungen im Westen erkennen. So hören wir in einem Kapitular Ludwigs des Frommen aus dem Jahre 821 von derartigen Vereinigungen in Flandern, die sich gebildet hatten, um äussere Feinde abzuwehren5, und auch die Annales Bertioni berichten 859 von entsprechenden coniurationes zwischen Loire und Seine. Während sie in den genannten Fällen standesübergreifend organisiert waren6, sollten in der folgenden Zeit auch die berufsspezifisch organisierten Gruppen in den entstehenden Städten besondere Bedeutung gewinnen. Neben der Ordnung von Valenciennes7 ist hier vor allem die gilda mercatoria von St. Omer zu nennen, die als Anhang diesem Aufsatz beigefügt sind. Der Text ist nach G. Espinas und H. Pirenne um 1318 niedergeschrieben worden, stammt aber im Original aus dem Jahre 1083 und ist damit 100 Jahre vor der erwähnten Schlacht südlich von Bourges entstanden8.

Vortrag, gehalten am 6. Oktober 1996 in Bourges beim Colloque international der juristischen Fakultät von Orléans und des Institut francais des sciences administratives betr. “La ville en occident du moyen âge à nos jours. Pouvoirs, administration, finances”.

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Literatur

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Sibylle Reinhardt Volker Ronge Felizitas Sagebiel

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Brand, J. (1997). Die Entstehung der „künstlichen Verwandtschaft“ in Europa, dargestellt am Beispiel der Gildeordnung von St. Omer aus dem elften Jahrhundert. In: Reinhardt, S., Ronge, V., Sagebiel, F. (eds) Ein bißchen feministisch ? — Anwendungsorientierte Sozialforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95124-3_12

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95124-3_12

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-2008-6

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