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„Welchen Rat geben wir unseren Patienten? Es gilt, Risiken senken zu trainieren. Alle das Risiko senkenden Maßnahmen helfen, selbst wenn die Krankheit schon da ist.“

Prof. Dr. med. Ralf Ihl Maria-Hilf-Krankenhaus, Klinik für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie, Krefeld

© Andrea Bowinkelmann

Juvenalis beschrieb vor zwei Jahrtausenden die Symptome, Pathologen im 19. Jahrhundert zerebrale Veränderungen. 1906 brachte Alzheimer beides bei Auguste Deter zusammen. 1911 nannte Kraepelin das Ergebnis seines Schülers „Alzheimer-Krankheit“. Die beschriebenen Eiweißablagerungen, Amyloid-Plaques, wurden als Ursache vermutet und umfassend untersucht. Manche Ungereimtheit blieb. Einigkeit herrscht über den vermuteten Ursprungsort, den Hippocampus. In der Folge wird das Tau-Protein verändert, Neuronen sterben und hinterlassen Amyloid. Die Ursache dafür blieb allerdings unbekannt. Marker wie Testpsychologie, Liquor oder EEG fanden Symptome, aber nicht die Ursache.

Essgewohnheiten und Lebensstile

Ein Weg zur Klärung ist, Erkrankungsrisiken anzuschauen. Neben Alter, körperlicher und geistiger Aktivität sind mittlerweile eine Vielzahl von risikosenkenden Maßnahmen, Essgewohnheiten oder Lebensstilen beschrieben. Wenn denn so viele unterschiedliche Faktoren das Risiko senken können, drängt sich die Frage nach der Gemeinsamkeit der Faktoren auf. Die abwehrsteigernde Funktion ist eine. Infektionen und Entzündungen wurden schon früh als mögliche Ursache vermutet. In der Entstehungskette wird auch die Rolle der Neuroglia einbezogen. Entzündungslindernde Medikamente verfehlten jedoch die Wirkung.

Schädigungen am Ausgangspunkt Hippocampus sind breit untersucht. Wie aber kommt die Krankheit dorthin? Welche Rolle spielen die Risikofaktoren dabei? Antworten finden sich über Abwehr und Infektionen. Umso weniger Zähne Älteren geblieben waren, umso schlechter war die kognitiven Leistungen. Erreger einer Infektion finden sich auf der Zunge. Bei mehr Erregern, etwa durch weniger Zähneputzen, nehmen die kognitiven Leistungen ab.

Der Weg vom Nasenrachenraum zum Hippocampus ist kurz. Riechstörungen wurden bereits mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht. Die unmittelbare Nähe von Riechkolben und Hippocampus lässt vermuten, die Riechzellen könnten die Durchgangsstelle einer Infektion sein. Neben Riechstörungen untermauert ein neuroanatomischer Befund die Annahme. Lipopolisaccachride des auf der Zunge beobachteten Bakteriums Porphyromonas gingivalis konnten post mortem bei 40 % der untersuchten Gehirne von Menschen mit Alzheimer-Krankheit, aber bei keiner der Kontrollpersonen gefunden werden. Bisher wurde nur eines von mehr als 40 auf der Zunge ansässigen pathologischen Bakterien untersucht. Hinweise auf eine ursächliche Beteiligung von Viren und Pilzen liegen vor. Das Eindringen würde die Kette Neuroglia-Tau-Amyloid auslösen. Weitere Untersuchungen stehen aus.

Schwächelnde Abwehr

Wieso tritt die Krankheit nicht gleich nach der Infektion auf? Am wahrscheinlichsten hält sie eine intakte Abwehr auf. Mit zunehmendem Alter und bei aus Lifestyle-Gründen schwächelnder Abwehr steigt das Erkrankungsrisiko bis die Krankheit nicht mehr gestoppt werden kann. Ein zentrales Element des Ursachenpuzzles scheint damit geklärt. Zu diesen Ergebnissen haben eine Vielzahl von Forschern einzelne Bausteine beigetragen. Jetzt gilt es, resultierende Behandlungsmöglichkeiten zu erforschen.

Welchen Rat geben wir unseren Patienten? Eine besser medikamentöse Therapie ist nicht in Sicht. Es gilt, Risiken senken zu trainieren. Alle das Risiko senkenden Maßnahmen helfen, selbst wenn die Krankheit schon da ist. Ergänzend wirken mittlerweile gut untersuchte psychosoziale Hilfen, die selbst bei bester medikamentöser Therapie im Alter wertvoll sind.

Für das neue Jahr gilt daher: Bleiben Sie aktiv!

Ihr

Ralf Ihl