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inseparabile nexu conjunctim – Ordnung der Welt in Brockes’ Irdischem Vergnügen in Gott

inseparabile nexu conjunctim – The Order of the World in Brockes’s Irdischem Vergnügen in Gott

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Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Brockes veröffentlicht den ersten Band seines Irdischen Vergnügens im Kontext extremer Spannungen in der Hamburger Gesellschaft, die zunehmend in verschiedene religiöse und politische Gruppierungen zu zerfallen droht. Auf diese Destabilisierung antwortet der frisch erkorene Ratsherr mit einer Poesie des neuen Sehens, die die grundlegende Harmonie der Welt in Gott sichtbar machen soll. Unter den medialen Bedingungen der Lyrik werden für alle Leser Sein und Schein, Wissen und Sehen, Vernunft und Sinne sowie Gott und Welt in ihrer Differenz und ihrem untrennbaren Zusammenschluss zugleich erfahrbar.

Abstract

Brockes publishes the first volume of his Irdisches Vergnügen in times of extreme political, social, and religious turmoil. His answer to the threat to harmonious social order is a new poetry of seeing. Driven by the medial specificity of lyric poetry, Being and Appearing, Knowing and Seeing, Reason and Senses as well as God and World can be experienced in their difference and, at the same time, their harmonious connection.

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Notes

  1. Der letzte Autor in der Reihe der frühen Aufklärer, Albrecht von Haller, veröffentlichte seine Gedichte erst Ende der 1730er Jahre.

  2. Wolfgang Preisendanz, »Naturwissenschaft als Provokation der Poesie: der Fall Brockes«, in: Sebastian Neumeister (Hrsg.), Frühaufklärung, München 1994, 469-494, hier: 474. Siehe ausführlich zum zeitgenössischen Ruhm des Autors auch Uwe-K. Ketelsen, Die Naturpoesie der norddeutschen Frühaufklärung. Poesie als Sprache der Versöhnung: alter Universalismus und neues Weltbild, Stuttgart 1974, 25 f., 31-42.

  3. Die wichtigsten Nachweise finden sich bei Ketelsen (Anm. 2), 26-28.

  4. Die beiden Stränge bestimmen letztlich unter den Schlagworten »Brockes als Denker« und »Brockes – ein Künstler?« seit Beginn der Forschung die Herangehensweisen an Brockes, siehe dazu die ausführliche Studie von Georg Guntermann, Barthold Heinrich Brockes’ ›Irdisches Vergnügen in Gott‹ und die Geschichte seiner Rezeption in der deutschen Germanistik. Zum Verhältnis von Methode und Gegenstand literaturwissenschaftlicher Forschung, Bonn 1980, Zitate als Kapitelüberschriften 95 und 188. An Interesse verloren hat hingegen die Interpretation von Brockes als frühbürgerlichem (oder gar nationalem) Autoren, siehe Guntermann, 44-94 und Ketelsen (Anm. 2), 37-42.

  5. Die beiden Monografien, die den Zusammenhang zwischen der Physikotheologie und Brockes zuerst nachgewiesen haben, sind Wolfgang Philipp, Das Werden der Aufklärung in theologiegeschichtlicher Sicht, Göttingen 1957 und Ketelsen (Anm. 2). Zur neueren Forschung siehe Carsten Zelle, »Das Erhabene in der deutschen Frühaufklärung. Zum Einfluß der englischen Physikotheologie auf Barthold Heinrich Brockes’ Irdisches Vergnügen in Gott«, Arcadia 25 (1990), 225-240; Hans-Georg Kemper, Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. Bd. 5/II: Frühaufklärung, Tübingen 1991, 47-61; Wolfgang Preisendanz (Anm. 2); Uwe Spörl, »Berge, Meer und Sterne als Erhabenes in der Literatur? Eine Untersuchung zur Poetik der Frühaufklärung und der ›poetischen Malerei‹ Brockes’«, Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 73 (1999), 228-265, v.a. 237-240. Siehe zur deutschsprachigen Tradition der Physikotheologie bis weit über die Mitte des 18. Jahrhunderts auch Sara Stebbins, Maxima in minimis. Zum Empirie- und Autoritätsverständnis in der physikotheologischen Literatur der Frühaufklärung, Frankfurt a.M., Bern, Cirencester 1980. Gegen das physikotheologische Argument macht insbesondere Hans-Georg Kemper, Gottebenbildlichkeit und Naturnachahmung im Säkularisierungsprozeß: Problemgeschichtliche Studien zur deutschen Lyrik in Barock und Aufklärung, 2 Bde., Tübingen 1981, I, 310-360 den Hermetismus als ideengeschichtlichen Zentralpunkt der Brockes’schen Dichtung stark.

  6. Peter-André Alt, Begriffsbilder. Studien zur literarischen Allegorie zwischen Opitz und Schiller, Tübingen 1995, 468-486, explizit 470; Ketelsen (Anm. 2), 156-160; Barthold Heinrich Brockes, Irdisches Vergnügen in Gott: Naturlyrik und Lehrdichtung, hrsg. Hans-Georg Kemper, Stuttgart 1999, 18 f.; zum starken rhetorischen Erbe bei Brockes auch Lothar van Laak, »Schönheit und Bedeutung bei Johann Christian Günther und Barthold Heinrich Brockes«, in: Frauke Berndt, Daniel Fulda (Hrsg.), Die Sachen der Aufklärung. Beiträge zur DGEJ-Jahrestagung 2010 in Halle a.d Saale, Hamburg 2012, 224-232.

  7. So vor allem Martina Wagner-Egelhaaf, »Gott und die Welt im Perspektiv des Poeten. Zur Medialität der literarischen Wahrnehmung am Beispiel Barthold Hinrich Brockes’«, Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 71 (1997), 183-216; siehe auch Jörg Kreienbrock, »›Merk’s! Merk’s!‹ Aufmerksamkeit als Medium experimenteller Wahrnehmung bei Barthold Heinrich Brockes«, in: Michael Gamper, Martina Wernli, Jörg Zimmer (Hrsg.), »Es ist nun einmal zum Versuch gekommen«. Experiment und Literatur I: 1580-1790, Göttingen 2009, 240-254; knapp auch Preisendanz (Anm. 2).

  8. Schon Ketelsen stellt in seiner umfangreichen Untersuchung zur Hamburger Naturlyrik fest, Brockes gehe »andeutungsweise« über die allgemeine physikotheologische Argumentation hinaus, verfolgt diesen Gedanken aber nicht weiter, Ketelsen (Anm. 2), 140.

  9. Eine Anmerkung zur Zitierweise von Brockes’ Werken: Vor wenigen Jahren begann die Veröffentlichung der ersten kritischen Ausgabe, Barthold Heinrich Brockes, Werke, hrsg. Jürgen Rathje, Göttingen 2012 ff. Bisher erschienen sind Bd. I: Selbstbiographie. Verdeutschter Bethlehemitischer Kinder-Mord. Gelegenheitsgedichte. Aufsätze, 2012, Bd. II.1 und II.2: Irdisches Vergnügen in Gott. Erster und Zweiter Teil, 2013 und Bd. II: Irdisches Vergnügen in Gott. Dritter und Vierter Teil, 2014. Im Folgenden wird, wo möglich, aus dieser Ausgabe mit Angabe von Band, Seite und bei Gedichten Zeilennummer in Klammern im Text zitiert. Wenn nicht bereits im Fließtext erwähnt, enthält der Verweis auch den Gedichttitel.

