Hintergrund

Für Beschäftigte im Gesundheitsdienst besteht bei der Betreuung von infektiösen Patienten ein erhöhtes Infektionsrisiko [1]. Eine besondere Relevanz haben bestimmte berufsbedingte Infektionen in der Schwangerschaft, die zum Tod oder zu bleibenden Behinderungen des Föten führen können (Ringelröteln, Zytomegalie; [2, 3]). Epidemiologische Studien zu beruflich bedingten Infektionskrankheiten haben sich in Deutschland bislang nur mit einzelnen Krankheitsbildern beschäftigt [4, 5]. Aufgrund des häufig verwendeten Querschnittdesigns kann es sich dabei immer nur um eine Momentaufnahme handeln. Um Trends bei beruflich bedingten Erkrankungen über längere Zeiträume darzustellen, bieten sich die Routinedaten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) an. Hierbei handelt es sich um Daten, die von den Trägern der Unfallversicherung (UV-Träger) im Rahmen des Meldeverfahrens zu Berufskrankheiten (BK) erhoben werden. Die Erfassung der Daten erfolgt nach der für alle Träger verbindlichen Berufskrankheiten-Dokumentation. In den Routinedaten sind für jede meldepflichtige Anzeige auf Verdacht einer BK neben der Darstellung des versicherungsrechtlich relevanten Verlaufs auch Angaben zu Tätigkeit, Exposition und Diagnose der Erkrankung enthalten. Nach Ablauf des Geschäftsjahres werden die Daten bei dem Hauptverband der DGUV zu einem Datenpool aggregiert. In 2017 verzeichnete die DGUV 2,7 % der meldepflichtigen Verdachtsanzeigen als eine von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheit [6]. Bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), dem gesetzlichen UV-Träger für nicht staatliche Einrichtungen im Gesundheitsdienst, lag dieser Anteil im selben Jahr bei rund 8 %.Footnote 1

Zum BK-Geschehen bei Infektionskrankheiten im Gesundheitsdienst wurden die Kennzahlen der BGW bereits für den Zeitraum 2007 bis 2014 berichtet [7, 8]. In dieser Arbeit werden die aktuellen Zahlen präsentiert.

Berufskrankheiten-Verfahren

In Deutschland besteht bei einem begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer BK für Ärzte eine Anzeigepflicht. Auch Krankenkassen, Arbeitgeber, betriebliche Interessenvertreter oder Versicherte können eine BK-Verdachtsanzeige erstatten. Der UV-Träger prüft von Amts wegen durch das Feststellungsverfahren, ob tatsächlich eine BK im Sinne der Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt. In Deutschland gilt ein gemischtes Berufskrankheitensystem, wonach Erkrankungen dann als BK gelten, wenn sie in der BK-Liste der BKV enthalten sind oder wenn für sie als Einzelfälle nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen die Voraussetzungen für die Anerkennung als BK erfüllt sind (§ 9 Abs. 1 und 2 SGB VII). Damit bei einer Erkrankung der BK-Verdacht bestätigt werden kann, muss zwischen versicherter Tätigkeit und schädigender Einwirkung ein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen werden (Vollbeweis). Die Erkrankung muss ebenfalls im Vollbeweis nachgewiesen sein. Zwischen schädigender Einwirkung und der Erkrankung muss ein wahrscheinlicher Zusammenhang bestehen, d. h. der kausale Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung muss nicht im Vollbeweis nachgewiesen werden, sondern er muss wahrscheinlich sein. Dabei ist es auch möglich, dass die schädigende Einwirkung wesentliche Teilursache und nicht alleinige Ursache ist. Bei einigen Berufskrankheiten müssen darüber hinaus besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein, bevor der BK-Verdacht bestätigt werden kann. Eine beruflich bedingte Infektionskrankheit kann entweder als Versicherungsfall ohne Rentenanspruch – wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) geringer als 20 % ist – oder mit Rentenzahlung, als sogenannte Neue BK-Rente, anerkannt werden. In den Fällen, in denen sich der BK-Verdacht nicht bestätigt hat, erfolgt eine Ablehnung. Gleichzeitig ist der UV-Träger nach § 3 BKV verpflichtet, Maßnahmen zur Verhütung einer arbeitsbedingten Infektion zu treffen, wie dies z. B. nach Nadelstichverletzungen der Fall ist [9].

