Nicht selten hat ein ausgeprägter Dekubitus ein juristisches Nachspiel für das therapeutische Team. Wie aber werden die Anordnungen und Maßnahmen zur Dekubitusprohylaxe oder -behandlung so dokumentiert, dass sie der juristischen Prüfung standhalten?

„Achtung Dekubitus Grad I, wir müssen ein Voranschreiten unter allen Umständen verhindern“. Mit einem Dekubitus gilt es offen umzugehen, man sollte ihn nicht verheimlichen. Ist also eine nicht wegdrückbare Rötung am Steiß (Fingertest) bei einem Patienten aufgetreten, dann muss dies durch die Pflege als „Notfall“ eingestuft werden. Eine Fachpflegekraft ist in dieser Situation aus der Profession heraus in der Lage, eigenverantwortlich zu handeln. Man darf aber auch nicht zu lange warten, bis man sich Hilfe bei einem Arzt oder Wundmanager holt und damit die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt.

Wird ein Dekubitus beklagt, wird in der Regel vom Staatsanwalt oder vom Gericht ein Gutachter benannt, der anhand der Akten prüfen soll, ob es bei der Pflege oder in der ärztlichen Versorgung zu einem Fehlverhalten gekommen ist. Es stellt sich die Frage, ob das Dekubitusrisiko nach standardisierten Verfahren ermittelt wurde und ob danach die entsprechenden ärztlichen bzw. pflegefachlichen Maßnahmen ergriffen wurden. In der Dokumentation muss also nachvollziehbar dargelegt werden, dass die Behandlung des Dekubitus auf der Grundlage nationaler und internationaler Standards erfolgte. Die Nachvollziehbarkeit ist entscheidend. Der Gutachter wird in seiner Begründung auf Leitlinien oder Expertenstandards zur Dekubitusbehandlung zurückgreifen. Auf europäischer Ebene ist die Publikation vom European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP) von Bedeutung (NPUAP 2014). Für die Dekubitusprävention in Deutschland sind die Maßnahmen im „Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege“ genannt, herausgegeben vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (DNQP 2017). Diesem Expertenstandard lassen sich Struktur-, Prozess- (Tab. 1) und Ergebniskriterien für eine Pflegeprozessplanung entnehmen.

Tab. 1 Prozesskriterien

Wer trägt die Verantwortung?

Natürlich muss sich auch der Arzt bei der Dekubitusbehandlung einbringen, beispielsweise durch Anordnen eines Bewegungsplanes, Kontrolle der pflegerischen Maßnahmen, durch Anordnung von Wundverbänden oder Anfordern einer Wechseldruckmatratze. Doch während die Aufgaben der Pflege zur Prophylaxe aufgrund des Expertenstandards sehr klar benannt werden, sind die ärztlichen Aufgaben nicht immer derart eindeutig zu fassen.

Das Krankenhausmanagement ist verantwortlich für das Vorhandensein, die Implementierung sowie die Kontrolle der Umsetzung eines Dekubitusmanagementsystems. Die Pflegekräfte sind zuständig für dessen praktische Umsetzung sowie die Ausführung der ärztlichen Verordnungen. Die Pflege ist ganz besonders verantwortlich für die Vorbeugung des Dekubitus (DNQP 2017).

Es ist professioneller Konsens, dass das Risiko schon vor dem Auftreten eines Dekubitus erkannt werden muss, um die Entstehung eines Dekubitus zu verhindern (DNQP 2017). Daher muss ein Risikoscreening mit einer geeigneten Skala durchgeführt werden. Bei einem hohen Risiko müssen entsprechende pflegerische und ärztliche Maßnahmen eingeleitet werden, um die Entstehung eines Druckgeschwürs zu verhindern. Spätestens aber wenn eine Schädigung eingetreten und eine medizinische Behandlung nötig ist, muss der Arzt hinzugezogen werden und die Behandlung verantworten.

Dekubitusprävention und -behandlung sind Teamarbeit — innerhalb des Pflegeteams aber auch zwischen Pflegenden und Ärzten. Im Team muss die Information über den Dekubitus zuverlässig weitergegeben werden. Jeder muss über die Problematik Bescheid wissen. Auch Pflegehelfer müssen das Problem kennen und die Fachpflegekraft entsprechend informieren. Ein Prozess, der von der Pflegedienstleitung geregelt werden muss.