  10. Leider beschränkt sich Brockes’ Reflexion auf die Mehrwerte der eigenen Lyrik gegenüber anderen Erkenntnis- und Kommunikationsformen auf diese Erwähnung einer bestimmten, nicht näher bezeichneten Wahl der Schreibart. Doch allein der Hinweis, dass eine von mehreren möglichen Kommunikationsformen ›erwehlt‹ wurde, lässt erkennen, dass Brockes intentional aus verschiedenen Möglichkeiten diejenige benutzte, die er am besten dazu geeignet fand, sein Projekt zu vermitteln.

  11. Wie ertragreich eine solche historische Kontextualisierung ist, betont schon Ernst Fischer in zwei Aufsätzen zu Brockes, »Patrioten und Ketzermacher. Zum Verhältnis von Aufklärung und lutherischer Orthodoxie in Hamburg am Beginn des 18. Jahrhunderts«, in: Wolfgang Frühwald, Alberto Martino (Hrsg.), Zwischen Aufklärung und Restauration. Sozialer Wandel in der deutschen Literatur (1700-1848). Festschrift für Wolfgang Martens zum 65. Geburtstag, Tübingen 1989, 17-47 und »Brockes’ didaktische Poesie als Medium der Orthodoxiekritik, oder: Ursprünge der Aufklärung in Deutschland«, in: Norbert Bachleitner, Alfred Noe, Hans-Gert Roloff (Hrsg.), Beiträge zu Komparatistik und Sozialgeschichte der Literatur. Festschrift für Alberto Martino, Amsterdam, Atlanta 1997, 657-681. Fischer sieht den Kontext jedoch in der vernünftigen Kritik an der Propaganda der Orthodoxie und unterschlägt dabei die Bedeutung der Sinnlichkeit und Ästhetik.

  12. Da ich mich für die spezifische historische Konstellation interessiere, in der Brockes sein Werk begann, konzentrieren sich die folgenden Untersuchungen weitgehend auf den ersten Band des Irdischen Vergnügens, erstmals erschienen 1721, Barthold Heinrich Brockes, Herrn B.H. Brockes, Lti, R. H. S. Irdisches Vergnügen in GOTT bestehend in verschiedenen aus der Natur und Sitten-Lehre hergenommenen Gedichten, nebst einem Anhange etlicher hieher gehörigen Uebersetzungen von des Hrn. de la Motte Französis. Fabeln, mit Genehmhaltung des Herrn Verfassers nebst einer Vorrede herausgegeben von C.F. Weichmann, Hamburg 1721, in einer stark erweiterten Neuauflage dann 1724, Barthold Heinrich Brockes, Herrn B. H. Brockes, Rahts-Herrn der Stadt Hamburg, Irdisches Vergnügen in GOTT, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten, nebst einem Anhange etlicher übersetzten Fabeln des Herrn de la Motte Zweite, durchgehends verbesserte, und über die Hälfte vermehrte Auflage, mit einer gedoppelten Vorrede von Weichmann, Hamburg 1724. Die Version von 1724 stellte den Text für sämtliche weiteren Auflagen. Die Bände der kritischen Ausgabe (Anm. 9) basieren auf der weitgehend identischen Auflage von 1744.

  13. Christian Friedrich Weichmann, »Vorrede zum ersten Druck«, in: Brockes 1724 (Anm. 12), Ar – Cv, hier: Cv. Rathjes verdienstvolle kritische Ausgabe druckt Weichmanns Vorreden leider nicht ab.

  14. Zu Brockes’ Politik siehe Jürgen Klein, »Barthold Heinrich Brockes als Politiker«, in: Hans-Dieter Loose (Hrsg.), Barthold Heinrich Brockes (1680-1747). Dichter und Ratsherr zu Hamburg. Neue Forschungen zu Persönlichkeit und Wirkung, Hamburg 1980, 11-43, der zu Recht betont, dass es angesichts von Brockes’ Selbstaussagen zur Besserung seiner Mitbürger »geradezu verwundern« (12) muss, wenn Brockes bisher weitgehend »apolitisch« (12) wahrgenommen wurde. Kleins Aufsatz erschöpft sich leider weitgehend in einer Nacherzählung der diversen politischen Stationen des Hamburger Patriziers und sieht sein Hauptverdienst in einer »gesellschaftskritische[n] Haltung« (43) des Bürgers gegen den Adel.

  15. Siehe zu dieser Episode Franklin Kopitzsch, »Zwischen Hauptrezeß und Franzosenzeit: 1712-1806«, in: Hans-Dieter Loose (Hrsg.), Hamburg: Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. Bd. I: Von den Anfängen bis zur Reichsgründung, Hamburg 1982, 351-414, hier: 355. Siehe auch Klein (Anm. 14), 31 f.

  16. Zum Folgenden neben Kopitzsch (Anm. 15) auch Hans-Dieter Loose, »Das Zeitalter der Bürgerunruhen und der großen europäischen Kriege: 1618-1712«, in: Loose (Hrsg.) (Anm. 15), 259-350, v.a. 274-287, zu den religiösen Spannungen auch 335-337.

  17. Die soziale Kohärenz war eigentlich relativ hoch, die Einbindung des Einzelnen in das Hamburger Ganze umfasste eine sehr breite Schicht der Bevölkerung. Wenn im 17. Jahrhundert auch nur 15-20% der Einwohner als Männer lutherischen Glaubens das Bürgerrecht hatten, waren durch Familienverbindungen »70 bis 80% der Bevölkerung in den bürgerlichen Nexus« eingebunden. Am Ende des 17. Jahrhunderts stellten bürgerliche Ober- und Mittelschicht circa 70% der Einwohner, nur knapp 30% waren Angehörige der Unterschicht ohne Bürgerrechte, d.h. ohne Mitspracherecht in Ratswahlen und ohne Teilnahme in den Kollegien und Bürgerausschüssen, in denen Stadtpolitik betrieben wurde, Loose (Anm. 16), 266-268.

  18. Unwiderrufliches Fundamental-Gesetz, Regimentsform oder Haupt-Rezeß der Stadt Hamburg ... Mit einer Einleitung hrsg. Ludwig von Heß, Hamburg 1781, 3 f., zitiert nach Loose (Anm. 16), 286, kursiv von mir.

  19. Brockes hatte wenige Jahre zuvor in einem Gedicht die Geburt des Kaisersohnes richtig vorhergesagt und sich damit eine Ruf weit über Hamburg hinaus erschrieben, ein Verdienst, auf das er während der Reise explizit verweist, siehe Klein (Anm. 14), 32 f.

  20. Siehe zum Zusammenhang von Wut und Unsinnigkeit bzw. Vernunftlosigkeit Art. »Wut, Wuth, lat. Saevitia,« in: Johann Heinrich Zedler (Hrsg.), Grosses vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, 64 Bde. und 4 Supplementbde, Halle und Leipzig 1732-1754, LX, Sp. 500.