Beruflich bedingte Infektionskrankheiten

In der Gruppe 3 der BK-Liste sind die durch Infektionserreger verursachten Krankheiten zusammengefasst (BK-Nr. 3101 bis 3104). Unter der BK-3101 befinden sich die von Mensch zu Mensch übertragbaren Krankheiten, für die der Vorbehalt gilt, dass sie nur dann als BK anerkannt werden können, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht wurden (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Bei diesen besonders gefährdeten Bereichen handelt es sich um Tätigkeiten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in Laboratorien. Auch für Tätigkeitsbereiche außerhalb des Gesundheitsdienstes kann eine am Arbeitsplatz erworbene Infektion anerkannt werden, allerdings werden diese Fälle in der Unfallstatistik erfasst [10]. Unter der BK-3102 werden Infektionen erfasst, die von Tier zu Mensch übertragen werden. Die BK-3103 beinhaltet Wurmerkrankungen von Bergleuten und ist von rein historischer Bedeutung. Tropenkrankheiten werden als BK-3104 erfasst.

Dokumentation der BK-Meldungen

Verdachtsanzeigen auf eine BK-3101 werden grundsätzlich als meldepflichtig erfasst, wenn Hinweise auf eine Infektion vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, welche versicherungsrechtliche Entscheidung im Feststellungsverfahren später getroffen wird. Träger von Hepatitis-Viren oder Tbc-Bakterien werden ebenso wie latente Tuberkuloseinfektionen (sog. Konversionsfälle) als meldepflichtig erfasst. Kontakte zu Blut oder zu infektiösen Patienten sind nicht meldepflichtig. Allerdings können die Kosten für die Postexpositionsprophylaxe von den UV-Trägern übernommen werden. Verdachtsanzeigen, die als nicht meldepflichtig klassifiziert werden, durchlaufen kein Feststellungsverfahren. Da es sich bei Infektionskrankheiten häufig um zeitaufwändige Verfahren handelt, die nicht mehr im Jahr der Meldung entschieden werden, sind unter den in dem jeweiligen Berichtsjahr entschiedenen Fällen auch solche aus früheren Jahren.

Methode

Die Auswertung basiert auf dem Routinedatensatz der BGW. Eingeschlossen wurden meldepflichtige Verdachtsanzeigen auf die BK-3101 aus den Berichtsjahren 2013 bis 2017. Die BK-Nummern 3102, 3103 und 3104 werden bei dieser Auswertung nicht berücksichtigt. Für die Auswertung werden als weitere Merkmale die versicherungsrechtliche Entscheidung und zwei BGW-interne Schlüssel herangezogen (BK-Schlüssel zur Gruppierung der Infektionskrankheiten und Branchenschlüssel zur Gruppierung der Tätigkeitsbereiche mit 31 bzw. 111 Schlüsselziffern).