Hinweise aus Gutachten

Aufgrund von bereits erstellten Gutachten zu Dekubiti und möglichen Versäumnissen wurden nachfolgend einige Hinweise formuliert.

Hautinspektion: Bei jedem Krankenhaus- oder Pflegeheim-Patienten — aber auch im ambulanten Bereich — müssen Pflege und Arzt bei der Aufnahme die Risikostellen für Dekubiti inspizieren und Druckstellen dokumentieren. Manchmal liegt keine Wunde vor, sondern „nur“ eine livide Verfärbung unterhalb der obersten Hautschicht oder ein „Hämatom“. Daraus kann sich in den folgenden Tagen eine schwarze Kruste nekrotischer Haut oder eine offene Wunde entwickeln. Werden suspekte Hautstellen bei Aufnahme gesehen, ist es besser, diese zu dokumentieren. Wird der Dekubitus bei Aufnahme nicht beschrieben, wird bei einem möglichen Gutachten davon ausgegangen, dass er erst nach der Aufnahme entstanden ist. Gerade bei der ärztlichen Untersuchung wird die Beschreibung von Druckstellen oft vernachlässigt, daher sollte besonders die Pflege darauf achten.

Die Risikostellen sind bei der täglichen Pflege zu inspizieren. Wird schon die erste Rötung im Pflegebericht erwähnt und sind in der Folge Maßnahmen erkennbar, so verdeutlicht dies, dass die Pflege aufmerksam war. Wird ein Dekubitus allerdings erst im Stadium einer tiefen Wunde im Pflegebericht erwähnt, dann fragt sich der Gutachter, warum dies nicht schon vorher erkannt und ob der Patient überhaupt korrekt gepflegt wurde.

Risikobeurteilung: Nicht nur bei der Aufnahme eines immobilen Menschen sollte eine geeignete Einschätzung des Dekubitusrisikos erfolgen (z.B. Braden-Skala). Dies gilt auch bei Veränderungen wie einer zunehmenden Immobilität (erneute Risikobewertung). Liegt ein Dekubitus bereits bei der Aufnahme vor, ist das Dekubitusrisiko schon augenfällig dokumentiert und das Risikoscreening eigentlich entbehrlich. Liegt keine Risikobeurteilung vor, der Patient wird aber sofort auf eine spezielle Matratze gebettet und ein „Lagerungsplan“ begonnen, könnte man argumentieren, dass das Risiko auch ohne systematische Beurteilung von den Pflegenden erkannt wurde. Trotzdem sollte man immer eine Risikobeurteilung durchführen, wenn man auf der sicheren Seite sein will.

Abb. 1
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In der Dokumentation muss nachvollziehbar dargelegt werden, dass die Behandlung des Dekubitus auf der Grundlage nationaler und internationaler Standards erfolgte.

© alvarez / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Bewegungsförderungsplan: Bei hohem Dekubitusrisiko ist ein Bewegungsförderungsplan („Lagerungsplan“) wichtig. Sind über einen langen Zeitraum keine Lagerungen eingetragen, muss der Gutachter annehmen, dass der Patient in dieser Zeit nicht gelagert wurde — auch wenn das vielleicht trotzdem geschehen ist. Verschlechtert sich der Dekubitus in dieser Zeit, spricht viel dafür, dass die Lagerungen unzureichend waren und die Entstehung des Dekubitus begünstigten. Automatisierte, aufgrund einer Pflegeplanung elektronisch erstellte Lagerungspläne (immer exakt alle zwei Stunden, immer zur vollen Stunde, keine individuellen Eintragungen) wirken unglaubhaft. Es lassen sich auch Mikrolagerungen im Pflegebericht oder im Bewegungsförderungsplan dokumentieren. Auch die Physiotherapeuten können Mobilisierungen übernehmen.

