Zusammenfassung
Sind nun — wie mancher Kritiker der hermeneutischen Verfahren und verstehenden Soziologie einwenden mag — die hier besprochenen Biographien Einzelfalle, die nichts über das Allgemeine aussagen, sondern zufallig aus einer unbestimmten Gesamtheit ausgewählt wurden und nur das Subjektive, das Individuelle repräsentieren? Da wir keine Fetischisten sind, die in einzelne Teile verliebt sind und die nicht zwischen Respräsentant und Repräsentat zu trennen vermögen1, gehen wir von der prinzipiellen Auffindbarkeit des Allgemeinen im Besonderen aus. Vor dem Hintergrund eines dialektischen Verhältnisses von Individuellem und Allgemeinem stellt sich nicht die Frage, ob man von einzelnen Biographien ausgehend über das Allgemeine überhaupt etwas sagen kann, sondern vielmehr die Frage nach der Qualität unserer theoretischen Verallgemeinerungen. Da wir das Allgemeine nicht im numerischen Sinne verstehen, hängt diese Qualität nicht von der Häufigkeit des Auftretens eines Phänomens ab, sondern vielmehr vom nötigen Spürsinn zum Auffinden des Allgemeinen in jedem einzelnen Fall, von der Phantasie, dem „Freilegen-Können von wirklichen, produktiven Fragen“ (Gadamer 1966: 107f).
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Anmerkungen
Der Psychiater Erwin Straus (1930) diskutiert im Zusammenhang der Frage des Allgemeinen im Individuellen den Fetischismus unter dieser Lesart.
Zum ,politischen Soldaten’ vgl. Hans-Jochen Gamm (1964:28ff), Gabriele Rosenthal (1987b: 73ff), Fritz Stippel (1957: 178ff).
Zur nachlassenden Identifikation mit dem NS und zunehmenden mit der Institution der Wehrmacht bei den Schülersoldaten, den Flakhelfern, vgl. Schörken (1984).
Hier treffen wir ein Soldatentum an, das sich mit den Analysen von Lutz Niethammer (1986: 226 ff.) von Arbeiterbiographien etwa der gleichen Jahrgänge deckt.
Vgl. die von Angelika Puhlmann (1986) besprochene Lebensgeschichte von Klaus Tischler und die von Gabriele Rosenthal (1986a) von Manfred Sommer.
Zum Zusammenhang zwischen Orientierungskrisen und Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit vgl. Rosenthal (1987: 108-U4) sowie dies. (1989).
Vgl. hierzu auch die Befragung von ca. 500 deutschen Familien im Winter 1946 / 47 von Hilde Thurwald (1948). Hier wird insbesondere auch über die Schwierigkeit der Männer mit der von Frauen erreichten Selbständigkeit berichtet (197 ff.)
Zum Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Lebenskrisen und bedrohter Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit vgl. Rosenthal (1989).
Zur theoretischen Diskussion von Erleidensprozessen vs. Handlungsprozessen vgl. Fritz Schütze (1981; 1983a).
Zur Problematik der NS-Vergangenheit in Familien vgl. Bar-On (1988b; 1989); Overbeck (1987); Salm (1988); Stierlin (1988).
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© 1990 Leske + Budrich, Opladen
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Rosenthal, G. (1990). Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus: Zwei Themen ohne Zusammenhang?. In: Rosenthal, G. (eds) Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92641-8_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-92641-8_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-8100-0812-1
Online ISBN: 978-3-322-92641-8
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