Sexueller, körperlicher oder emotionaler Missbrauch in der Kindheit gelten als Risikofaktor für das Auftreten psychotischer Symptome und psychotischer Störungen. Während früher eine Fokussierung auf psychotische Störungen erfolgte, wird mittlerweile eher ein Zusammenhang mit psychotischen Symptomen, unabhängig von der dann diagnostizierten psychiatrischen Störung, angenommen, vor allem mit Halluzinationen, die als Varianten posttraumatischer Intrusionen gesehen werden. Wahnphänomene dagegen werden als Resultat von Traumata abhängiger negativer Selbst- und Fremdwahrnehmung interpretiert.

In der vorliegenden Arbeit wurde mit Hilfe eines metaanalytischen Ansatzes versucht, den Zusammenhang zwischen kindlichen Traumata und dem Schweregrad von Halluzinationen, Wahnphänomenen und psychotischer Negativsymptomatik bei Patienten, die später an einer Psychose erkrankten, zu erfassen. Insgesamt gingen 29 Arbeiten mit insgesamt 4.680 Teilnehmern in die Untersuchung ein. Es ergab sich ein klarer Zusammenhang zwischen kindlichen Traumata und dem Schweregrad von Halluzinationen (Korrelation [r] = 0,199, p < 0,001) und Wahnphänomenen (r = 0,172, p < 0,001). Kein Zusammenhang ergab sich für die Negativsymptomatik (r = 0,049, p = 0,095), allerdings war kindliche Vernachlässigung mit der späteren Negativsymptomatik assoziiert (r = 0,142, p = 0,005).

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Gewalt und Missbrauch gelten als Risikofaktor für das Auftreten psychotischer Symptome und psychotischer Störungen.

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Kommentar

Da in dieser Studie gezeigt werden konnte, dass auch bei psychotischen Patienten, nicht nur bei Patienten mit posttraumatischer Störung, Halluzinationen von kindlichen Traumata abhängen, empfehlen die Autoren, spezifische auf Traumata fokussierte Psychotherapien auch für psychotische Patienten zu entwickeln. Kritisch muss eingewandt werden, dass zwar hochsignifikante Korrelationen (beispielsweise zwischen Halluzinationen und kindlichen Traumata mit einem p-Wert < 0,001 und einem r von 0,199) berichtet werden, dass aber ein solcher Korrelationskoeffizient nur (0,199)2 = 0,0396, also rund 4 % der Varianz aufklärt. Das bedeutet vereinfacht formuliert, dass 96 % der Ursachen des Schweregrads von Halluzinationen durch diese Untersuchung ungeklärt bleiben.