Alte Menschen sind besonders stark von den negativen Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie betroffen. Neben dem erhöhten Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs unterliegen sie in besonderer Weise der Gefahr, durch die sozialen Folgen der Pandemie zusätzliche gesundheitliche Einbußen zu erleiden [1]. Denn insofern "social distancing", allgemeine Kontaktbeschränkungen, Besuchsverbote in Altenheimen etc. sozialer Isolation und Vereinsamung Vorschub leisten, wirken sie sich auch negativ auf den Gesundheitszustand und das Gesundheitsverhalten von Senioren aus.

Soziale Isolation wird als objektiv festzustellender Mangel an Sozialkontakten, Zugehörigkeit und Teilhabe definiert [2]. Einsamkeit, die aus sozialer Isolation erwachsen kann, bezeichnet dagegen einen stets subjektiv empfundenen, emotional negativ besetzten Mangel an bedeutsamen zwischenmenschlichen Beziehungen. Tatsächlich ist ein hohes Lebensalter per se kein bedeutsamer Risikofaktor für soziale Isolation und Einsamkeit, sondern nur insoweit dieses mit chronischer Krankheit bzw. Multimorbidität und/oder mit ungünstigen sozialen, sozioökonomischen und Umweltbedingungen einhergeht [2].

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Psychische Gesundheit braucht positiv anregende, zwischenmenschliche Erfahrungen.

Altersassoziierte Multimorbidität, Behinderung und Pflegebedürftigkeit begünstigen soziale Isolation, die sich ihrerseits negativ auf Funktionalität und Lebensqualität auswirkt. Zahlreiche Langzeitstudien weisen soziale Isolation darüber hinaus als unabhängigen primären Risikofaktor für eine erhöhte Morbidität und Mortalität im Alter aus.

Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit

Soziale Isolation erhöht die Inzidenz vieler chronischer Erkrankungen im Alter und verschlechtert deren Prognose. Entsprechende Zusammenhänge wurden für die arterielle Hypertonie, die koronare Herzerkrankung, die Herzinsuffizienz und den Diabetes mellitus beschrieben. Soziale Isolation und Einsamkeit stellen darüber hinaus unabhängige Risikofaktoren für zerebrovaskuläre (Schlaganfall) und kardiale (Herzinfarkt) Akutereignisse dar [3].

Indem sie das Immunsystem schwächen, entfalten sie in punkto Infektionsschutz eine geradezu paradoxe Wirkung [4]. Als vermittelnde Faktoren werden isolationsbedingte körperliche Inaktivität sowie ein ungünstiges Ernährungsverhalten mit konsekutiver Mangelernährung diskutiert [5-7]. Denn diese begünstigen Sarkopenie und eine reduzierte kardiorespiratorische Fitness, was wiederum eine Zunahme von Immobilität und Sturzereignissen bei sozial isolierten alten Menschen [8] erklärt.

Die Compliance bei der Medikamenteneinnahme nimmt ab, wodurch der Verlauf und die Prognose vorbestehender Erkrankungen zusätzlich verschlechtert wird. Entsprechend steigt bei sozial isolierten alten Menschen das Risiko für Krankenhauseinweisungen [3], Pflegebedürftigkeit und Heimunterbringung [9].

Auswirkungen auf die psychische Gesundheit

Einsamkeit und soziale Isolation stellen in jedem Lebensalter, so auch bei Senioren, psychosoziale Stressoren dar, die das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Ein Mangel an wertschätzenden, positiv anregenden zwischenmenschlichen Erfahrungen befördert gerade auch bei alten, körperlich beeinträchtigten Menschen Apathie und depressive Entwicklungen [3, 10].

Hierdurch steigt das Suizidrisiko, das in dieser Bevölkerungsgruppe im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ohnehin deutlich erhöht ist. Angst- und Anpassungsstörungen sowie ein riskanter beziehungsweise missbräuchlicher Alkoholkonsum sind weitere psychische Komorbiditäten, die bei älteren, isoliert lebenden Menschen vermehrt beobachtet werden [3]. Soziale Isolation ist darüber hinaus ein etablierter Risikofaktor für kognitive Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz [10].

Bereits bestehende kognitive Defizite werden durch die Reduzierung sozialer Kontakte aggraviert. Diese Zusammenhänge werden einerseits über die oben beschriebenen somatischen und verhaltensbezogenen Demenz-Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Bewegungsmangel, Mangelernährung, zerebrovaskuläre Erkrankung) vermittelt. Andererseits führt soziale Isolation zu einem Mangel an kognitiv stimulierenden Alltagserfahrungen, die gerade bei alten, multimorbiden Patienten für den Erhalt der kognitiven Kompetenzen von großer Bedeutung sind.

