Einleitung

Obwohl die Autoimmunhepatitis (AIH) nunmehr bereits seit über 50 Jahren bekannt ist und sie die erste Lebererkrankung war, für die eine effektive Therapie mittels Kortikosteroiden in klinischen Studie nachgewiesen werden konnte, stellt sie nach wie vor in vielen Fällen eine Herausforderung hinsichtlich Diagnose und Therapie dar. Dies ist zum einen auf die relative Seltenheit der Erkrankung und das damit verbundene Fehlen großer klinischer Studien zurückzuführen. Zum anderen bietet die AIH ein breites und heterogenes Spektrum hinsichtlich Klinik und Altersmanifestation, was somit die Diagnostik deutlich erschwert. Die AIH kann sowohl Erwachsene zum Teil bis ins hohe Alter als auch Kinder und Jugendliche betreffen. Das klinische Bild kann von einer milden chronischen Hepatitis mit geringer Auslenkung der Transaminasen bis zu einer akuten Hepatitis mit ikterischem Verlauf und rascher Progression zur Leberzirrhose mit allen Folgen der dekompensierten Lebererkrankung reichen. In seltenen Fällen kann die AIH auch mit einem fulminanten Leberversagen und der Notwendigkeit einer akuten Lebertransplantation einhergehen. Ein weiteres Problem im Rahmen der Diagnosestellung und der Therapie stellen Verlaufsformen mit Überschneidungen zu den cholestatischen Lebererkrankungen – der primär biliären Cholangitis (PBC) und der primär sklerosierenden Cholangitis – dar, die sog. Overlap-Syndrome. Auch die Abgrenzung zum medikamentös-toxischen Leberschaden („drug-induced liver injury“, DILI) und zur nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) kann schwierig sein.

Zur Hilfestellung im Hinblick auf die Diagnose und Therapie bei Patienten mit AIH veröffentlichte die European Association for the Study of the Liver im Jahre 2015 „clinical practice guidelines“ [1].

Epidemiologie

Wie bereits erwähnt stellt die AIH eine seltene Erkrankung dar. Die Prävalenz wird in Europa mit 16–18 Fällen pro 100.000 Einwohner angegeben, wobei sich diese Zahlen auf nur wenige Studien beziehen [2,3,4]. Eine große populationsbasierte Studie aus Dänemark, die die Inzidenz und Prävalenz über einen Zeitraum von annähernd 20 Jahren untersuchte, konnte eine Verdopplung der Inzidenz zwischen den Jahren 1994 und 2012 feststellen [5]. Lag die Inzidenz im Jahr 1994 bei der Gesamtpopulation noch bei 1,37 pro 100.000 und Jahr, stieg diese auf 2,33 pro 100.000 und Jahr (über die gesamte Periode hinweg lag sie bei 1,68 pro 100.000 und Jahr). Bei der Inzidenz zeigte sich eine deutliche Dominanz des weiblichen Geschlechts (2,40 vs. 0,93 pro 100.000 und Jahr). Die Prävalenz der AIH lag im Jahr 2012 bei 23,9 pro 100.000 für die Gesamtpopulation bzw. 34,6 bei Frauen und 13,0 pro 100.000 bei Männern. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen lag die Altersspitze um die 70 Jahre, eine zusätzliche kleinere Spitze fand sich im frühen Erwachsenenalter. Die Prävalenz, aber auch die klinische Präsentation, der Verlauf und das Therapieansprechen scheinen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen zu variieren [6]. Diese Unterschiede sprechen zum einen für einen genetischen Hintergrund in der Ätiologie und Pathogenese, andererseits aber auch für umweltbedingte und sozioökonomische Einflüsse auf Entstehung und Verlauf der Erkrankung.