Die Auftretenshäufigkeit der angezeigten bzw. als BK anerkannten Fälle wird als absolute und relative Häufigkeit dargestellt. Zur Beurteilung von Erkrankungsrisiken werden relative Quoten für einzelne Tätigkeitsbereiche berechnet. Dazu werden die absoluten Fallzahlen auf die Zahl der Arbeitsstunden bezogen, die ein Vollbeschäftigter (VB) in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich in einem Jahr gearbeitet hat [6]. Teilzeitbeschäftigte werden statistisch in VB umgerechnet. Das Risiko, an einer BK-3101 zu erkranken, wird für 4 Tätigkeitsbereiche, für die ein erhöhtes Infektionsrisiko angenommen wird, mittels Melde- und BK-Quoten dargestellt. Bei den 4 Bereichen handelt es sich um Krankenhäuser, Arztpraxen, Einrichtungen der stationären Alten- und Krankenpflege sowie um ambulante Dienste. Diese 4 Tätigkeitsbereiche repräsentieren 84 % der anerkannten BK-3101-Fälle. Die übrigen Tätigkeitsbereiche werden unter „Sonstige“ zusammengefasst. Zwischen 2013 und 2014 erfolgte im Zuge der Neustrukturierung des Branchenschlüssels eine Reduktion von 303 auf 111 Schlüsselziffern. Dies wirkte sich auch in einigen Fällen auf die von uns vorgenommene Gruppierung aus, was bei Aussagen zur Entwicklung über die letzten 10 Jahre zu berücksichtigen ist. In dieser Arbeit wird die Situation in 2017 beschrieben; die Fallzahlen für 2013 bis 2016 werden ergänzend dargestellt.

Ergebnisse

Im Berichtsjahr 2017 gingen bei der BGW 8612 Meldungen zu einer BK-3101 ein. In 977 Fällen handelt es sich um einen meldepflichtigen Verdacht (11 %; Tab. 1). Bei den durch Blut übertragbaren Erkrankungen prägen die viralen Hepatitiden wie auch in den vorangegangenen Jahren das Bild. Für Hepatitis C setzt sich der rückläufige Trend bei der Anzahl der jährlich gemeldeten Verdachtsfälle fort. Bei den luftübertragbaren Erkrankungen steht die Tuberkulose mit knapp 23 % im Vordergrund. Anzeigen auf Verdacht einer latenten Tuberkuloseinfektion (LTBI) betreffen ein Viertel aller Verdachtsfälle. Die Gruppe der Kontaktinfektionen wird von Skabies mit über 200 Verdachtsanzeigen angeführt.

Tab. 1 Anzeigen auf Verdacht einer berufsbedingten Infektionskrankheit (BK-3101) – gruppiert nach Übertragungsweg; Daten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) für 2013 bis 2017

Der BK-Verdacht wurde in 512 Fällen bestätigt (Tab. 2). Bezogen auf die Gesamtzahl der Feststellungsverfahren, die in 2017 mit einer versicherungsrechtlichen Entscheidung abgeschlossen wurden, ergibt sich eine Anerkennungsquote von 53,2 %. Bei über 95 % der anerkannten Fälle handelt es sich um Anerkennungen ohne Rentenzahlung. Größere Anteile der anerkannten Fälle entfielen auf Tuberkulose, Hepatitis C und virale Kinderkrankheiten. Auf LTBI und Skabies entfielen mit knapp 40 % bzw. 34 % die größten Anteile, wobei es in diesen beiden Krankheitsgruppen nur in den seltensten Fällen zu nachhaltigen Gesundheitsschäden kommt. In Folge der LTBI war es in 2 Fällen zu einer MdE gekommen, wobei aus dem Routinedatensatz nicht zu entnehmen ist, welche Fallbesonderheit zu der MdE geführt hat.

Tab. 2 Anerkannte berufsbedingte Infektionskrankheiten (BK-3101); Daten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) für 2013 bis 2017

In 22 Fällen (4,3 %) wird erstmals eine Neue BK-Rente wegen einer Infektionskrankheit bewilligt. Hiervon entfielen die meisten Fälle auf Hepatitis C und Tuberkulose. Eine von 5 als BK anerkannte virale Kinderkrankheiten hat zu einem Rentenanspruch geführt (Ringelröteln). Rund 4 % der zwischen 2013 und 2017 anerkannten Infektionskrankheiten betreffen andere als die in Tab. 2 aufgeführten. In 8 der 84 Fälle war es zu nachhaltigen Gesundheitsschäden mit der Folge einer Rentenzahlung gekommen, darunter Zytomegalie, Dermato- und Pneumomykose. Mehrere, nicht weiter differenzierte virale und bakterielle Erkrankungen wurden über den ICD-10-Diagnoseschlüssel den Darminfektionen und sonstigen nicht näher bezeichneten (neuaufgetretenen) Infektionskrankheiten zugeordnet. Insgesamt 10 Todesfälle in Folge einer Infektionskrankheit werden in 2017 ausgewiesen (6 Hepatitis-B-Fälle und jeweils 2 Hepatitis-C- und Tuberkulose-Fälle). Im Durchschnitt (Median) lag der Bezug der BK-Rente in diesen Fällen bei 20 Jahren.