  21. Johannes Burkhardt, Vollendung und Neuorientierung des frühmodernen Reiches, 1648-1763 (= Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 11, Zehnte, völlig neu bearbeitete Auflage), Stuttgart 2006, 216-219. Siehe zur langen Tradition der »Logiken der Verkörperung« Albrecht Koschorke, Susanne Lüdemann, Thomas Frank, Ethel Matala de Mazza, Der fiktive Staat. Konstruktionen des politischen Körpers in der Geschichte Europas, Frankfurt a.M. 2007, 55-102. Zum Staatskörper der frühen Neuzeit auch ebd., 106-119.

  22. Brockes selbst beherrschte die Topoi und Tropen dieser Verkörperungen, wie sein Widmungsgedicht des Bethlehemitischen Kindermordes an Kaiser Karl VI., »Lob- und Zueignungs-Schrift, an den Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten, Unüberwindlichsten Fürsten und Herrn, Herrn Carl den Sechsten«, zeigt. Der Text konstruiert Episoden, in denen der Kaiser bei einer Schifffahrt als einziger Reisender den Stürmen tapfer trotzt oder in einer Schlacht zugleich befiehlt, kämpft, sich um Verwundete kümmert und Soldaten anspornt, I, 45-57, bes. 49 ff. Das sind natürlich unrealistische Behauptungen, doch zugleich Handlungen, die der einen Person des Herrschers im Prinzip möglich waren.

  23. Im Gedicht auf das Petri-Mahl des folgenden Jahres, »Das entzieferte Verhängniß, als Ein Hoch-Edler, Hoch-Weiser Rath der Stadt Hamburg das gewöhnliche Petri-Mahl am 21 und 24 Febr. im Jahre 1710 glücklich feyerte, abgesungen«, treibt Brockes diese Frage nach den Zeichen sogar noch einen Schritt weiter, wenn er eine Szenerie entwirft, in der die zurückweichenden Elbfluten einen mysteriösen »schroffe[n] Fels« (I, 232, Z. 2) freilegen, auf dem »eine Schrift von Bildern, Ziefern, Zügen« (Z. 12) zu sehen ist, die den Anwesenden erst einmal unverständlich bleibt und erst, wie der Gedichttitel formuliert, »entziefert« werden muss, um dann die Harmonie und Wohlfahrt Hamburgs zu repräsentieren.

  24. Wolfhart Pannenberg, Art. »Analogie«. Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957 ff., I (1957), 350-353. Zum Einfluss der mittelalterlichen Scholastik auf die lutherische Orthodoxie ebd., 352. Siehe zum Folgenden auch Walter Haug, »Gotteserfahrung bei Nicolaus Cusanus. Dargestellt aus der Perspektive der Analogieformel von der unähnlichen Ähnlichkeit«, in: Walter Haug, Positivierung von Negativität. Letzte kleine Schriften, hrsg. Ulrich Barton, Tübingen 2008, 371-395. Zur Verwendung des Konzepts in der Kunstphilosophie Johannes Endres, »Unähnliche Ähnlichkeit. Zu Analogie, Metapher und Verwandtschaft«, in: Martin Gaier, Jeanette Kohl, Alberto Saviello (Hrsg.), Similitudo: Konzepte der Ähnlichkeit in Mittelalter und Früher Neuzeit, München 2012, 27-56.

  25. Siehe zu Gott im Hinblick auf Einheit und Differenz auch Niklas Luhmann, »Notes on the Project ›Poetry and Social Theory‹«, Theory, Culture & Society 18 (2001), 15-27, hier: 18 f.; siehe auch die diversen Einträge zu ›Gott‹ in: Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2 Bde., Frankfurt a.M. 1997. Eine knappe Untersuchung von Brockes unter dem Aspekt der Einheit der Welt mit systemtheoretischen Werkzeugen bietet Torsten Hahn, »Kontingenz/Ordnung«, in: Niels Werber (Hrsg.), Systemtheoretische Literaturwissenschaft. Begriffe – Methoden – Anwendungen, Berlin, New York 2011, 233-246, v.a. 240-243. Hahn argumentiert allerdings, Brockes »kopier[e] […] den Einheitsentwurf der Religion« (242) und erreiche keinen eigenständigen Beitrag der Kunst, was den Verschiebungen zwischen Kopie und Original, Sehen und Glauben nicht gerecht wird.

  26. Apg 9, 8‑9: »Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht.« Zitiert aus Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1999, 146. Zur Unkommunizierbarkeit der Erfahrung siehe Haug (Anm. 24), 372 f.

  27. 1 Kor 13, 12, zitiert nach Die Bibel (Anm. 26), 200. Zu den diversen Spannungen rund um eine Semiotik, die es sich zur Aufgabe macht, eine unüberbrückbare Differenz zu überwinden, und die dabei den Seins- und Scheincharakter der Zeichen und Symbole konturiert, siehe Haug (Anm. 24), 376 ff. Wie wichtig Spiegelungseffekte für Brockes waren, zeichnet Wagner-Egelhaaf (Anm. 7) nach, leider jedoch ohne Rückgriff auf die theologischen Traditionen, sodass sie zu dem Ergebnis kommt, die Spiegelungen schöben »den semantischen Sprung in die theologische Bedeutung möglichst lange hinaus«, 197.

  28. Haug (Anm. 24), 376 f.

  29. Ebd., 380.

  30. »51. Stück«, in: Der Patriot, nach der Originalausgabe 1724-1726 in drei Textbänden und einem Kommentarband kritisch hrsg. Wolfgang Martens, Berlin 1969-1984, Bd. I, 1969, 427-434, Zitate 427 u. 428, kursiv von mir. Der Preis für Heraeus wird durch das Lob des »vornehme[n] Rahts-Verwandte[n] dieser Stadt« ergänzt, der »in seinen Geist- und Sinn-reichen Schrifften auffs erbaulichste von der unendlichen Grösse GOttes« handelt, also ein Lob Brockes’ und seines Irdischen Vergnügens in Gott, ebd. 428. Man bemerke, dass die Hamburger Moralische Wochenschrift mit dieser Verbindung von Brockes und Heraeus Luthertum und Katholizismus kurzschließt!

  31. Es ist vielleicht kein Zufall, dass das gewichtige Paulus-Wort vom dunklen Sehen im Spiegel, das für ein Verständnis von Brockes’ Projekt so wichtig ist, sich in einem Brief findet, der damit beginnt, die sozialen Spaltungen der korinthischen Gesellschaft zu verurteilen, 1 Kor 1, 10-12, zitiert nach Die Bibel (Anm. 26), 189 (kursiv von mir): »Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle mit einer Stimme redet und lasst keine Spaltungen unter euch sein, sondern haltet aneinander fest in einem Sinn und in einer Meinung. Denn es ist mir bekannt geworden über euch, liebe Brüder, durch die Leute der Chloë, dass Streit unter euch ist. Ich meine aber dies, dass unter euch der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere: Ich zu Apollos, der Dritte: Ich zu Kephas, der Vierte: Ich zu Christus.«

  32. Haug (Anm. 24), 376.

  33. Siehe die Forschungsliteratur in Anm. 6.

  34. William Derham, William Derhams, Canonici in Windsor, Rectorn zu Upminster in Essex, und Mitgliedes der Königl. Englischen Gesellschaft, ASTROTHEOLOGIE, Oder Himmlisches Vergnügen in GOTT, Bey aufmercksamen Anschauen des Himmels, und genauerer Betrachtung der Himmlischen Cörper, Zum augenscheinlichen Beweiß Daß ein GOTT, und derselbige ein Allergütigstes, Allweises, Allmächtiges Wesen sey. Aus der fünfften vollständigeren Engl. Ausgabe in die Deutsche Sprache übersetzet, und mit einer Nachricht von den Scribenten, die durch Betrachtung der Natur die Menschen zu GOtt zuführen bemühet sind, vermehret von Jo. Alberto Fabricio, Hamburg 1728, 213 f., kursiv von mir.