Klinik

In den frühen 1950er-Jahren wurde die AIH erstmals als progressive chronische Hepatitis mit stark erhöhten Serum-Immunglobulin(Ig)-Spiegeln und Plasmazellinfiltrationen in der Leber beschrieben [7]. Später wurde der Name „lupoide Hepatitis“ geprägt, der schließlich Mitte der 1960er-Jahre durch den Begriff „Autoimmunhepatitis“ ersetzt wurde und sich letztlich Anfang der 1990er-Jahre auf Betreiben der International Autoimmune Hepatitis Group (IAIHG) bis heute allgemein durchgesetzt hat [8].

Die AIH ist durch ein breites und heterogenes Spektrum klinischer, laborchemischer und histologischer Manifestationen gekennzeichnet. Die Diagnose einer AIH sollte somit bei allen Patienten mit akuter oder chronischer Lebererkrankung in Betracht gezogen werden. Trotz eindeutig weiblicher Dominanz der Erkrankung betrifft die AIH in etwa 25–30 % der Fälle auch Männer. Die Erstmanifestation kann in jedem Alter auftreten, wobei die meisten Studien zur AIH 2 Altersgipfel nennen: einen in der Adoleszenz bzw. im jungen Erwachsenenalter, den zweiten (und deutlich höheren!) zwischen 40 und 60 Jahren [3, 4, 9]. In neueren Studien fanden sich jedoch immer mehr Erstmanifestationen auch nach dem 65. Lebensjahr [10].

Die Klinik der AIH ist äußerst heterogen: Sie reicht von milden, meist asymptomatischen Verlaufsformen mit nur gering ausgelenkten Leberwerten (oftmals ein Zufallsbefund im Rahmen von Routinekontrollen) über akute Verlaufsformen mit deutlich ausgelenkten Transaminasen (über das 3‑ bis 5‑Fache der Norm), Ikterus und kompromittierten Lebersyntheseparametern bis hin zu fulminanten Verlaufsformen mit schwerem Leberversagen und hepatischer Enzephalopathie [11]. Etwa ein Viertel aller Patienten präsentiert sich mit einem akuten Beginn, der klinisch nicht von anderen (insbesondere viralen) Hepatitiden unterschieden werden kann. Als Symptome berichten die Patienten häufig über ein generelles Krankheitsgefühl und Abgeschlagenheit, Schmerzen im Bereich des oberen rechten Quadranten, Übelkeit und Appetitlosigkeit, Pruritus (v. a. bei ikterischen Verläufen) sowie Gelenkschmerzen. Unabhängig von Symptomen haben etwa ein Drittel aller erwachsenen Patienten und bis zu 50 % aller Kinder zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine Zirrhose, was die oftmals verzögerte Diagnosestellung widerspiegelt. In diesem Stadium dominiert meist die Klinik der Zirrhose und der Folgen der portalen Hypertension wie Ikterus, Aszites und Ösophagusvarizen [12]. Da sich selbst bei akuten Verlaufsformen in der Leberhistologie häufig Zeichen einer fortgeschrittenen Lebererkrankung finden, scheint dies dafür zu sprechen, dass auch akuten Exazerbationen oftmals eine jahrelange subklinische Erkrankung vorausgeht [13].

