Zusammenfassung
„Die Rechtspolitik war neben der Ostpolitik der Geburtshelfer der sozialliberalen Koalition“ — diese Einschätzung von Hans-Jochen Vogel, von 1974 – 1981 Bundesjustizminister, nach Ende der sozialliberalen Koalition Fraktionsvorsitzender der SPD, verwundert. Im Bewußtsein der Öffentlichkeit führt die Rechtspolitik ein Schattendasein, wird die sozialliberale Koalition — ob berechtigt, mag dahinstehen — mit der Ostpolitik als Gegenstück zur mit der CDU assoziierten Westpolitik verstanden. Wird von Rechtspolitik der sozialliberalen Koalition gesprochen, so verbinden kritische Betrachter aus der Sicht des Jahres 1983 damit Verschärfung des Straf- und Strafverfahrensrechts im Zuge der Terroristenverfolgung, Verteidigerausschluß, Razziingesetz, gescheiterte Reform des Schwangerschaftsabbruchs, Radikalenerlaß, kurz: das Zurückdrängen bürgerlicher Freiheiten zugunsten der inneren Sicherheit. Konservative Betrachter beklagen dagegen den Verlust der Ordnungsfunktion von Staat und Recht, zunehmende Verunsicherung durch Gesetzesfülle, durch Reformismus bedingtes Schwinden des Rechtsbewußtseins. Wenn Willy Brandt in seiner ersten Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 emphatisch forderte „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ und zugleich auch die Rechtspolitik in die neu von ihm angekündigte „Gesellschaftspolitik“ einbezog, so offenbart diese Forderung ein Politikverständnis, das sich von der traditionellen Konzeption der Rechtspolitik bewußt absetzt.
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Brückner, J.A. (1984). Die Rechtspolitik der sozial-liberalen Koalition. In: Glaeßner, GJ., Holz, J., Schlüter, T. (eds) Die Bundesrepublik in den siebziger Jahren. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93763-6_9
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