Bei einem sterbenden Patienten steht die Lebensqualität im Vordergrund. So kann ein strenger Lagerungsplan in der letzten Lebensphase abgeschwächt und Druckgeschwüre in Kauf genommen werden, wenn dies der Steigerung der Lebensqualität dient. Die Abwägung, welche Behandlung in welchem Maße und Umfang durchgeführt wurde, und die Kommunikation darüber mit dem Patienten und seinen Angehörigen oder dem Betreuer, muss jedoch in der Dokumentation abgebildet werden. Der Entscheidungsweg muss im Nachhinein nachvollziehbar sein.

Weichlagerung: Unbedingt zu dokumentieren ist das Vorhandensein einer Weichlagerung. Selbst Standardkrankenhausmatratzen sind vom Hersteller oft zur Prävention bzw. zur Behandlung, beispielsweise bis zu einem Dekubitusstadium 2 nach EPUAP zugelassen. Wird der Patient auf einer solchen Matratze gelagert und verschlimmert sich der Dekubitus, muss die Weichlagerung verbessert werden (z.B. in Form einer Wechseldruckmatratze). Zudem sollte kein Patient mit einem Dekubitus 4. Grades auf einer Matratze gelagert wird, die vom Hersteller nur für die Therapie von Druckgeschwüren bis Grad 2 vorgesehen ist.

Sind regelmäßige Lagerungen aus personaltechnischen Gründen nicht umsetzbar, sollte wenigstens nicht noch an der Weichlagerungsmatratze gespart werden. Wird zum Sitzen ein Kissen verwendet, stellt sich im Nachhinein möglicherweise die Frage, ob dieses auch für den Einsatz bei Dekubiti zugelassen ist.

Pflegeplanung: Mitunter fehlt bei den relativ kurzen Aufenthalten im Krankenhaus eine ausführliche schriftliche Pflegeplanung. Dennoch sollten pflegeplanerische Maßnahmen oder der Pflegeprozess aus der Dokumentation bzw. den Durchführungsnachweisen erkennbar sein. Eintragungen im Pflegebericht wie „Lagerungsplan angelegt, WDM angefordert“ oder „Haut am Gesäß seit heute defekt, Wundmanager bestellt“ dokumentieren, dass Probleme erkannt und Maßnahmen getroffen wurden. Die regelmäßige Erwähnung zeigt, dass die Pflege den Dekubitus im Blick hat. Entwickelt sich ein Dekubitus, der aber in den Pflegeberichten nie erwähnt wird, entsteht der Eindruck, dass sich die Pflege nicht darum kümmerte oder das nötige Wissen fehlte. Nimmt der Dekubitus zu, sollte eine Eskalation der Maßnahmen erkennbar sein (z.B. Verkürzung der Lagerungsintervalle oder Wechsel von einer Schaumstoffmatratze auf eine Wechseldruckmatratze).

Wunddokumentation und -versorgung: In einer aussagekräftigen systematischen Wunddokumentation (Fotodokumentation) sollten Fotos die Wundsituation klar erkennbar wiedergeben, einen Maßstab aufweisen und datiert sein. Auch die Wundversorgung muss erkennbar sein. Durchführungsnachweise belegen das ordnungsgemäße Wechseln des Wundverbands.

Weitere Maßnahmen: Eine eiweißreiche Ernährung, die Vermeidung von Scherkräften beim Transfer oder der Schutz der intakten Haut um den Dekubitus herum sind weitere präventive Maßnahmen. Im Vergleich zur Druckentlastung (Bewegungsförderungsplan, Weichlagerung) sind diese Maßnahmen in der gutachterlichen Bedeutung aber eher nachrangig.

Informationen weitergeben

Auch die Kommunikation mit dem Arzt sollte von der Pflege notiert werden (z.B. „Dekubitus Arzt Info“). Bei einer Verschlechterung ist der Arzt erneut zu informieren. Oft finden sich nur wenige oder keine Eintragungen des zuständigen Arztes zum Dekubitus in den Unterlagen. Die Informationen, ob sich der Arzt den Dekubitus beispielsweise angesehen oder etwas verordnet hat, sind häufiger in der Pflegedokumentation vorhanden als in den Arztunterlagen.