Laborchemisch sollte insbesondere die Erhöhung der γ‑Globuline und der IgG-Klasse an eine AIH denken lassen. Daneben sind zirkulierende Autoantikörper, wie antinukleäre Antikörper (ANA), Antikörper gegen glatte Muskulatur (ASMA), lösliches Leberantigen (Anti-SLA/-LP), Leber-Nieren-mitochondriale Antikörper (Anti-LKM1 und seltener -LKM3) sowie Leberzytosolantikörper (Anti-LC1) von entscheidender diagnostischer Bedeutung. Anhand des Antikörperprofils wurde eine Subklassifizierung in 2–3 Unterformen der AIH vorgeschlagen. Während sich bei der AIH Typ 1 (AIH-1) ANA und ASMA finden, ist die AIH Typ 2 (AIH-2) durch das Vorhandensein von Anti-LKM1 (bzw. Anti-LKM3) charakterisiert [14]. Die AIH-1 stellt etwa 90 % aller Fälle, betrifft alle Altersgruppen und ist durch gutes Therapieansprechen und variable Rückfallraten nach Therapieende gekennzeichnet. Die AIH-2 ist mit etwa 10 % deutlich seltener, betrifft in der Regel Kinder und Jugendliche (auch „juvenile AIH“), präsentiert sich oftmals mit akutem und schwererem Verlauf und zeichnet sich durch häufiges Therapieversagen und Relapseraten nach Therapieende aus. Die Entdeckung der hochspezifischen Anti-SLA/-LP-Antikörper führte zur Definition eines dritten Subtyps, der AIH Typ 3 (AIH-3), die in ihrem klinischen Bild der AIH-1 ähnelt, jedoch häufig – gemäß manchen Autoren – durch einen schwereren Verlauf gekennzeichnet ist [15]. Darüber hinaus finden sich bei der AIH-3 auch gehäuft Ro52-Antikörper. Nichtsdestoweniger ist diese Subklassifizierung der AIH derzeit Gegenstand fortlaufender Debatten; ebenso ist die klinische Implikation, die hieraus resultiert, zu hinterfragen [16]. Tab. 1 gibt einen Überblick über die Unterschiede der einzelnen AIH-Subtypen.

Tab. 1 Subklassifikation der Autoimmunhepatitis nach Klinik und Serologie

Als Sonderformen der AIH finden sich bei manchen Patienten Erkrankungsbilder, die sich sowohl mit klinischen, biochemischen, serologischen und histologischen Zeichen der AIH als auch der autoimmunmediierten cholestatischen Lebererkrankungen – der primär biliären Cholangitis (PBC) und der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) – präsentieren. Die Bezeichnung „Overlap-Syndrome“ hat sich hierfür mittlerweile etabliert. Bislang fehlen jedoch einheitliche Kriterien zur Definition dieser Erkrankungsformen, was insbesondere die Diagnose, aber auch die Therapie deutlich erschwert [17]. Es ist unklar, ob die sog. Overlap-Syndrome eine Varietät der AIH (bzw. der PBC oder PSC) oder eine eigene Krankheitsentität darstellen.

Diagnostik

Die Diagnose der AIH basiert einerseits auf der Klinik, dem Labor und der Leberhistologie sowie dem Ausschluss anderer Ursachen einer akuten oder chronischen Lebererkrankung. Letzteres betrifft insbesondere den Ausschluss einer viralen (Hepatitis B, C oder E) oder medikamentös induzierten (DILI, „autoimmune-like DILI“) Hepatopathie. Vor allem bei Patienten mit erhöhten Ig-Spiegeln bzw. Patienten mit dem Vorliegen einer anderen autoimmunologischen Erkrankung (z. B. Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Basedow, Vitiligo, rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom u. a.) sollte an eine AIH als mögliche Ursache erhöhter Transaminasen gedacht werden.

Labordiagnostik

Laborchemisch ist ein hepatitisches Bild mit Auslenkung der Transaminasen und des Bilirubins auffällig, während die Cholestaseparameter in der Regel nur mild oder überhaupt nicht erhöht sein können. Die Höhe der Transaminasen kann zwischen einer minimalen Auslenkung über dem oberen Grenzwert und einer über 50-fachen Erhöhung liegen. Nichtsdestoweniger spiegelt das Ausmaß der Transaminasenerhöhung nicht zwingend die klinische Schwere bzw. den Schweregrad der Inflammation und Fibrose auf histopathologischer Ebene wider. Unabhängig vom Fortbestehen der nekroinflammatorischen Aktivität können schwankende Leberwerte, die zeitweise auch Normalwerte annehmen können, unter Umständen eine biochemische Remission suggerieren. Dies stellt insofern ein Problem dar, als hierdurch die Einleitung einer Therapie verzögert und ein Fortschreiten der Erkrankung in der Folge ermöglicht wird. Dies erklärt auch das häufige Auftreten einer Zirrhose bereits zum Zeitpunkt der Diagnose [18].

