Zusammenfassung
Wem sind die Friedensfeier und die Gedenkgottesdienste mit Tausenden von Mitwirkenden in der Leipziger Kirchen 1989 nicht noch in Erinnerung. Aus den Kirchen und in den Kirchen formierte sich der Protest und die politischen Forderungen von Hunderttausenden. Die Mahnwachen und die friedlichen Prozessionen dieser Jahre haben die Grundlage für die friedliche Revolution in der DDR gelegt und letztlich den raschen Übergang vom „Wir sind das Volk“ zum „Wir sind ein Volk“ möglich gemacht. Pfarrer und ihre Sprengel wurden zu Helden und zu unverzichtbaren politisch Handelnden, die das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten und den Prozess des gesellschaftlichen Wandels maßgeblich begleitet haben.
Am auffälligsten unterscheiden sich Deutschland Ost und Deutschland West in Hinblick auf die Kirchlichkeit: In den alten Bundesländern sind rund 70% der Menschen Mitglied in einer christlichen Kirche, in den neuen Bundesländern jedoch nur 24%. Zwar spielten die Kirchen für die Opposition in der DDR eine zentrale Rolle, doch mehr als ein schützendes Dach denn als Heimat des Glaubens. Kirchenferne war schon für die Gesellschaft der DDR ein Charakteristikum, erfolgreich konnten offiziell angebotene Ersatz-Riten sich behaupten, wie beispielsweise die Jugendweihe. Bei kirchlich Gebunden finden wir jedoch Ähnlichkeite im Verhalten, auch bei politschen Präferenzen — in Ost wie in West. Durch die deutsche Vereinigung ist Deutschland nicht protestantischer geworden, sondern konfessionsloser — wenn man Bindung an und die Mitgliedschaft in Kirchen zum Maßstab nimmt.
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Literatur
Die DDR knüpfte bei der Einführung der Jugendweihe an einen seit dem 19. Jahrhundert virulenten Kampf um die Jugend zwischen Sozialdemokratie und Liberalismus auf der einen Seite und der Kirchen auf der anderen Seite an. Vgl. Albrecht Döhnert:,Jugendweihe zwischen Familie, Politik und Religion.“, in: Religiöser und kirchlicher Wandel in Ostdeutschland 1989–1999 (Hgg.) Detlef Pollack/Gert Pickel. Opladen 2000, S. 236258, S. 237f.
Vgl. Detlef Pollack: „Der Wandel der religiösen-kirchlichen Lage in Ostdeutschland nach 1989.“, in: Religiöser und kirchlicher Wandel in Ostdeutschland 1989–1999 (Hgg.) Detlef Pollack/Gert Pickel. Opladen 2000, S. 18–47, S. 19
Vgl. Detlef Pollack: „Artikel: Deutschland — Gesellschaft, Kultur, Religion, Kirchen in der Gegenwart.“, in: RGG, Bd. 2 (Hg.) H.D. Betz u.a. Tübingen 41999, S. 717–772, S. 749
Vgl. Hermann Denz: „Postmodernisierung von Religion in Deutschland.“, in: Pollack 2000, S. 70–86
Vgl. Jörg Jacobs: „Die konfessionell-religiöse Spannungslinie am Beispiel der Bundestagswahlen 1994 und 1998.“, in: Pollack 2000, S. 165–185, S. 177
Vgl. Gerd Mielke: „Des Kirchturms langer Schatten.“, in: Der Bürger im Staat 40 (1990), 3, S. 157–165, S. 165
Vgl. Karl Schmitt. Konfession und Wahlverhalten in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin 1989
Vgl. Frank Usarski:,,Alternative Religiosität in Ostdeutschland im Kontinuum zwischen cult-movements und Esoterik-Angeboten.“, in: Pollack 2000, S. 310–327
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Sterr, M. (2002). Kirche und Kirchlichkeit. In: Wehling, HG. (eds) Deutschland Ost — Deutschland West. Reihe: Der Bürger im Staat, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94933-2_7
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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