  35. Das ist die Argumentationsstruktur der Astrotheologie. Siehe auch Spörl (Anm. 5), 238 f.

  36. Zu dieser Kategorie des Utilitarismus gehören sämtliche Beschreibungen von ›Nutzen und Gebrauch‹ der Flora und Fauna durch den Menschen, so zum Beispiel William Derham, William Derhams, Canonici in Windsor, Rectorn zu Upminster in Essex, und Mitgliedes der Königl. Englischen Gesellschaft, PHYSICOTHEOLOGIE, Oder Natur-Leitung zu GOTT, Durch aufmercksame Betrachtung der Erd-Kugel, und der darauf sich befindenden Creaturen, Zum augenscheinlichen Beweiß, Das ein GOtt, und derselbige ein Allergütigstes, Allweises, Allmächtigstes Wesen sey. In die deutsche Sprache übersetzet von C.L.W. jetzo aber nach der siebenden Englischen Ausgabe mit Fleiß von neuem übersehen, und nebst einer Aufmunterung des Herrn Carol Rollins, die Jugend bey Zeiten zur Liebe ihres Schöpffers durch Betrachtung der Creaturen anzuführen, zum Druck befordert von Jo. Alberto Fabriciu, D. und Prof. Publ. des Gymnasii zu Hamburg, Hamburg 1730, 988-991 zu den Pflanzen; zu den Nachweisen des Nutzens der an sich ›hässlichen‹ Alpen für das Klima Italiens Zelle (Anm. 5), 233.

  37. Preisendanz (Anm. 2), 281.

  38. Ebenfalls schon seit dem Mittelalter wusste man, dass dieser Sprung dann eher möglich ist, wenn man zuerst die »ontologische[] Stufung« von Materie zu Geist durchschreitet, Haug (Anm. 24), 379.

  39. Die Auffassung, dass die Gotteserfahrung der Reflexion letztlich auch ohne die sinnlich beschreibende Naturerfahrung stattfinden könnte, kennzeichnet die Forschung der letzten Jahrzehnte. Um nur eine kleine Auswahl aus der jüngeren Forschung zu präsentieren, siehe Zelle (Anm. 5), 233 ff.; Spörl (Anm. 5), 259 f.; Wagner-Egelhaaf (Anm. 7), 197. Dort jeweils auch Verweise auf die ältere Literatur.

  40. Schon Ketelsen (Anm. 2), 147, stellt fest, dass »das Poetische eine Funktion gegenüber dem Inhalt« gewinnt, doch erstens scheint er unter dem Poetischen weitgehend die »Reizung durch die sinnliche Erfahrung« zu verstehen und zweitens interpretiert er die Funktion vor allem im Hinblick darauf, dass das Poetische die Kluft zwischen Naturerkenntnis und Gotteserfahrung »leicht überspielt,« und nicht, wie ich zeigen möchte, einen wesentlichen Beitrag zur Möglichkeit dieser Überwindung leistet.

  41. Siehe zu Brockes’ »ambivalente[r] Einstellung« zur ratio in den Debatten zwischen Deismus und Pantheismus auch Kemper (Anm. 5, Deutsche Lyrik), 74.

  42. Brockes konfrontiert also genau jenes Problem des Gotteskonzepts, auf das auch Luhmann (Anm. 25, Gesellschaft der Gesellschaft, Bd. 1), 418, verweist: »Aber diese Erklärung befriedigt nur, wenn man an sie glaubt.«

  43. Dieses Argument ist selbst wiederum traditionsgebunden, das ändert aber die Feststellung nicht, dass Brockes es zur Insistenz auf die Gegenwärtigkeit der Beobachtung benutzt. Siehe zur Tradition des »argument from light« in Brockes’ Gedichten Holger Steinmann, Absehen – Wissen – Glauben. Physikotheologie und Rhetorik 1665-1747, Berlin 2008, 151-188.

  44. Auf die Bedeutung der ›Betrachtung‹ bei Brockes verweist schon Karl Richter, »Teleskop und Mikroskop in Brockes’ Irdischem Vergnügen in Gott«, in: Peter-André Alt, Alexander Kosenina, Hartmut Reinhardt, Wolfgang Riedel (Hrsg.), Prägnanter Moment. Studien zur deutschen Literatur der Aufklärung und Klassik. Festschrift für Hans-Jürgen Schings, Würzburg 2002, 3‑17, hier: 11, er legt den Schwerpunkt aber auf die an »die sinnliche Beobachtung […] angeschlossene Reflexion«, ohne dafür allerdings Gründe anzugeben. Grimms Deutsches Wörterbuch betont dagegen den engen Zusammenhang zwischen Sehen und Denken: »beschauen ist inniger als besehen, und betrachten nachdenklicher als beschauen.« Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 16 Bde. in 32 Teilbänden, Leipzig: Hirzel, 1854-1961, Bd. 1, Sp. 1706.

  45. Wenn auch die Vorreden meistens darauf beharren, ein Werk für alle Leser zu schreiben, werden doch an einigen Stellen die unausgesprochenen Beschränkungen des Publikums auf die gelehrte Welt sichtbar. So schreibt Fabricius zum Beispiel in seiner Übersetzung von Derhams Physikotheologie von der nützlichen Einteilung der Menschen in Tätigkeiten nach ihren Neigungen und liefert eine lange Liste von möglichen »Handthierung[en]«, die erst ganz am Ende die nicht-gelehrten oder nicht in Führungspositionen stehenden Menschen abhandelt: »Etliche haben ihre Lust am Studiren und an Büchern: Etliche zur Theologie, andere zu Medicin, zur Anatomie, zur Botanic, etliche zu Critischen Studiis und Sprachen, etliche zur Mathematic, etliche zur Metaphysic, und zu tieffsinnigen Untersuchungen und Grübeln. Andere hingegen haben ihr Wohlgefallen vornemlich an der Mechanic, an der Bau-Kunst, am Kriege, an der Schiffarth, an Handel und Wandel, an Feld-Bau: Und anderer ihre Inclinationen versteiget so gar sich unter den Menschen nicht weiter als auf Knechtische Verrichtungen: und hundert andere dergleichen Dinge mehr.« Derham (Anm. 36), 742-743, kursiv von mir.