Erhöhte γ‑Globulin- bzw. IgG-Spiegel finden sich in etwa 85 % der Patienten mit AIH [19], wobei von niedrigeren Prävalenzen bei Patienten mit akuten Verlaufsformen berichtet wurde. So finden sich bei 25–39 % dieser Patientengruppe normale IgG-Spiegel [20].

Autoantikörper sind eines der wesentlichen Kennzeichen der AIH und spielen im Rahmen der Diagnostik eine entscheidende Rolle. Indirekte Immunfluoreszenz stellt hierbei den Goldstandard in der Diagnose dar [21, 22]. Daneben stellen andere Verfahren, wie z. B. ELISA oder „immunoblotting“, eine Möglichkeit zur Bestimmung der Autoantikörper dar; zur Bestimmung der SLA-/LP-Antikörper stellt Letzteres die einzige Möglichkeit dar. ANA und ASMA finden sich in bis zu 75 % aller Patienten, sind jedoch nicht erkrankungsspezifisch. Das Fluoreszenzmuster der ANA bei AIH ist meist homogen, gefleckte Muster („speckled“) sind aber auch bei anderen Lebererkrankungen (NAFLD, PBC, Hepatitis C) und sogar bei Lebergesunden häufig. ANA finden sich bei 43 % [18] der Patienten mit AIH-1, während die Prävalenz für ASMA mit 41 % angegeben wird. Anti-LKM1- und Anti-LC1-Antikörper gelten als serologische Marker für die AIH-2. In einer Studie [18] an einem kleinen Kollektiv von Patienten mit AIH-2 lag die Prävalenz für Anti-LKM1-Antikörpern bei 66 %, jene der Anti-LC1-Antikörper bei 53 %. Wie schon die ANA und ASMA sind weder die Anti-LKM1- noch die Anti-LC1-Antikörper erkrankungsspezifisch. So fanden sich Anti-LKM-1- bzw. Anti-LC1-Antikörper in etwa 5–10 % der Fälle bei chronischer Hepatitis C [23].

Neben diesen für die AIH etablierten Autoantikörpern erscheint auch das Testen für andere Autoantikörper sinnvoll. Antimitochondriale Antikörper (AMA) – als spezifischer Antikörper bei der PBC – finden sich bei 8–12 % der Patienten mit klassischer AIH, ohne dass gleichzeitig klinische Zeichen einer PBC bestehen müssen [24]. Eine positive Serologie auf AMA kann auf der anderen Seite aber auch ein Hinweis für das gleichzeitige Vorliegen einer PBC im Sinne eines Overlap-Syndroms sein. Perinukleäre antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (p-ANCA) gelten als spezifische Antikörper bei PSC und bei Colitis ulcerosa und finden sich in gehäuftem Ausmaß bei AIH-1 [25]. Die zusätzliche Bestimmung von p‑ANCA kann möglicherweise zur Diagnose der AIH genutzt werden, insbesondere wenn andere Antikörper negativ sind.

Histologie

Die Leberbiopsie und deren histologische Aufarbeitung ist ein wesentlicher Bestandteil der diagnostischen Abklärung der AIH und sollte noch vor Beginn der Therapie erfolgen. Im Fall einer schweren Koagulopathie (z. B. bei akuten oder fulminanten Verlaufsformen) sollte ein transjugulärer Zugangsweg für die Leberbiopsie gewählt werden. Die sog. Interface-Hepatitis (eine Hepatitis an der Grenze zwischen Portalfeld und Parenchym) mit dichtem lymphoplasmozytärem Infiltrat, die hepatozelluläre Rosettenbildung sowie die Emperipolesis gelten als die histologischen Kennzeichen der AIH [26, 27]. Nichtsdestoweniger ist keines der histologischen Kennzeichen pathognomonisch für die AIH. So findet sich die Interface-Hepatitis auch bei medikamentös-toxischem (DILI) oder viral induziertem Leberschaden. Auf der anderen Seite sind eine panlobuläre Hepatitis und ausgeprägte Nekrosen als Ausdruck schwerer inflammatorischer Aktivität auch im Rahmen der AIH zu beobachten. Panazinäre Hepatitis und perizentrale Nekrose zeigen sich insbesondere bei akuten Verlaufsformen als charakteristische Histopathologie und können hierbei einem medikamentös-toxischen Leberschaden stark ähneln [28]. Auch andere histologische Pathologien, wie z. B. Steatose/Steatohepatitis, Granulome oder Cholangitis, können auftreten, reduzieren jedoch insgesamt eher die Wahrscheinlichkeit für die Diagnose einer AIH [29]. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung können alle Fibrosestufen präsent sein und bei etwa einem Drittel der Patienten findet sich bereits eine Zirrhose [26, 30].

