Tagungsbericht

Der Workshop Biomonitoring in der Praxis der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Berlin fand am 6. Dezember 2017 bereits das 9. Mal statt. Er hat sich inzwischen zu einem festen Bestandteil der arbeitsmedizinischen Fachveranstaltungen entwickelt, wie nicht zuletzt an den steigenden Teilnehmerzahlen abzulesen ist. Bei diesem Workshop war die Beurteilung von Biomonitoring-Ergebnissen ein zentrales Thema, das in nahezu allen Vorträgen eine wichtige Rolle spielte. Das Biomonitoring-Auskunftssystem der BAuA stellt dafür wesentliche Basis-Informationen zur Verfügung. Chris-Elmo Ziener berichtete in seinem Vortrag ausführlich über dieses bewährte Instrument und die Neuerungen, die seit dem 8. Workshop 2015 in die Datenbank Eingang gefunden haben. Mit dem Relaunch der BAuA-Homepage erhielt das Auskunftssystem ein neues Erscheinungsbild, das vor allem der Nutzung mit einem Smartphone entgegenkommt. Hervorzuheben sind die Verlinkungen, die den bequemen Zugang zu Originalquellen des Auskunftssystems ermöglichen. In der Präsentation fand bereits zu Beginn des Workshops mit dem Zitat der TRGS 505 das Blei Erwähnung, ein Gefahrstoff der fast in allen Vorträgen Aufmerksamkeit fand und in den Vorträgen von Margot Lakemeyer und Thorsten Schmitz ausführlich behandelt wurde. Auch Hans Drexler, der über Bedeutung von Biomonitoring für die Regulation sprach, ging auf das Blei ein. Die ungenügende Korrelation zwischen Luftbleiwerten und den Blutbleikonzentrationen von exponierten Beschäftigten lässt die Ableitung eines Arbeitsplatzgrenzwertes (AGW) nicht länger zu [5]. Der Parameter Blei im Blut erlangt damit eine besondere Bedeutung für die Bewertung der Expositionsbedingungen an Arbeitsplätzen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Er kann nur mit Einverständnis der Beschäftigten für diesen Zweck genutzt werden und unter konsequenter Einhaltung ethischer Grundsätze. Die Wahrung der Anonymität bei der Auswertung und Kommunikation von Ergebnissen [1] ist unabdingbar.

Die Bewertung von Biomonitoring-Ergebnissen unter dem Aspekt der Messunsicherheit war das zentrale Thema des Vortrages von Peter Kujath. Er entwickelte Überlegungen zur Frage, wie die Überschreitung eines „Wertes zur Beurteilung“, wie z. B. des BGW, auf der Grundlage von Biomonitoring-Messungen festgestellt werden kann. Wichtig ist es dabei, die Ungenauigkeit des gesamten Messverfahrens von der Probenahme bis zur Ergebnisdokumentation klar von der Variation der Biomarkerkonzentration infolge unterschiedlicher Expositionsbedingungen zu verschiedenen Messzeitpunkten sowie der interindividuellen Variabilität der Exponierten zu unterscheiden. Dieser Gesichtspunkt darf bei der Anwendung des Mittelwertkonzeptes nach TRGS 903 [3] nicht unberücksichtigt bleiben. Für die Ermittlung des Mittelwertes wurden bisher keine näheren Festlegungen getroffen. In der Praxis liegen nicht selten nur ein oder wenige stark streuende Messwerte vor. Es erscheint deshalb sinnvoll, neben dem BGW ein weiteres limitierendes Kriterium zur Vermeidung inakzeptabler Gesundheitsrisiken einzuführen.

Diese Betrachtungsweise war auch in den Ausführungen von Andreas Paaßen [8] zu finden, der über die Biomonitoring-Strategie im Chemiepark Marl berichtete, einem der größten Chemiestandorte in Deutschland, an dem etwa 10.000 Beschäftige tätig sind. Er stellte das sehr komplexe und strukturierte System der Gesundheitsüberwachung im Chemiepark Marl vor. Auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilungen wird für jeden Tätigkeitsbereich ein Biomonitoring-Messplan entwickelt. Die richtige Auswahl der Biomonitoring-Parameter und die korrekte Festlegung des Probenahmezeitpunktes, vor allem bei Parametern mit kurzen Eliminationshalbwertszeiten, spielen eine herausragende Rolle für die Gewinnung valider und vergleichbarer Messdaten. Bei Gefahrstoffen, für die keine BGW vorliegen, werden andere Beurteilungswerte wie Erfahrungswerte, Werte aus der wissenschaftlichen Literatur, Referenzwerte sowie ggf. auch Bestimmungsgrenzen herangezogen. Die Bewertung erfolgt in vier Kategorien wobei bei Überschreitung eines Aktionswertes sofortige Intervention notwendig wird. Im Rahmen der Ergebnismitteilung wird bei Werten oberhalb eines Beurteilungswertes oder bei Erreichen des Aktionswertes der Betriebsarzt aktiv, überprüft die Arbeitsbedingungen und führt individuelle Beratungen der betroffenen Beschäftigten durch. Die Einbeziehung möglichst aller exponierten Beschäftigten gewährleistet nicht nur eine optimale individuelle Betreuung. Wenn die Teilnehmerzahl repräsentativ ist, dienen in Analogie zur Arbeitsmedizinischen Regel 11.1 [2] für Tätigkeiten mit krebserzeugenden und keimzellmutagenen Gefahrstoffen die Messergebnisse als Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsplätze. Mit der Untersuchung von Kollektiven kann die Validität der Gefährdungsbeurteilung deutlich verbessert werden. Es hat sich gezeigt, dass eine hohe Beteiligung erreicht werden kann, wenn diese Untersuchungen als Kampagnen durchgeführt werden.