  46. Das frühe physikotheologische Werk des halleschen Gelehrten Johann Georg Hoffmann ist zum Beispiel ähnlich wie ein Katechismus aufgebaut, sodass nicht nur die Antworten, sondern sogar die Fragen vorgegeben werden und der Leser/Zuhörer unter der strengen Aufsicht des Vortragenden steht. Dem Text steht eine »Vor-Erinnerung vom Rechten Gebrauch dieses Büchleins« voran, die sich direkt an den »docens« wendet, und ihm unter anderem die Zügelung der Begierden seines Publikums nahelegt: »Und/wenn sich/wie bey jungen Gemüthern leicht geschiehet/eine unmäßige Begierde hervor thun/und sie die Physic höher als die H. Schrift halten wollten/so muß solche möglichst/doch weißlich/bey ihnen verhütet und gedämpfet werden.« Johann Georg Hoffmann, Kurtze Fragen Von denen Natürl. Dingen, Oder Geschöpffen und Wercken GOttes/Welche GOtt als Zeugen seiner Liebe/Allmacht/Majestät und Herrlichkeit den Menschen vor Augen gestellet, Zum Lob und Preiß des grossen Schöpffers/Und zum Dienst der Einfältigen, sonderlich der kleinen Schul-Jugend, aufgesetzt. Samt einer Vorrede Johann Daniel Herrnschmids/Von den rechten Gräntzen der natürlichen Philosophie, Halle 1720, o.S.

  47. Eine ausführlichere Behandlung der Rolle von Poesie im höfischen Zeremoniell sowie des Übergangs von Repräsentation zu Teilnahme bei Canitz und König bietet Kapitel 1 meiner Dissertation, »Die neue Art zu dichten«. Poetische Kommunikation zwischen Barock und Romantik, University of Chicago 2013. Siehe zur zeitgenössischen Festkultur in Hamburg und einer Diskussion der physikotheologischen, poetischen, musikologischen und philologischen Arbeit, die in eine solche zeremonielle Darstellung der weltlichen und religiösen Ordnung eingehen musste, den detaillierten Aufsatz von Ralph Häfner, »Philologische Festkultur in Hamburg im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts: Fabricius, Brockes, Telemann«, in: Ralph Häfner (Hrsg.), Philologie und Erkenntnis: Beiträge zu Begriff und Problem frühneuzeitlicher >Philologie<, Tübingen 2001, 349-378. Häfners Untersuchung ist ein wichtiger Hinweis darauf, wie eng der Zusammenhang von Brockes’ Werk mit den traditionellen Strategien der Ordnungsrepräsentation bei allen Unterschieden doch blieb, sie erinnert aber auch daran, wie anders – nämlich populistischer, sinnlicher, und inklusiver – das Irdische Vergnügen operierte.

  48. Weichmann (Anm. 13), A2rff. beschreibt Brockes als den perfekten Poeten: Er ist äußerst gelehrt, beherrscht mehrere Fremdsprachen, hat »eine lebhafte Erfindungs- und Einbildungs-Kraft,« ist mit »gehöriger Gedult und reifem Verstande« versehen und ist darüber hinaus »mit zeitlichen Gütern […] so reichlich gesegnet, daß er um des Gewinnstes Willen die Poesie weder treiben noch zurücksetzen« muss.

  49. Ebd., A5rf.

  50. Christian Friedrich Weichmann, »Vorrede zu dieser neuen Auflage«, in: Brockes 1724 (Anm. 12) o.S.

  51. Das Publikum von Brockes’ Poesie scheint sich denn auch in ungewöhnlichem Maß aus den unteren Gesellschaftsschichten gespeist zu haben, siehe Carsten Zelle, »Angenehmes Grauen«. Literaturhistorische Beiträge zur Ästhetik des Schrecklichen im achtzehnten Jahrhundert, Hamburg 1987, 216 f.; Ketelsen (Anm. 2), 25.

  52. Den Gründen für die Umarbeitung nachzugehen ist sicher müßig, doch es bieten sich zwei Erklärungen dafür an, warum die zweite Auflage von 1724 eine so deutlich andere Version als die Auflage von 1721 druckte. Entweder war das ursprüngliche Gedicht zu einem früheren Zeitpunkt entstanden, als die Intention des neuen Werkes noch nicht völlig durchdacht war. Oder in den drei Jahren seit Erscheinen der ersten Auflage hatte sich herausgestellt, dass das Einleitungsgedicht eine deutlichere Leseanweisung für eine Poesie geben musste, die so Vertrautes und doch so Neues zu präsentieren versuchte. Wie dem auch sei, die Version der zweiten Auflage wird in allen übrigen Auflagen beibehalten und stimmt so gut überein mit den übrigen hier angestellten Beobachtungen und Überlegungen, dass eine Umarbeitung zum Zweck der Klarifikation äußerst wahrscheinlich ist.

  53. Das Gedicht ist in seiner gesamten Länge nicht in der neuen Werkausgabe enthalten und wird hier gedruckt nach Brockes 1721 (Anm. 12), 2. Siehe auch die Erläuterungen und Lesarten, II.2, 888.

  54. Man kann die Zeile »Wenn Ihr nur wollt/Euch könn ein Himmel werden!« sowohl konditional als auch temporal verstehen. In beiden Fällen bezeichnet das ›Wenn‹ eine Vorgängigkeit, sei es logisch oder zeitlich.

  55. Übrigens ändert sich auch der Untertitel des ersten Bandes von »aus der Natur und Sitten-Lehre hergenommen« zu »Physicalisch- und Moralischen Gedichten«, eine weitere Verschiebung der Intention weg vom Verweis auf die wissenschaftlichen Gegenstände der ›Lehre‹ hin zum Inhalt bzw. Effekt der vorliegenden Texte, für deren Verständnis man der Wissenschaften nicht bedarf.

  56. Zur orthodoxen Theologie einführend Justo L. Gonzales, A History of Christian Thought. Revised Edition. Vol III: From the Protestant Reformation to the Twentieth Century, Nashville 1975, 1987, 261-265. Siehe auch Hans-Georg Kemper, Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. Bd. IV/1: Barock-Humanismus: Krisen-Dichtung, Tübingen 2006, 353 f. Zum Naturverständnis der orthodoxen Theologie auch Ketelsen (Anm. 2), 54-84.

  57. Über Johann Christoph Wolf, den Pastor von St. Katharinen in Hamburg zwischen 1716 und 1739, schreibt zum Beispiel die Allgemeine Deutsche Biographie: »Mit diesen geistlichen Aemtern war keine Seelsorge verbunden; namentlich das Amt eines Pastoren gestattete (und damals noch mehr als jetzt) seinem Inhaber, sich eingehend mit wissenschaftlichen Arbeiten zu befassen, und W. sah hierin den besondern Vortheil dieser Stellung, in welcher er bis zu seinem am 25. Juli 1739 erfolgenden Tode verblieb,« Carl Bertheau, »Wolf, Johann Christoph,« Allgemeine Deutsche Biographie (1898), 545-548 [Onlinefassung; URL: https://www.deutsche-biographie.de/gnd117444790.html#adbcontent, zuletzt abgerufen 22. August 2016] Man kann sich vorstellen, wie die Predigten eines Gelehrten formuliert waren, der ›den besondern Vorteil‹ des Amtes darin sah, viel Zeit für eigene gelehrte Forschungen zu haben. Ich will damit keineswegs behaupten, dass die Predigten dieser Pastoren nicht erfolgreich waren, im Gegenteil, es gelang ihnen, wie gezeigt, große Teile der Bevölkerung für die Sache der Orthodoxie zu radikalisieren. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Funktion ihrer Predigten nicht im Nachvollzug, sondern ausschließlich in der Belehrung und emotional-rhetorischen Effektivität zu suchen ist. Siehe zur orthodoxen Homiletik und Predigtpraxis auch Werner Schütz, Geschichte der christlichen Predigt, Berlin, New York 1972, 117-129.