Wie bereits erwähnt spiegelt die Höhe der Transaminasen nicht immer das Ausmaß der nekroinflammatorischen Aktivität bzw. der Fibrosestufe wider [18]. Die Leberbiopsie liefert somit wichtige Informationen in Bezug auf die Prognose sowie das weitere Management des Patienten. Dies gilt insbesondere für Patienten mit Zirrhose und deren Screening auf Komplikationen wie das Vorhandensein von Ösophagusvarizen oder eines HCC.

Diagnostisches Scoring

Zur Vereinfachung der Diagnose und zur Homogenisierung von Patientenkollektiven für klinische Studien wurde bereits im Jahr 1999 von der IAIHG ein Scoringsystem etabliert [31], das in der Folge mehrfach validiert wurde [32]. Obwohl eigentlich für Studien in der klinischen Forschung gedacht, fand dieses Scoringsystem auch breite Anwendung in der klinischen Praxis. Aufgrund der Komplexität wurde schließlich im Jahr 2008 von der IAIHG ein einfacheres Scoringsystem für den klinischen Alltag vorgestellt [33]. Dieses basiert auf nur 4 Parametern (siehe Tab. 2):

  1. 1.

    mit AIH vereinbare oder für AIH typische Histologie,

  2. 2.

    die Höhe der Serum-IgG-Spiegel,

  3. 3.

    negative Hepatitisvirusserologie,

  4. 4.

    erhöhte Antikörpertiter mittels IIFL oder ELISA (bei Anti-SLA/-LP).

Verglichen mit dem älteren Scoringsystem zeigte sich beim neueren vereinfachten Scoringsystem zwar eine geringere Sensitivität (95 vs. 100 %), dafür aber eine höhere Spezifität (90 vs. 73 %). Insgesamt ist das neuere System ein gutes Hilfsmittel für die klinische Praxis; dennoch ist gerade in Fällen mit akutem bzw. fulminantem Krankheitsbeginn die Diagnose weiterhin eine Herausforderung. Bis zu 39 % dieser Fälle präsentieren sich mit normalen IgG-Spiegeln und 9–17 % sind negativ in Bezug auf zirkulierende Antikörper [20, 34]. Die Leberbiopsie bleibt insbesondere in diesen Fällen für ein eindeutiges klinisches Urteil unverzichtbar. Eine prospektive Evaluation der Scoringsysteme im Setting der akuten oder fulminanten AIH ist somit unbedingt erforderlich.

Tab. 2 „Simplified scoring criteria“ nach Hennes et al. [33] zur Diagnose der Autoimmunhepatitis