Die Verdachtsmeldungen stammten zu 39 % aus Krankenhäusern, zu 21 % aus Einrichtungen der stationären Alten- und Krankenpflege, zu 16 % aus Arztpraxen und zu 5 % aus ambulanten Diensten. Bei Berücksichtigung der Beschäftigtenzahlen kamen im Durchschnitt 20 Meldungen auf 100.000 VB. Unter den 4 medizinisch/pflegerischen Tätigkeitsbereichen war die Meldequote am höchsten in Krankenhäusern mit fast 60 Meldungen je 100.000 VB, am niedrigsten im ambulanten Dienst. In den übrigen nichtmedizinischen Bereichen lag die Meldequote noch darunter (Tab. 3). Auch bei den anerkannten BK-3101-Fällen stammen die meisten aus Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Alten- und Krankenpflege (41 % bzw. 26 %). Das Erkrankungsrisiko lag im Durchschnitt bei 10,4 Erkrankungen je 100.000 VB, variierte jedoch stark je nach Tätigkeitsbereich (zwischen rund 32 Erkrankungen je 100.000 VB in Krankenhäusern und 7 im Ambulanten Dienst; Tab. 4).

Tab. 3 Verdachtsanzeigen auf eine BK-3101 und Meldequoten pro 100.000 Vollbeschäftigte nach Tätigkeitsbereich; Daten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) für 2013 bis 2017
Tab. 4 Anerkannte Infektionskrankheiten (BK-3101) und Berufskrankheiten(BK)-Quoten pro 100.000 Vollbeschäftigte nach Tätigkeitsbereich; Daten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) für 2013 bis 2017

Diskussion

Die Auswertung der Routinedaten der BGW zeigt bei den durch Blut übertragbaren Hepatitis-Infektionen weiterhin eine rückläufige Entwicklung. Neben der Tuberkulose bleiben sie aber die häufigsten Infektionen, die zu einer Anerkennung als Berufskrankheit führen und sind ein häufiger Grund für eine neu bewilligte Rente.

Die versicherungsrechtliche Bewertung von potenziell am Arbeitsplatz erworbenen Infektionen ist häufig schwierig. Rückblickend ist die Infektionsquelle oft nicht zu ermitteln, insbesondere bei zunächst klinisch stumm verlaufenden Infektionen. Zudem kommen häufig verschiedene Infektionsquellen in Betracht, ohne dass sich feststellen lässt, bei welcher Gelegenheit es tatsächlich zu der Infektion kam [11]. Darüber hinaus ist die Abgrenzung zwischen der beruflichen und außerberuflichen Ursache für eine Infektionskrankheit oft schwierig [12]. Diesem Umstand trägt die BK-3101 in der Weise Rechnung, dass als Einwirkung ausreichend ist, dass die erkrankte Person einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden Infektionsgefahr besonders ausgesetzt war. Die besonders hohe Infektionsgefahr ersetzt als eigenständiges Tatbestandsmerkmal den individuellen Nachweis der Einwirkung [11].