  58. Weder die Geschichte des Pietismus noch Brockes’ Verhältnis zu Orthodoxie und Pietismus können hier ausführlich behandelt werden. Siehe zur Geschichte Martin Brecht (Hrsg.), Geschichte des Pietismus. Bd. 1: Der Pietismus vom siebzehnten bis zum frühen achtzehnten Jahrhundert, Göttingen 1993. Die Nähe von Brockes zu einigen allgemeinen kirchenreformerischen Bewegungen der Individualisierung und Erbauung wurde in der Forschung mehrfach erwähnt, siehe z.B. Ketelsen (Anm. 2), 86 und die Aufsätze von Fischer (Anm. 11). Die pietistischen Lieder als Einfluss auf Brockes arbeitet auf Grant Henley, »›Das mir recht in die Seele strahlte.‹ Aspects of a Pietist Poesie in B.H. Brockes’s Irdisches Vergnügen in Gott«, Monatshefte 103 (2010), 1‑22. Zum für Brockes interessanten Verhältnis von Kunstmusik und pietistischen Liedern siehe Rainer Bayreuther, »Pietismus, Orthodoxie, pietistisches Lied und Kunstmusik. Eine Verhältnisbestimmung«, in: Wolfgang Miersemann, Gudrun Busch (Hrsg.), Pietismus und Liedkultur, Tübingen 2002, 129-141.

  59. Zur Pädagogik Franckes in Halle, die darauf abzielt, schon Kinder zum rechten Gebrauch der Schritte zur Gotteserfahrung zu führen, siehe Brecht (Anm. 58), 490-496.

  60. Siehe zu dieser ›Sprache des Herzens‹ im Zusammenhang mit der Tradition sinnlicher Gotteserfahrung Burkhard Dohm, Poetische Alchemie. Öffnung zur Sinnlichkeit in der Hohelied- und Bibeldichtung von der protestantischen Barockmystik bis zum Pietismus, Tübingen 2000, 281-293.

  61. Siehe z.B. 55. Stück, Patriot II (Anm. 30), 16-25.

  62. Kemper (Anm. 5, Deutsche Lyrik), 72 f.

  63. In der ersten Auflage von 1721 sind es nur 7 Psalmenzitate.

  64. Der bereits erwähnte Hoffmann (Anm. 46) verwendet in seinen Kurtzen Fragen von 1720 17 Psalmenzitate, die 1735 erschienene Chinotheologia von Balthasar Heinrich Heinsius bringt es auf 14 Zitate. Nur auf die Schöpfungsgeschichte im 1. Buch Moses bezieht sich die Physikotheologie in ähnlicher Häufigkeit, siehe Stebbins (Anm. 5), 92-99. Die Zahlen sind ebenfalls ihrem Buch entnommen, 237 f.

  65. Psalm 104 wird in der ersten Auflage drei-, in der zweiten fünfmal zitiert. Die Zahlen für Sirach gelten für beide Auflagen.

  66. Die zweite Auflage des ersten Bandes stellt der Nachdichtung einen Text hintan, der noch einmal die epistemologischen Perspektiven der Einleitungsgedichte aufgreift, den Rahmen also zusätzlich rahmt. Im Anschluss an diese Texte werden nur noch Übersetzungen von Gedichten gedruckt, die thematisch nichts mehr mit dem irdischen Vergnügen in Gott zu tun haben.

  67. So beginnt und endet der Psalm mit einem Gesang auf den persönlichen Bezug von Gläubigem und Gott: »Lobe den HERRN, meine Seele! HERR, mein Gott, du bist sehr herrlich. […] Ich will dem HERRN singen mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin. Mein Reden möge ihm wohlgefallen. Ich freue mich des HERRN.« Ps. 104, 1 und 33 f., zitiert aus Die Bibel (Anm. 26), 602 f.

  68. In einer Passage, die an die Formulierung des Hamburger Hauptrezesses erinnert, wird die Bedeutung aller Dinge in der Welt betont: »Wie lieblich sind alle Seine Werke, wiewol man kaum ein Fünklein davon erkennen kann. Es lebet alles und bleibet für und für, und wozu Er ihrer bedarf, sind sie alle gehorsam. Es ist immer zwey gegen zwey, und eins gegen eins, und was er macht, daran ist kein Fehl. Und hat ein jegliches geordnet, wozu es sonderlich nütz seyn soll.« Sir. 42, 23-26, zitiert nach den Fußnoten bei Barthold Heinrich Brockes, »Das 43ste Capitel, aus dem Buche Jesus Sirach, in Reime gesetzt« in: Brockes 1724 (Anm. 12), 493-502, hier: 495.

  69. Die Passage der Einleitung im Wortlaut: »Darumb sollen nicht allein, die, so es haben und lesen, weyse darauß werden, sonder auch den andern, dienen, mit leren und schreyben. Mein großvater Jesus, nach dem er sich sonderlich befleyssigt, zulesen das Gesetz, die Propheten, und andere mehr bücher, so uns von so uns von unsern vätern gelassen sind, und sich wol drinnen geübt hatte, nam er für auch etwas zuschreyben, von weyßheyt und guten sitten, auff das die, so gerne lernen und klug werden wollten, dester verstendiger, und geschickter wurden, ein gut leben zufüren.« Jesus Syrach zu Wittemberg verdeutscht. Marth. Luther 1533, Aiijjrf.

  70. Siehe zur polit-prudenten Tradition der Entzifferung der verschlüsselten Welt bei Gracian, zum Lesen der Bilder mit dem Augenmerk auf das, »was hinter den Bildern steckt, […] das Wirkliche selbst«, Hans Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt a.M. 1986, 108-120, hier: 113. Die Trennung von res und verba war am Anfang der neuzeitlichen Poesie noch weniger präsent, doch im Lauf des 17. Jahrhunderts klafften gerade in der Lyrik Sprache und Welt immer weiter auseinander, siehe Volker Meid, Barocklyrik, 2. Aufl. Stuttgart 2008, 51.

  71. So auch Preisendanz (Anm. 2), 484 f., siehe auch van Laak (Anm. 6), 231 f. Die enge Verbindung zwischen Wort und Welt ist nicht ohne wichtige Vorläufer. So spielt zum Beispiel der Zusammenhang zwischen Wort und Sache bei Jacob Böhme eine große Rolle, siehe Steffen Martus, »Sprachtheorien«, in: Albert Meier (Hrsg.), Die Literatur des 17. Jahrhunderts (= Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart Bd. 2), München 1999, 140-155, hier: 145 ff. Der Verbindung von Zeichen und Bezeichnetem liegt traditionell die Auffassung einer Analogie zwischen Sprache und Kosmos zugrunde, die sich Brockes selbst in seinem Chronogramm zunutze gemacht hatte, in dem er im Widmungsgedicht zum Betlehemitischen Kindermord die Geburt eines Thronerben für Kaiser Karl VI. ›prophezeit‹ hatte, Brockes (Anm. 22), 55.