Therapie

Therapieziel ist das Erreichen der kompletten klinischen (Symptomfreiheit), biochemischen (Normalisierung von ALT/AST und IgG-Spiegel) und histologischen Remission der AIH und somit die Prävention des Fortschreitens der Erkrankung zur Leberzirrhose mit deren Komplikationen der portalen Hypertension und des HCC. Derzeitige immunsuppressive Therapien basieren auf Studien aus den 1970er- und 1980er-Jahren [35,36,37], die zeigen konnten, dass eine Immunsuppression bei Patienten mit moderater oder schwerer Form der AIH nicht nur Leberwerte und γ‑Globulin-Spiegel senkte, sondern auch klinische Symptome verbesserte und das Gesamtüberleben verlängerte. Unbehandelte Patienten hatten im Gegensatz eine deutlich schlechtere Prognose. Andererseits sind bei Patienten mit nur milder Krankheitsaktivität die Vorteile der Therapie bislang nicht völlig geklärt. Nebenwirkungen der Therapie sollten hierbei gegenüber dem Nutzen streng abgewogen werden. Dies gilt insbesondere bei älteren Patienten oder jenen mit relativen Kontraindikationen für eine Steroidtherapie. Da die AIH jedoch auch eine chronische Erkrankung mit fluktuierendem Verlauf und langsamer Krankheitsprogression sein kann und selbst in milden Verlaufsformen die längerfristige Prognose schwer abzuschätzen ist, sollten auch diese Patienten engmaschig kontrolliert werden und gegebenenfalls einer neuerlichen Therapieevaluation mittels Leberbiopsie zugeführt werden. Gemäß Empfehlung der EASL-Leitlinien [1] sollten alle Patienten mit einer aktiven Erkrankung (ALT >3-mal ULN, HAI ≥4 von 18 in der Leberbiopsie) einer Therapie zugeführt werden.

Prednisolon/Azathioprin

Obwohl die meisten Studien sehr alt sind, konnte doch gezeigt werden, dass hinsichtlich Effektivität und Sicherheit bzw. Nebenwirkungsprofil die Kombinationstherapie aus Prednisolon und Azathioprin in der AIH den größten Erfolg verspricht [38]. Eine Monotherapie aus Azathioprin erwies sich nicht nur als weniger effektiv im Vergleich zur Kombinationstherapie bzw. Steroidmonotherapie, sondern resultierte auch in deutlich höheren Mortalitätszahlen. Die Kombinationstherapie scheint hinsichtlich ihrer Effektivität der Steroidmonotherapie ebenbürtig, der Vorteil besteht jedoch in der niedrigeren Nebenwirkungsrate durch die Möglichkeit der Reduktion bzw. des Ausschleichens des Prednisolons [39]. Dies gilt insbesondere für Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für steroidinduzierte Nebenwirkungen wie postmenopausale Frauen, Patienten mit Osteoporose, arterieller Hypertonie bzw. Adipositas oder Diabetiker. Vor allem bei jungen Patienten könnten Bedenken hinsichtlich Gewichtszunahme oder kosmetischer Nebenwirkungen die Adhärenz negativ beeinflussen. Vorsicht ist im Hinblick auf die Anwendung von Azathioprin bei Patienten mit vorbestehenden malignen Erkrankungen, bei Zytopenie oder bekannter Thiopurinmethyltransferase(TPMT)-Defizienz sowie in der Schwangerschaft geboten. Azathioprin sollte verzögert gegeben werden, um diagnostische Unsicherheiten auszuräumen und eine allfällige, wenn auch seltene azathioprininduzierte Hepatotoxizität nicht als Therapieversagen zu missinterpretieren. Generell sollte die immunsuppressive Therapie bei AIH individualisiert sein und sich am jeweiligen Therapieerfolg orientieren. Tab. 3 gibt einen Vorschlag der EASL-Leitlinien zur Remissionsinduktion für erwachsene AIH-Patienten mit Azathioprin-Prednisolon-Kombinationstherapie wieder.

Tab. 3 Therapie zur Remissionsinduktion für einen erwachsenen Patienten (ca. 60 kg) gemäß einer Empfehlung der EASL Clinical Practice Guidelines für Autoimmunhepatitis [1]