Sozial isolierte ältere Menschen sterben früher

Die vielfältigen negativen Effekte sozialer Isolation auf die körperliche und psychische Gesundheit alter Menschen führen nicht nur zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität, sondern auch zu einer reduzierten Lebenserwartung. Tatsächlich gilt es inzwischen als gut belegt, dass sozial isolierte ältere Menschen früher sterben, als ihre besser integrierten Altersgenossen [11]. Eine Metaanalyse von 148 einschlägigen Studien kam zu dem Ergebnis, dass die Sterblichkeit sozial isolierter Personen über einen prospektiven Beobachtungszeitraum von 7,5 Jahren um 50% erhöht ist [12]. Damit ist die durch soziale Isolation verursachte Übersterblichkeit vergleichbar mit der Exzess-Mortalität, die auf das Rauchen oder die Adipositas zurückgehen.

Psychosoziale Folgen von Quarantäne und Lockdown

Vor Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie konzentrierte sich die Forschung überwiegend auf die Untersuchung mittel- bis langfristiger Effekte sozialer Isolation unter Alltagsbedingungen. Aussagekräftige Studien zu den gesundheitlichen Folgen kurzer aber intensiver Isolationserfahrungen, wie sie z. B. durch pandemiebedingte Quarantäneverfügungen oder Besuchsverbote in Pflegeeinrichtungen verursacht werden, sind vergleichsweise rar.

Vorliegende Untersuchungen wurden überwiegend während der zurückliegenden SARS-CoV-1- und MERS-Pandemien durchgeführt und wiesen bei Menschen in Quarantäne eine bedeutsame Zunahme von akuten Stresssymptomen, Schlafstörungen, Angstsymptomen, Depressivität und posttraumatischen Belastungsstörungen nach [13].

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Telekommunikative Angebote wie Tablets, Smartphones und Videosprechstunden können soziale Kontakte intensivieren.

Diese psychischen Störungen stellten sich bereits nach relativ kurzer Quarantänedauer ein und waren bei gut einem Viertel der Betroffenen noch über ein halbes Jahr nach Beendigung der Quarantäne nachweisbar. Telefonische bzw. postalische Erhebungen an umfangreichen Stichproben alter Menschen, die während der ersten Welle der SARS-CoV-2-Pandemie in der Schweiz, Hongkong und London durchgeführt wurden, bestätigen diese Befunde [14, 15, 16]: Insbesondere alleinstehende und multimorbide alte Menschen berichteten unter den Bedingungen des Lockdowns über eine Zunahme von Einsamkeit, Angstsymptomen, Depressivität und Schlafstörungen. Darüber hinaus wurden medizinische Kontrolltermine nicht in dem eigentlich vorgesehenem Maß eingehalten.

Schlussfolgerungen

Die erheblichen Risiken von Einsamkeit und sozialer Isolation für die körperliche und psychische Gesundheit älterer Menschen sind empirisch gut belegt. Entsprechend war die vorteilhafte Gestaltung der sozialen Situation bereits vor Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie ein bedeutsamer geriatrischer Präventionsansatz. Viele der im Dienst des Infektionsschutzes staatlich bzw. behördlich verfügten Maßnahmen begünstigen soziale Isolation und wirken diesem Ziel entgegen.

Erfassung des emotionalen Status

Bereits relativ kurze Phasen sozialer Isolation können den Gesundheitszustand alter Menschen verschlechtern, insbesondere dann, wenn diese multimorbide sind und nicht über ausreichende soziale Netzwerke verfügen. Der psychischen und gesellschaftlichen Situation dieser Bevölkerungsgruppen sollte daher gerade unter Pandemiebedingungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Screening-Instrumente zur Erfassung des emotionalen und sozialen Status, die sich im Rahmen des Geriatrischen Assessments bereits seit vielen Jahren bewährt haben, können hier zum Einsatz kommen (z. B. Skala zur Sozialen Situation nach Nikolaus und die Geriatrische Depressionsskala; www.kcgeriatrie.de).

AWMF-Leitlinie zum Thema

Empfehlungen zur Reduzierung sozialer Isolation im Pflegeheimbereich finden sich in der AWMF-Leitlinie "Soziale Teilhabe und Lebensqualität in der stationären Altenhilfe unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie" der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft [17].

Für alleinlebende ältere Menschen sollte, neben einer erhöhten Vigilanz für die Problematik, geprüft werden, ob die Verfügbarkeit und Frequenz sozialer Kontakte sowie die medizinische und psychosoziale Betreuung durch telekommunikative Angebote (Tablet, Smartphone, Videosprechstunden etc.) intensiviert werden kann.

Patientinnen und Patienten sollten angehalten werden, wichtige Arzt- bzw. Klinikbesuche nicht im Sinne eines falsch verstandenen Infektionsschutzes zu verschleppen oder zu vermeiden. Das gilt gerade auch im Falle von akuten Beschwerden. Auf dem Online-Portal "Gesund und aktiv älter werden" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) [18] sowie auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Gesundheit [19] erhalten Betroffene darüber hinaus erste Hilfestellungen zu den Themen "Corona und Depressionen", "Umgang mit psychischen Krisen" und "Einsamkeit bewältigen".

Hier gibt es auch Anregungen zur Aufrechterhaltung einer gesunden Lebensführung (z. B. Bewegungs- und Mobilitätsförderung), die unter Pandemie-bedingungen gerade für vulnerable alte Menschen von großer präventiver Bedeutung ist.