  72. Weichmann (Anm. 13), Br.

  73. Barthold Heinrich Brockes, »Herrn B.H.B. Beurtheilung einiger Reim-Endungen, welche von etlichen Mund-Ahrten in Teutschland, absonderlich in Ober- und Nieder-Sachsen, verschiedentlich gebraucht werden; nebst einer kurzen Untersuchung, woher der Unterschied entstehe, ingleichen, ob und auf was Weise etwan eine Vereinbarung zu treffen.« (I, 397-418, hier: 412) Brockes argumentiert, dass die niedersächsische Aussprache auch deshalb dem Sachverhalt ›Ebbe‹ näherkommt, weil die Gezeiten »ihnen droben gänzlich unbekannt« (Ebd.). Siehe zur Onomatopoesie im Irdischen Vergnügen Kreienbrock (Anm. 7), 250 f.

  74. Zwei prominente Forschungsbeiträge erwähnen das Gedicht, um die angebliche Banalität von Brockes’ Lyrik hervorzustreichen, Preisendanz (Anm. 2), 479 und Blumenberg (Anm. 70), 182.

  75. Siehe zuletzt Spörl (Anm. 5), 261 f.; Zelle (Anm. 5), 236 ff.; Barbara Hunfeld, Der Blick ins All. Reflexionen des Kosmos der Zeichen bei Brockes, Jean Paul, Goethe und Stifter, Tübingen 2004, 63-70.

  76. Wenn der Blick der Gedichte sich der Unendlichkeit zuwendet, geschieht dies meist in der Form von Gedankenexperimenten, nicht empirischer Datenverarbeitung, siehe z.B. Brockes, »Das Große und Kleine« (II.1, v.a. 119-121).

  77. Ausführlich zu den sprachlichen Strategien der Kommunikation dieses Unfassbaren Claudia Benthien, Barockes Schweigen. Rhetorik und Performativität des Sprachlosen im 17. Jahrhundert, München 2006.

  78. Dohm (Anm. 60), 10, Fn. 20.

  79. Peter Hess, Epigramm, Stuttgart 1989, 98. Noch der bereits unter dem Einfluss der Aufklärungspoetik schreibende Epigrammatiker Christian Wernicke, dessen Bücher Brockes besaß, greift in seinen religiösen Epigrammen auf genau diese antithetische Zuspitzung zurück, siehe z.B. »Auf unsers Heylands Geburt«, Uberschrifte Oder Epigrammata In acht Büchern, Nebst einem Anhang von etlichen Schäffer-Gedichten, Theils aus Liebe zur Poesie, theils aus Haß des Müssiggangs geschrieben, Hamburg 1701, 32: »Daß GOtt zum Kinde wird, und Allmacht ihren Sitz/Bey der Verwesung nimmt, geht über meinen Witz:/Doch beht’ ich das Geheimniß an/Ob gleich ich’s nicht begreiffen kan:/Ich glaub einfältiglich was niemand nicht ergründt/Und mein Glaub wird, wie GOtt, ein Kind.« Siehe einführend zur Antithetik in der geistlichen Lyrik Irmgard Scheitler, »Geistliche Lyrik«, in: Meier (Anm. 71), 347-376, v.a. 372 ff., sowie zur Rolle der Antithetik in der Lyrik der Frühen Neuzeit allgemein Meid (Anm. 70), 54 f.

  80. Preisendanz (Anm. 2), 485. Die Verbindung zu Denk- und Schreibfiguren des 17. Jahrhunderts wird im »Firmament« auch dadurch unterstrichen, dass der Text sich des für das Irdische Vergnügen ungewöhnlichen, durchgehenden Alexandriners bedient, der seit Opitz zum Standardwerkzeug der Poesie gehört. Zum Zusammenhang von Alexandriner und barocker Antithetik Meid (Anm. 70), 64 und Rainer Baasner, »Lyrik«, in: Meier (Anm. 71), 525.

  81. Vorbereitet werden diese Stilmittel durch die Wendungen »unsichtbare[s] Licht« und »lichte[] Dunkelheit« in den Versen 13 und 14, traditionelle Tropen der Gotteserkenntnis, siehe Josef Billen, Friedhelm Hassel, Undeutbare Welt. Sinnsuche und Entfremdungserfahrung in deutschen Naturgedichten von Andreas Gryphius bis Friedrich Nietzsche, Würzburg 2005, 47. Zu Oxymora des ›angenehmen Grauens‹ bei Brockes Zelle (Anm. 51), 203-251, v.a. 213-225. Der Unterschied zwischen den von Zelle aufgeführten Oxymora und den Wendungen im Firmament ist, dass Letztere paradoxe, entgegengesetzte Zustände in der Welt beschreiben (Glück und Verlust, Heil und Nichts), die Brockes-Zitate bei Zelle sich jedoch auf die Gefühlszustände des Beobachters konzentrieren (z.B. das bekannte »erbärmlich schön«) und eine Art Vorwegnahme von Mendelssohns ›vermischten Empfindungen‹ darstellen.

  82. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Hunfeld (Anm. 75), 63-70, die in ihrer Interpretation des Gedichtes auf die »für Brockes ungewöhnlich zahlreichen Metaphern« (66) und Bilderwelten wie z.B. den Schiffbruch hinweist. Sie interpretiert den Griff »zur mystischen Überwältigung des gläubigen Ichs, zur religiös konnotierten Erfahrung des Erhabenen« (70) allerdings nicht als Problematisierung einer bestimmten Sprachverwendung, sondern als Wechsel von der Beschreibung zur »Rückführung der Erfahrung in das geschlossene, religiös fundierte Gefüge des Brockesschen Kosmos«, die außerhalb des Gedichtes »vorab diskursiv vermittelt« (68) ist. Die Gegenstandslosigkeit unterscheidet »Das Firmament« übrigens auch von einem Gedicht wie »Die Berge« (II.1, 214-219), mit dem es in der Forschung unter dem Stichwort des Erhabenen zusammen gelesen wurde, Zelle (Anm. 51), 234-247; ders. (Anm. 5), 235-238; Richter (Anm. 44), 14 ff.

  83. Haug (Anm. 24), 374.

  84. Martin Gierl, Pietismus und Aufklärung. Theologische Polemik und die Kommunikationsreform der Wissenschaft am Ende des 17. Jahrhunderts, Göttingen 1997, 313 formuliert dies am Beispiel eines Streits zwischen Spener und dem Leipziger Theologieprofessor August Pfeiffer, in dem Spener auf der mehrdeutigen Auslegbarkeit biblischer Stellen besteht, als »Verlust von Glaubenseindeutigkeit«.

  85. Alt (Anm. 6), 468-486.

  86. Auch dieses Argument ist natürlich topisch und Matthäus 6, 28-29 entnommen, doch seine Funktion in Brockes’ Lyrik ist eine ganz spezifische, weil es ihm nicht darauf ankommt, wie im Bibelzitat falsche Pracht gegen wahre Schönheit auszuspielen, sondern die Gedichte immer wieder aufs Neue auf den Moment fokussieren, in dem aus der allegorischen Sichtweise die ›realistische‹ wird, sodass am Ende beide übereinander gelagert werden – Brockes wertet die Edelsteine ja nicht ab, er weist nur nach, dass sie im Vergleich mit der Natur ihre übergeordnete Deutungshoheit verlieren müssen.