Individuelle Unterschiede dürfen natürlich nicht unbeachtet bleiben und müssen auf ihre Ursache hin untersucht werden. Wie Michael Heger [8] berichtete, können individuelle Arbeitsgewohnheiten, Unterschiede in der Körpergröße, dem Hygieneverhalten u. a. die Messergebnisse signifikant beeinflussen. Aber auch grobe Fehler wie unsachgemäße Probenahme, falsche Probenlagerung, die Verwechslung von Maßeinheiten, die Unkenntnis der Definition von Beurteilungswerten und anderes mehr treten immer wieder auf und sind in der Regel nur schwer zu erkennen. Deshalb sollten bereits bei der Planung von Biomonitoring-Kampagnen Maßnahmen zur Fehlervermeidung ergriffen werden. So ist z. B. bei den Probenahmen von Urinproben auf peinliche Sauberkeit zu achten. Sie sollte in einer gefahrstofffreien Umgebung nach dem Duschen durchgeführt werden, um Kontaminationen auszuschließen. Minimale Partikelkontaminationen aus der Arbeitskleidung oder von Körperflächen können im Ultraspurenbereich zu dramatischen Verfälschungen der Messergebnisse führen.

All die vorgenannten Überlegungen sind bei Biomonitoring-Untersuchungen immer wieder neu anzustellen. Kenntnisse zum Wirkungsmechanismus und Metabolismus von Gefahrstoffen ist für die Auswahl des geeigneten Biomarkers unabdingbar. Im Vortrag von Heiko Käfferlein [9] über die Exposition gegenüber aromatischen Isocyanaten kam dieser Gesichtspunkt eindrucksvoll zur Geltung. Aromatische Isocyanate sind sensibilisierend und können zu obstruktiven Atemwegserkrankungen führen; kanzerogene Effekte, die bei Isocyanatexposition beobachtet werden, sind aber auf die Wirkung der aromatischen Amine, die durch Hydrolyse der aufgenommenen Isocyanate entstehen können, zurückzuführen. Allerdings können die aromatischen Amine, die im Urin gefunden werden, bereits als Amine aufgenommen worden sein oder aus anderen Quellen am Arbeitsplatz oder aus der Umwelt stammen. Durch die stetig wachsende Leistungsfähigkeit von Analyseverfahren, mit der für immer mehr Gefahrstoffe, wie auch für einige aromatische Amine, die Hintergrundbelastung nicht beruflich exponierten Personen erfasst werden kann, wird es immer wichtiger, die Plausibilität von Biomonitoring-Ergebnissen, die im Zusammenhang mit Expositionen an Arbeitsplätzen gewonnen wurden, gewissenhaft zu prüfen.

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gehören ebenfalls zu einer Stoffgruppe, die in der natürlichen Umwelt vorkommen. Deshalb darf die Hintergrundbelastung bei der Untersuchung von PAK-Expositionen von Beschäftigten in technologischen Prozessen bei der Ergebnisinterpretation nicht unbeachtet bleiben. Beim Recycling von teerölgetränkten Bahnschwellen oder von PAK-kontaminierten Böden sind PAK-Expositionen an den Arbeitsplätzen zu erwarten. Dabei spielt die dermale Aufnahme der PAK eine wesentliche Rolle. Die von Michael Hagmann vorgestellten Studienergebnisse zeigen, dass durch geeignete technische und technologische Maßnahmen die Belastung gesenkt werden, aber eine wesentliche Verbesserung nur mit konsequenter Einhaltung von Hygieneregeln erzielt werden kann. Die Schwarz-Weiß-Trennung im Betrieb und die Reinigung der Arbeitskleidung, zu der der Arbeitgeber entsprechend der Gefahrstoffverordnung § 9 Absatz 5 [6] verpflichtet ist, spielen dabei eine wesentliche Rolle.