Budesonid

Budesonid ist ein synthetisches Glukokortikoid mit einem über 90 %igen First-pass-Metabolismus über die Leber. Eine rezente prospektive randomisiert-kontrollierte Studie [40] konnte zeigen, dass Budesonid (9 mg/Tag) in Kombination mit Azathioprin zu einer raschen Normalisierung der Transaminasen führt. Im Vergleich zum Kontrollarm mit Prednisolon/Azathioprin konnte das kombinierte Studienziel aus biochemischer Remission nach 6 Monaten ohne steroidspezifische Nebenwirkungen signifikant häufiger erreicht werden (47 vs. 18,4 %). Trotz der (auch in anderen kleinen Fallserien) beschriebenen Wirksamkeit und des guten Nebenwirkungsprofils bestehen einige Ungewissheiten bezüglich des Einsatzes von Budesonid. Aufgrund des hohen hepatalen First-pass-Metabolismus ist der Einsatz bei Patienten mit Leberzirrhose oder mit perihepatischen Shunts kontraindiziert. Darüber hinaus sind keine Daten hinsichtlich der Langzeiteffektivität bzw. der Sicherheit gegeben. Eine eindeutige Empfehlung zur Dosisreduktion fehlt ebenfalls und deren Sinnhaftigkeit ist aufgrund der kurzen Halbwertszeit auch fraglich.

Alternative Therapien

Als alternative Therapien für die Standardtherapie mit Prednisolon/Azathioprin (bzw. Budesonid/Azathioprin) kommen im Wesentlichen Mycophenolat-Mofetil (MMF) und Kalzineurininhibitoren (CNI: Tacrolimus, Cyclosporin A) zum Einsatz. Darüber hinaus gibt es Erfahrungsberichte zu mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Sirolimus), Cyclophosphamid, aber auch Rituximab und Infliximab [41].

Insbesondere für Patienten mit Unverträglichkeit gegenüber Azathioprin bietet sich MMF als gute und sichere Alternative an. Im Rahmen einer rezenten prospektiven Studie [42] bei 109 Patienten mit AIH unter MMF/Prednisolon als First-line-Therapie erreichten 78 (71,6 %) ein komplettes Therapieansprechen (Normalisierung der Transaminasen und IgG-Spiegel), 61 Patienten hiervon waren in stabiler Remission unter MMF-Monotherapie nach Ausschleichen von Prednisolon. Eine andere kürzlich publizierte Studie [43] berichtete über die Sicherheit und Effektivität von MMF oder Tacrolimus als Zweitlinientherapie. Sowohl MMF als auch Tacrolimus wurde gut vertagen; nur 8,3 % der mit MMF bzw. 12,5 % der mit Tacrolimus behandelten Patienten mussten die Therapie dauerhaft abbrechen. Hinsichtlich der Effektivität zeigten sich bei Patienten mit Unverträglichkeit auf die Standardtherapie (Azathioprin/Prednisolon) keine Unterschiede zwischen MMF (91,9 % biochemische Remission) und Tacrolimus (94,1 %). Bei der Gruppe mit Nichtansprechen war der Prozentsatz mit vollkommenem Ansprechen in der Tacrolimusgruppe signifikant höher als bei jenen mit MMF (56,5 % vs. 34,9 %; p = 0,029).

Insgesamt ist die Datenlage hinsichtlich Effektivität und Sicherheit zu den Zweitlinientherapien bescheiden. Dennoch sollte insbesondere bei Patienten mit inkomplettem oder gar fehlendem Ansprechen auf die Standardtherapie oder bei Patienten mit Abhängigkeit von hohen Steroiddosen (und damit erhöhtem Risiko für Langzeitnebenwirkungen) ein Therapiewechsel in Erwägung gezogen werden. Dies gilt insbesondere für Patienten mit atypischen Verlaufsformen (Overlap-Syndrome, AIH-2). Auch sollte zur Reevaluation der Diagnose eine neuerliche Biopsie in Betracht gezogen werden.

Therapiemonitoring und Absetzen der Therapie

Regelmäßige Kontrollen zur Überwachung des Therapieerfolgs und allfälliger Therapienebenwirkungen sind erforderlich. Die Häufigkeit richtet sich nach der Schwere der Erkrankung (Aktivität, Leberfibrose/-zirrhose), der Dauer der Therapie und dem Erreichen einer stabilen Remission. Sind insbesondere zu Beginn der Therapie während der Zeit des Ausschleichens von Prednisolon häufige und engmaschige Kontrollen erforderlich, können diese nach Erreichen der Remission auf 3‑monatige und gegebenenfalls noch längere Abstände erhöht werden. Dennoch benötigen Patienten eine lebenslange Kontrolle, da die AIH durch Rückfälle und neuerliches Aufflackern der Krankheit gekennzeichnet ist.