  87. »Im Geiste stelle man sich ein Gebüsche vor,/Deß Blätter aus Smaragd geschnitten,/Die Stengel aus Türkis, woran aus Hyacint,/Geschärften Dornen gleich, formir’te Spitzen sind./Aus solchem Wunder-Strauch, der mannigfaltig grün,/Stünd’ ein hell-schimmernd Heer von Bluhmen aus Rubin,/So funckelnd glänzt und strahl’t, in deren Mitten/Ein kleines güld’nes Licht in hellem Schimmer schien,/Ja, daß des Künstlers Hand/Verschied’ne Kügelchen vom reinsten Diamant/Auf ihrer Blätter Pracht, zu grössrer Zier, gestreut.« (II.1, 69 f, Z. 25-32, 1‑3).

  88. Alt (Anm. 6), 475, dort auch Bemerkungen zum gleichen Gedicht. Alt übersieht die Relativierung der Allegorie im Vergleich mit der Natur und schreibt der Allegorie daher fälschlich die Vereinheitlichungswirkung zu, die alleine der Natur und dem Blick auf sie im Gedicht zukommen.

  89. Paul Gerhardt, »Geh aus mein Herz, und suche Freud«, Dichtungen und Schriften, hrsg. Eberhard von Cranach-Sichart, München 1957, 119-122, hier: 119, 121.

  90. Ich folge hier Brockes 1724 (Anm. 12), 70 f. Der Text ist auch abgedruckt in Barthold Heinrich Brockes, »Das Blühmlein: Vergiß mein nicht« (II.1, 67 f.), dort allerdings mit einigen gravierenden Unterschieden, die in den Lesarten nicht verzeichnet werden. Insbesondere haben die späteren Auflagen drei klar abgetrennte Strophen (nach »gantz deutlich lesen« bzw. »Auf die Gedanken bracht«) und markieren die letzte Strophe mit Anführungszeichen. Zu weiteren Veränderungen siehe II.2, 899.

  91. Blumenberg (Anm. 70), 182.

  92. Preisendanz (Anm. 2), 479.

  93. Hubert Herkommer, »Buch der Schrift und Buch der Natur: zur Spiritualität der Welterfahrung im Mittelalter, mit einem Ausblick auf ihren Wandel in der Neuzeit«, Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte = Revue suisse d’art et d’archéologie = Rivista svizzera d’arte e d’archeologia = Journal of Swiss archeology and art history 43 (1986), 167-178, hier: 168. Zu Brockes’ Gedicht als Nachläufer der mittelalterlichen Tradition allegoresischer Natur-Lektüre unter den veränderten Konditionen »einer Beobachtungshaltung, die der sinnlich erfahrbaren Welt einen ganz neuen, eigenständigen Wert beimisst und dadurch die geistige Wirklichkeit in den Hintergrund treten lässt«, ebd. 173.

  94. Sowohl in »Die Kaiser-Crone« (II.1, 56 f.) als auch in »Das Blühmchen: Je länger je lieber« (169) werden die Vermittlungsschritte zwischen Blumenname und Lehre mit keinem Wort erwähnt. »Die Kaiser-Crone« schwenkt abrupt von (selbst bereits personifizierter) Beschreibung zu Didaktik, wobei das moralische Element sich als Konditional, als Wunsch zu erkennen gibt: »Es sieht die holde Kaiser-Crone/Von ihrem hoch-erhab’nen Throne/Beständig auf die Erd’ herab,/Die ihre Wieg’ und auch ihr Grab./›Ach möchten doch von Ihren Höhen/›Die Fürsten so herunter sehen!« (56, Z. 11-16). In »Das Blühmchen: Je länger je lieber« wiederum wird explizit festgestellt, dass »Dieß Blühmchen auf folgende Lehren uns wies’« (169, Z. 15), Lehren, die wiederum mehr als Aufforderung denn als präsente Erfahrung beschrieben werden: »Ihr müsset von Göttlicher Weisheit und Stärcke/Die Proben nicht länger unachtsam verachten!/Ihr müsset des Schöpfers vortreffliche Wercke/Je länger je lieber betrachten!« (Z. 16-19).

  95. Siehe zum Wechselspiel von Überwältigung und Aufmerksamkeit bei Brockes Barbara Thums, Aufmerksamkeit. Wahrnehmung und Selbstbegründung von Brockes bis Nietzsche, München 2008, 33-44.

  96. Die Ambivalenz des ›Findens‹ hebt auch hervor Christiane Frey, »The Art of Observing the Small: On the Borders of the subvisibilia (from Hooke to Brockes)«, Monatshefte 105 (2013), 376-388, hier: 384.

  97. Siehe zur Farblosigkeit der Nacht das oben erwähnte »Nox illuminatio mea«.

  98. Siehe zum Interesse an Spiegel und Schein auch Wagner-Egelhaaf (Anm. 7), 196-199.

  99. So schreibt Brockes von der Sonne, sie sei »Nahrung, Leben, Kraft und Speise/Aller Cörper« (»Die Sonne«, 99, Z. 22 f.) und zugleich ihrer Sichtbarkeit: »Was das Auge lieblichs spüret,/Stammet bloß von dir allein« (100, Z. 4 f.). Ähnlich heißt es zur Luft, dass sie »was athmet auf der Welt,/Nährt, erfrischet und darneben/Deckt, erfüllet und erhält« (»Die Luft«, II.2, 646, Z. 3 f.) und »Gleichfalls kann kein Ton entstehen/Für das menschliche Gehör,/Wenn ein Ort von Lüften leer« (Z. 16 ff.).

  100. 42. Stück, Patriot (Anm. 30) I, 360.

  101. Ebd.

  102. Der Aufweis der Gleichzeitigkeit von seiender Materie und scheinbarem Verweis, von scheinhaftem Material und stabiler Signifikanz, ist auch einer der Gründe, warum Brockes sich so sehr für Teleskop und Mikroskop interessiert, weil in ihnen eine mit bloßem Auge scheinbar als Ganzheit sichtbare Welt ihre unzähligen Vielheiten preisgibt, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Gegenständen in der Welt und ihres Aufbewahrtseins im Medium der Technik immer schon vor dem Auseinanderfallen geschützt sind, weil sie nur im Medium multipel erscheinen.

  103. Wagner-Egelhaaf (Anm. 7), 192.

  104. Die Gegenüberstellung von Geist und Buchstabe basiert ebenso wie das Konzept der Spiegelung Gottes in der Welt, das für Brockes bei der Gotteserfahrung eine so zentrale Rolle spielt, auf Briefen Paulus’, 2 Kor 3, 6 sowie Röm 2, 29 und 7, 6.

  105. Siehe zu Baumgarten und Hagedorn meine Dissertation (Anm. 47), Kapitel 2 und 3. Zu Baumgarten siehe vor allem auch Frauke Berndt, Poema/Gedicht. Die epistemische Konfiguration der Literatur um 1750, Berlin, Boston 2011.

  106. Berndt (Anm. 105), 181-186.

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Bäumel, M. inseparabile nexu conjunctim – Ordnung der Welt in Brockes’ Irdischem Vergnügen in Gott . Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 90, 339–376 (2016). https://doi.org/10.1007/s41245-016-0018-7

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