Wenn ein Wundmanager hinzugezogen wird und dieser Verbandsmittel einsetzt, muss deren Verordnung vom Arzt verantwortet werden. In der Regel schließt sich der Arzt dem Rat des Wundmanagers an. Sind die Pflegepersonen mit den Anordnungen des Arztes jedoch nicht einverstanden, ist auch dies zu dokumentieren.

Mit einem Dekubitus sollte, wie erwähnt, „offen“ umgegangen werden. Der Patient, die Angehörigen und Betreuer müssen über den Dekubitus sowie die Wichtigkeit der Druckentlastung informiert werden. Keine leichte Aufgabe, da man dabei häufig Vorwürfen ausgesetzt ist. Aber auch die Hinweise, wie der Patient selbst zur Verbesserung beitragen kann, sind zu dokumentieren.

Patienteneigene Faktoren

Das Auftreten von Dekubiti kann als unvermeidbar eingeschätzt werden bei pflegerisch oder medizinisch notwendiger Prioritätensetzung (z.B. wenn akute, lebensbedrohliche Zustände im Vordergrund stehen), bei bestimmten Erkrankungen (z.B. wenn ein dementer Patient sich nicht an die Lagerungen hält) oder wenn sich der Patient trotz Information beispielsweise nicht lagern lässt oder sogar aggressiv darauf reagiert (DNQP 2017). Erst wenn alles Zumutbare getan wurde, um den Dekubitus zu verhindern und die Wunden dennoch auftraten, kann man darauf hoffen, dass eine Schuld abgewendet werden kann.

Erhebliche patienteneigene Faktoren verdeutlichen, dass die Entstehung eines Dekubitus möglicherweise nicht schuldhaft eingetreten ist. Lässt sich der Patient nicht lagern oder wehrt er sich vielleicht sogar gegen die Lagerung, so muss dies dokumentiert werden — z.B. „Pat. entlagert sich ständig“ oder „Pat. lässt sich nicht lagern/wehrt sich gegen die Lagerung“ oder „Bewohner schlägt nach der Pflegeperson bei Lagerungsversuchen“. Zur Dekubitusgefährdung tragen auch Durchfall, Inkontinenz oder ein hohes Körpergewicht seitens des Patienten bei. Durchblutungsstörungen in den Beinen können das Risiko für Fersendekubiti enorm erhöhen. Ist der Patient so schwer beweglich, dass er von zwei oder gar drei Pflegekräften gelagert werden muss, ist auch dies zu vermerken. Kontrakturen können Lagerungen ebenfalls erschweren. Ist die Haut pergamentartig verändert und so empfindlich, dass sie schon bei leichten Scherkräften einreißt, kann dies ebenfalls die Entstehung von Dekubiti oder Wunden fördern und ist entsprechend zu vermerken.

Gutachterliche und juristische Bewertung

Ein Dekubitus ist in der Regel vermeidbar, das Risiko ist aus der Sicht der Autoren jedoch nicht gänzlich beherrschbar. Dies wurde auch in einigen Gerichtsurteilen (z.B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.6.2004 — 15 U 160/03) so gesehen. Der Behandlungsverlauf wird im Nachhinein (ex post) analysiert, der Gutachter muss den Verlauf aber mit den Augen der Pflegenden/Ärzte (ex ante) zum Zeitpunkt der Geschehnisse beurteilen. Selbst wenn das therapeutische Team sehr gut gearbeitet hat, lassen sich immer Kritikpunkte finden. Am Ende kommt es auf die Bewertung der Situation an. Die Entscheidung des Gutachters im individuellen Fall ist schwer vorherzusehen, je nachdem, ob er beispielsweise eher theoretisch oder aus Sicht des Praktikers argumentiert, bei dem auch gelegentlich Dekubiti entstehen. Doch je besser dokumentiert ist, desto besser lässt sich der gesamte Pflegeprozess nachvollziehen.

Die Bewertung durch die Juristen ist ebenfalls schwer vorhersehbar. Es gibt beispielsweise Gerichtsurteile, die eine völlige Beherrschbarkeit des Dekubitusrisikos zugrunde legen. Ist eine juristische Auseinandersetzung absehbar, sollte man seinen Arbeitgeber informieren bzw. sich juristischen Beistand holen.