Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts endete eine fast fünfzig Jahre andauernde Dominanz zweier sich konträr gegenüberstehender politisch-systemischer Blöcke – die alte Struktur der Bipolarität löste sich auf. Was folgte, war eine kurze Zeit der Hoffnung, das westliche Modell liberal-demokratischer und marktwirtschaftlicher Prägung würde seinen Siegeszug fortführen und sukzessive die Welt demokratisieren. Manche äußerten gar die Hoffnung, die Geschichte der konkurrierenden Systeme könne enden.

Tatsächlich verbreiteten sich die marktwirtschaftlichen Prinzipien im Zuge der Globalisierung in einer rasanten Geschwindigkeit und führten zur Entstehung neuer Großmächte. Heute – über fünfundzwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – erscheint die weltpolitische Lage jedoch so kompliziert wie selten zuvor. Nicht nur der zunehmende Einfluss Chinas und Russlands, sondern auch die aktuellen Krisen innerhalb der Europäischen Union – man denke nur an den Brexit, die autoritären Tendenzen in vielen Ländern Europas sowie an die seit 2015 ungelöste Frage der Flüchtlings- und Migrationspolitik der EU – verschärfen die politische Gemengelage. Hinzu kommt, dass sich die EU seit dem Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump nicht mehr allein auf die USA als Schutzmacht und Stabilitätsgarant der internationalen Ordnung verlassen kann.

Wie wird also die Weltordnung im 21. Jahrhundert aussehen und wie multipolar wird sie sein? Dieser Frage nimmt sich das aktuelle Forum an.

Zunächst nähern sich Judith Renner und Alexander Spencer der Thematik auf theoretischer Ebene, indem sie post-strukturalistische Theorien der Internationalen Beziehungen heranziehen, um derzeit prägende Entwicklungen wie den Brexit oder einen erratisch agierenden US-Präsidenten nachzuvollziehen. Anschließend analysiert Klemens H. Fischer unter besonderer Berücksichtigung der politischen Systemperspektive die Voraussetzungen und Möglichkeiten für die EU als global agierende Macht aufzutreten. Bernhard Stahl widmet sich schließlich der Frage nach den geopolitischen Strategien der zentralen politischen Akteure im sich verändernden internationalen System.