Ein Absetzen der Therapie ist prinzipiell möglich, obwohl es keine Daten hinsichtlich der optimalen Therapiedauer gibt. Prinzipiell sollten die Patienten mindestens 3 Jahre unter Therapie stehen und davon zumindest 2 Jahre in stabiler biochemischer Remission sein. Vor Absetzen der Therapie sollte eine Leberbiopsie angestrebt werden, da bei Fortbestehen einer histologischen Entzündungsaktivität (HAI ≥4) ein rascher Rückfall sehr wahrscheinlich ist. Eine unlängst publizierte Studie [44] konnte nachweisen, dass die Höhe der Transaminasen und IgG-Spiegel zum Zeitpunkt des Therapieabbruchs einen Rückfall vorhersagen konnte. So hatten Patienten mit ALT-Werten weniger als die Hälfte des oberen Grenzwerts und mit einem IgG-Spiegel unter 12 g/l eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für anhaltende Remission nach Behandlungsende. Insgesamt ist eine höhere Rückfallrate mit verzögertem Therapieansprechen, bleibend erhöhten Transaminasen und IgG-Spiegeln, Inflammation in einer Kontrollbiopsie und kürzerer Behandlungsdauer assoziiert [45].

Der Einsatz nichtinvasiver Verfahren, wie z. B. mittels transienter Elastographie, zur Evaluation hinsichtlich einer histologischen Remission sowie einer Regression der Fibrose ist derzeit Gegenstand intensiver Untersuchung. Eine jüngst publizierte Studie konnte einen signifikanten Zusammenhang zwischen kompletter biochemischer Remission und Lebersteifigkeit nachweisen [46]. Der Nutzen der transienten Elastographie im Rahmen des Therapiemonitorings sowie zur Vorhersage einer anhaltenden Remission nach Beendigung der Immunsuppression ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar und bedarf weiterer eingehender Studien.

Zusammenfassung

Die Seltenheit der Erkrankung und das heterogene klinische Bild machen die Diagnose der AIH zu einer komplexen Herausforderung im klinischen Alltag. Dennoch sollte bei jeder unklaren Hepatopathie an diese differenzialdiagnostisch gedacht werden und entsprechende Schritte in der Abklärung sollten gesetzt werden. Dies gilt insbesondere, da durch eine rechtzeitige Therapie weitere Schäden vermieden werden können, die Patienten in der Regel gut auf die Therapie ansprechen und bei Erreichen einer Remission die Patienten im Allgemeinen eine gute Prognose haben. Mit Prednisolon (bzw. Budesonid) und Azathioprin stehen gute Medikamente für die Erstlinientherapie zur Verfügung. Dennoch ist eine Reihe an Fragen nach wie vor offen. Dies betrifft insbesondere die Behandlung von Patienten mit inkomplettem Therapieansprechen auf die Standardtherapie. Die Datenlage zu Zweitlinientherapien, wie MMF oder Tacrolimus, ist nach wie vor dürftig; zu anderen Therapieoptionen gibt es gerade einmal Fallberichte. Große und vor allem prospektive und kontrollierte Studien sind in diesen Fällen wünschenswert, um auch für Patienten mit fehlendem oder nur partiellem Therapieerfolg optimale Behandlungsstrategien zu ermöglichen. Eine weitere Frage stellt sich hinsichtlich der optimalen Behandlungsdauer und des Absetzens der Immunsuppression. Der gezielten Suche nach prognostischen Biomarkern für eine anhaltende Remission ohne Therapie sollte ein erhöhtes Augenmerk zukommen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach dem Stellenwert der transienten Elastographie im Rahmen des Therapiemonitorings bzw. für ein allfälliges Absetzen der Therapie.