Auf die Bedeutung der Wahl des für die Exposition aussagekräftigsten Metaboliten wurde bereits oben hingewiesen. Bei der Belastung mit Metallen kann die Frage nach dem für die toxische Wirkung verantwortlichen Spezies im Untersuchungsmaterial entscheidend für die Bewertung des Gesundheitsrisikos sein. Der Beitrag von Thomas Göen gibt einen Überblick über die Thematik am Beispiel von Quecksilber und Arsen, deren Spezifikationen gut bekannt sind. Welche Komplexität die Suche nach den entscheidenden Spezies für die Toxizität von Metallen annehmen kann, wurde an aktuellen Forschungsergebnissen zum Selenmetabolismus deutlich.

Über das Biomonitoring bei Kobaltbelastung in einem Betrieb, in dem Dauermagnete hergestellt werden, berichtete Mattias Tschannen. Technische Verbesserungen im Betrieb seit Beginn der Luftmessungen und des Biomonitorings im Jahr 1992 führten zu einer Absenkung der Kobaltkonzentration in der Luft an den Arbeitsplätzen und erfüllt den in der Schweiz gültigen Luftgrenzwert von 50 µg/m3. Die gleichzeitige Einführung strengerer Hygieneregeln bewirkte im Vergleich dazu eine weitere Absenkung der systemischen Belastung. Die Kobaltkonzentrationen im Urin der Beschäftigten liegen unterhalb des Schweizer Grenzwertes von 509 nmol/L Urin (30 µg/l). Um eine weitere Verminderung der Belastung, bei deren Realisierung wirtschaftliche Aspekte nicht außer Acht gelassen werden können, wird gerungen. In Deutschland gelten aufgrund der kanzerogenen Eigenschaften des Kobalts mit einer Toleranzkonzentration von 5 µg/m3 in der Luft deutlich strengere Maßstäbe. Ein Biomonitoring-Äquivalenzwert kann derzeit nicht abgeleitet werden, weil er außerhalb der EKA-Korrelation liegt [4, 7].

Der niedrigste Luftkonzentration, die in der aktuellen EKA-Korrelation erfasst wird, beträgt 10 µg/m3 und entspricht 6 mg/l (255 nmol/l) Kobalt im Urin.

Blei als Gefahrstoff fand in unterschiedlichem Zusammenhang in mehreren Vorträgen Aufmerksamkeit. Die neue strengere Bewertung des Bleis durch den AGS [5] ist eine Herausforderung für die Gestaltung der betroffenen Arbeitsplätze. Die beiden letzten Vorträge zeigten aus Sicht der Betriebsärztin Margot Lakemeyer [10] und aus der Perspektive des Sicherheitsingenieurs Thorsten Schmitz [11] eines bleiproduzierenden Betriebes, mit welchen Maßnahmen die Einhaltung eines Blutbleiwertes von 150 µg/l verwirklicht werden kann. Es wurde allerdings auch deutlich, dass dafür ein hoher materieller und personeller Aufwand erforderlich ist.

Die vielleicht entscheidende Idee auf diesem Weg ist die Übertragung von Eigenverantwortung an die Beschäftigten durch ihre Integration in den gesamten Biomonitoring-Prozess. Sie wurden so geschult, dass sie ihn verstehen und selbstständig mitgestalten, indem sie den Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und den Blutbleiwerten bewerten und in die Beratung mit dem Betriebsarzt und dem Sicherheitsingenieur einbringen können. Die regelmäßige gemeinsame Auswertung der Biomonitorings mit allen Mitarbeitern, selbstverständlich unter Wahrung der Vertraulichkeit, ist dafür eine wichtige Grundlage. Die Häufigkeit des Biomonitorings wird für jeden Mitarbeiter entsprechend der Tätigkeit und der Höhe des Blutbleiwertes festgelegt. Neueingestellte Beschäftigte werden engmaschiger untersucht, um von Beginn an hohe Anstiege der Blutbleikonzentration zu vermeiden. Dabei werden alle Beschäftigten – auch jene, die nicht im Produktionsbereich tätig sind und Mitarbeiter von Fremdfirmen – einbezogen. Letztere dürfen nur dann tätig werden, wenn sie an einem Biomonitoring teilnehmen.

Die Aufgabe des Sicherheitsingenieurs ist es, für die Organisation und den reibungslosen Ablauf der Untersuchungen sowie die Bereitstellung und Pflege der sicherheitstechnischen Ausrüstungen wie die gebläsegestützten Masken zu sorgen. Dazu gehört auch die Bereitstellung und Reinigung der Arbeitskleidung einschließlich der Unterwäsche für die Mitarbeiter in der Produktion. Auf diese Weise ist es gelungen, die Bleibelastung im Betrieb kontinuierlich zu senken.

Der 9. Workshop Biomonitoring in der Praxis spiegelte die vielen Facetten des arbeitsmedizinischen Biomonitorings wider. Der Bezug zu aktuell diskutierten Themen war nicht zu übersehen. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus den Vorträgen und Diskussionen ist, dass die aktive und eigenverantwortliche Mitarbeit aller Beschäftigten, beginnend bei der Erfassung von Gefahrstoffbelastungen, essenziell für die weitere Minderung der Exposition an Arbeitsplätzen ist.