Eine differenzierte Auswertung von berufsbedingten Infektionskrankheiten auf Basis des gesamten Datenbestandes der DGUV wurde zuletzt für das Berichtsjahr 2005 vorgelegt [13]. Bezogen auf alle bei der DGUV in 2017 verzeichneten Infektionskrankheiten, decken die im Datenbestand der BGW erfassten Fälle rund 50 % ab [6]. Wir gehen davon aus, dass die hier beschriebenen Trends auch für den gesamten Gesundheitsdienst gelten. Bei der BGW wurde der BK-Verdacht in 2017 in 512 Fällen bestätigt. Davon war es in 4,3 % durch die Infektionskrankheit zu nachhaltigen Gesundheitsschäden gekommen, die eine Neue BK-Rente zur Folge hatten. Die Entschädigungsleistungen, die von der BGW für Versicherte im Zusammenhang mit einer Anzeige auf eine BK-3101 aufgewendet wurden, beliefen sich 2017 auf knapp 24 Mio. € und hatten damit einen Anteil von 3,8 % an den Leistungen, die die BGW für BK-Fälle in 2017 aufgewendet hat. Davon wurden rund 66 % für Renten und Beihilfen aufgewendet, 34 % für medizinische Heilbehandlung und 0,15 % für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auch wenn durch die Infektionskrankheit nur bei wenigen BK-Fällen eine MdE auftritt, fallen dadurch insgesamt hohe Kosten an.

Für beide Formen der blutübertragbaren Hepatitis-Infektionen setzt sich der rückläufige Trend fort [14]. Die Hepatitis D hat in den letzten Jahren verstärkte Aufmerksamkeit erfahren, da es infolge viraler Interaktionen zu schweren Verläufen der Hepatitis B kommen kann [15]. Zur Hepatitis D gab es bei der BGW seit 2007 lediglich einen Verdachtsfall, für den sich der Verdacht auf das Vorliegen einer BK nicht bestätigt hat.

Die Häufigkeit beruflich bedingter Influenza-Infektionen ebenso wie luftübertragbarer Kinderkrankheiten wird durch den Datensatz der BGW vermutlich nicht vollständig abgebildet, weil diese Erkrankungen von den behandelnden Ärzten oft nicht als beruflich bedingt angesehen und daher dem UV-Träger nicht gemeldet werden. Das Risiko für eine Influenza-Infektion scheint unter gesunden Beschäftigten im Gesundheitsdienst im Vergleich zu Beschäftigten in anderen Branchen erhöht zu sein [16]. Aber selbst nach der H1N1-Pandemie wurde bei der BGW kein Anstieg der Meldungen verzeichnet.

Die starke Zunahme der gemeldeten LTBI-Fälle in den vergangenen 5 Jahren ist wahrscheinlich auf eine verbesserte Diagnosemöglichkeit zurückzuführen. Mit der Einführung des Interferon-gamma Release Assays (IGRA) steht seit 2005 ein Test für die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen bei Kontakt zu Tuberkulosepatienten oder infektiösen Materialien zur Verfügung, der nicht von der BCG-Impfung beeinflusst wird und deshalb bei Beschäftigen im Gesundheitsdienst spezifischer ist als der Tuberkulin-Hauttest [17]. Das Risiko für die Progression zu einer aktiven Tuberkulose nach einem positiven IGRA ist unterschiedlich hoch. Es scheint bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst geringer zu sein als bei engen Kontaktpersonen, die nach dem Infektionsschutzgesetz untersucht werden [18]. Es ist daher fraglich, ob alle Beschäftigten im Gesundheitsdienst, die ein positives IGRA-Ergebnis aufweisen, eine präventive Chemotherapie erhalten sollten [4]. Die Meldung einer LTBI als BK ist aber immer dann besonders sinnvoll, wenn eine präventive Chemotherapie geplant ist, da die Kosten eventuell vom zuständigen UV-Träger übernommen werden.

Endemische Ausbrüche durch Krätzmilben betreffen insbesondere Beschäftigte aus Einrichtungen der stationären Altenpflege, aus denen rund 56 % aller Skabies-Verdachtsfälle gemeldet wurden. Allerdings sind über 90 % der jährlich der BGW gemeldeten Skabies-Verdachtsanzeigen nicht meldepflichtig. Bei diesen sog. Kontaktfällen handelt es sich nicht um erkrankte bzw. mit Skabies befallene Beschäftigte, sondern um Kontaktpersonen, für die eine Mitbehandlung erforderlich ist. Die BGW übernimmt in begründeten Fällen die Kosten für Diagnose und Behandlung.

