Indikation

Der Hungerversuch dient zum Nachweis von Hypoglykämien, die durch eine inadäquat hohe (Pro‑)Insulinfreisetzung bedingt sind (Insulinom, endogener Hyperinsulinismus).

Definition

Die klinische Diagnose einer abklärungswürdigen Hypoglykämie erfolgt durch den Nachweis der „Whipple-Trias“: typische Symptome, niedrige Plasmaglukose, prompte Besserung der Beschwerden nach Glukoseverabreichung.

Anamnese

Andere häufige Ursachen von Hypoglykämien sollten durch eine ausführliche Anamnese, klinische Untersuchung und Labortests möglichst vorab ausgeschlossen werden. Dazu zählen: Medikamente (z. B.: Insulin, Insulin-Sekretagoga, Alkohol), schwere Erkrankungen (Nieren- oder Leberinsuffizienz, Sepsis), Hormonmangel (Cortisol, Wachstumshormon).

Der hier vorgestellte Ablauf entspricht der gegenwärtig an der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Med. Univ. Wien, üblichen Vorgangsweise. In den letzten Jahren sind wir dazu übergegangen, den Fastentest mit einer standardisierten Mahlzeit (Frühstück mit fester Nahrung) zu beginnen. Dies ermöglicht nicht nur, den Beginn der Fastenperiode klar zu definieren, sondern auch den Versuch einer Abklärung von zunehmend beschriebenen postprandialen Beschwerden. Bei der Mehrzahl dieser oft im Bereich des Magens voroperierten Patienten (z. B. bariatrische Operation) kommt es nach Verabreichung von Glukose zu Hypoglykämien, weswegen die Durchführung eines oralen Glukosetoleranztests nicht empfohlen wird.

Technische Hinweise: Durch Glykolyse in den Erythrozyten kommt es im abgenommenen Blut zu einem Abfall der Glukosekonzentration. Die Glukosebestimmung erfordert daher ein Abnahmeröhrchen mit enthaltenem Glykolysehemmer (Na-Fluorid-EDTA).

Vorgangsweise

  1. 1.

    Patient kommt nur dann nüchtern, wenn dies ohne Gefährdung möglich ist. Das im Test enthaltene standardisierte Frühstück ermöglicht ohnedies einen definierten Beginn der Fastenperiode während der stationären Beobachtung.

  2. 2.

    Patient über die Vorgangsweise informieren, Patient darf die Station während des Tests nicht verlassen. Sedierende Medikamente vermeiden.

  3. 3.

    Venflon setzen (Pflege, verbleibt über 3 Tage) – 33 %ige Glukose für den Fall einer schweren Hypoglykämie gebrauchsfertig am Bett bereithalten!

  4. 4.

    Basale Blutabnahme auch zum Ausschluss einer Nebenniereninsuffizienz und einer Autoimmunhypoglykämie: Cortisol, ACTH, Insulin-Autoantikörper, IGF-1, HbA1c.

  5. 5.

    Standardisiertes Frühstück (optional; Tab. 1).

  6. 6.

    Absolute Nahrungskarenz für 72 h bzw. bis zum Abbruch wegen Hypoglykämie (siehe unten), Beginn ca. 8:00 Uhr. Erlaubte Flüssigkeitszufuhr: ungesüßter Tee, Mineralwasser (verboten: Fruchtsäfte, Coca Cola, Früchtetee etc.).

  7. 7.

    Blutabnahmen laut Protokoll (Abb. 1; zumindest alle 3 h) – siehe unten: Blutglukose (Bedside-Test), im Labor: Plasmaglukose, Insulin, C‑Peptid, Proinsulin, falls verfügbar Beta-Hydroxybutyrat. Eine Bestimmung der Hormone sollte jedenfalls in allen Proben mit einer Glukosekonzentration <60 mg/dl erfolgen.

  8. 8.

    Abbruch bei schwerer Hypoglykämie (Blutglukose <40 mg/dl) und/oder neuroglukopenischen Symptomen – auf jeden Fall Blutabnahme VOR Glukoseinfusion.

  9. 9.

    Eine endogene Hypoglykämie liegt vor, wenn die Insulinsekretion trotz niedriger Glukosekonzentration im Blut nicht supprimiert wird. Typische (neuroglukopenische) Symptome gemeinsam mit Plasmaglukose <55 mg/dl, Insulin >3,0 U/ml, C‑Peptid >0,6 ng/ml und/oder Proinsulin >5,0 pmol/l dokumentieren eine endogene Hyperinsulinämie.

Tab. 1 Standardisiertes Frühstück
Abb. 1
figure 1

Protokoll des Hungertests. BG Blutglukose

Bei Verdacht auch Abnahme von Blut zum Nachweis von Sulfonylharnstoffen!