Die Meldungen zu Infektionen mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus(MRSA)-Erregern liegen seit 2009 bei rund 50 Fällen pro Jahr, wobei es bei rund einem Fünftel zu nachhaltigen Gesundheitsschäden kam, aber in den wenigsten Fällen zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 20 %. In der Literatur werden nur wenige beruflich bedingte MRSA-Infektionen beschrieben, gleichwohl sind schwere Krankheitsverläufe und mitunter berufliche Konsequenzen nach einer MRSA-Infektion möglich [19, 20]. Bei den Meldungen zu MRSA, bei denen der BK-Verdacht nicht bestätigt wird, handelt es sich in den meisten Fällen um eine Besiedlung der Haut oder der Schleimhäute. Besiedlungen mit MRSA werden von der BGW nicht als BK anerkannt, da es sich hierbei nicht um einen regelwidrigen Gesundheitszustand im Sinne des BK-Rechts handelt und damit die gesetzliche Voraussetzung für eine BK nicht erfüllt ist (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Aussagen zu Infektionskrankheiten durch andere multiresistente Erreger sind nicht möglich, da für diese in dem Routinedatensatz bislang keine differenzierende Schlüsselziffer vorliegt.

Die Branche der Krankenhäuser nimmt nach wie vor eine Spitzenposition bei den BK-3101-Fällen ein. Insgesamt unterscheidet sich das Erregerspektrum in den 4 Tätigkeitsbereichen deutlich: In der stationären Altenpflege steht Skabies im Vordergrund, in Krankenhäusern dagegen eher die latente Tuberkulose.

Limitationen

Die hier vorgelegten Fallzahlen geben nicht das vollständige Bild der beruflichen Infektionskrankheiten im Gesundheitsdienst in Deutschland wieder, da in der BGW nur die Meldungen aus nicht staatlichen Einrichtungen erfasst werden. Die von der DGUV für 2017 aufbereiteten Daten zeigen, dass 26 von 53 als BK-3101 anerkannte Fälle (49 %) auf die BGW entfallen.Footnote 2

Es handelt sich bei den hier verwendeten Daten um eine Auswertung von Registerdaten, für die dieselben Einschränkungen wie für alle Sekundärdaten gelten. Erschwerend kommt hinzu, dass trotz der gesetzlichen Verankerung der Meldepflicht und der finanziellen Kompensation von einem Underreporting bei den Verdachtsmeldungen auszugehen ist, ohne dass jedoch das Ausmaß beziffert werden kann. Abschließend ist zu erwähnen, dass ausschließlich auf elektronisch erfasste Datenbestände zurückgegriffen wurde. Klinische Befunde aus BK-Akten wurden nicht berücksichtigt.

Fazit für die Praxis

Die Auswertung der Infektionskrankheiten auf Basis der Routinedaten der BGW hat gezeigt, dass die Tuberkulose für Beschäftigte im Gesundheitsdienst weiterhin ein großes Risiko darstellt. Der Anstieg der Meldungen kann aber nicht durch den Anstieg der Tuberkulose in der Bevölkerung in den Jahren 2015 und 2016 erklärt werden, da der Anstieg der Meldungen von Beschäftigten schon früher begann. Für beide Formen der blutübertragbaren Hepatitis-Infektionen setzt sich der rückläufige Trend fort. Die wenigen, aber zum Teil schweren Krankheitsverläufe bei Infektionen sprechen dafür, dass dem Risiko einer beruflich bedingten Infektion weiterhin Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Die Routinedaten der gesetzlichen UV-Träger geben Hinweise auf Trends. Aufgrund ihrer Limitierungen ist es jedoch sinnvoll, die Datenlage durch gezielte Erhebungen, wie sie z. B. im Netzwerk Tuberkulose vorgenommen werden, zu ergänzen.