figure 1

„Das Konzept einer den Krankenhäusern vorgeschalteten ambulanten Notfallversorgung ist nicht in der allgemeinen Wahrnehmung verankert.“

Prof. Dr. med. Mathias Mäurer

Chefarzt Neurologie und Neurologische Frührehabilitation Klinikum Würzburg Mitte gGmbH, Standort Juliusspital

Die Hölle ...“ — „... ein Albtraum“ — wer kennt sie nicht, die Aussagen von Assistenzärzten zu den Zuständen in den (zentralen) Notaufnahmen unserer Kliniken. Überfüllte Wartebereiche, Patienten und Angehörige, die sich lautstark beschweren, überlastetes Personal. Auf der einen Seite echte Notfälle, die schnelle und fachkundige klinische Versorgung benötigen, auf der anderen Seite die „gefühlten Notfälle“, meist in der Mehrzahl, die sicher nicht die Versorgungsstruktur eines Klinikums benötigen. All das trägt sowohl beim medizinischen Fachpersonal als auch bei den Patienten zu erheblicher Frustration bei, die sich immer häufiger entlädt. Bei Patienten und Angehörigen in Form von inadäquatem Verhalten, beim medizinischen Fachpersonal durch das Infragestellen unseres Versorgungssystems, was nicht selten dazu führt, das vor allem unser Nachwuchs verunsichert ist.

Lösungsmöglichkeiten präsentiert

Professor Frank Erbguth und Dr. Rüdiger Lange machen in dieser Ausgabe von „DNP — Der Neurologe amp; Psychiater“ eine umfassende Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation in den Notaufnahmen unserer Kliniken, unter besonderer Berücksichtigung der Situation des neurologischen Fachgebietes. Diese Bestandsaufnahme kommt aus berufenem Mund, arbeiten die Autoren doch am Klinikum Nürnberg, einem der größten kommunalen Krankenhäuser Deutschlands, dessen Notaufnahme den gesamten Großraum Nürnberg abdeckt, und in dem sich die aktuellen Probleme der Notfallmedizin in all ihren Facetten widerspiegeln. Mit ihrer lesenswerten Analyse geben die Autoren einen Überblick über die Ursachen der aktuellen Überlastungssituation. Darüber hinaus werden die aktuellen Lösungsmöglichkeiten, die aktuell auf Bundesebene diskutiert werden, vorgestellt. Diese umfassen die Schaffung von integrierten Notfallzentren an Kliniken, mit dem Ziel einer engen Verzahnung zwischen KV-Bereitschaftsdiensten und Notfallaufnahmen.

Doppelstrukturen sind unsinnig

Solche Maßnahmen sind prinzipiell begrüßenswert. Trotzdem bleibt eine Menge Skepsis. Es ist über viele Jahre nicht gelungen der Bevölkerung das Konzept des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes verständlich zu machen. Das Konzept einer den Krankenhäusern vorgeschalteten ambulanten Notfallversorgung ist nicht in der allgemeinen Wahrnehmung verankert, die Servicenummer 116 117 ist großen Teilen der Bevölkerung unbekannt und somit unzureichend in der Realität angekommen. Stattdessen sind die „Trampelpfade“ zu den Krankenhausnotaufnahmen zwischenzeitlich immer breiter geworden. Wer ein medizinisches Problem hat, sucht die Lösung in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Dieser Prozess ist aus meiner Sicht nicht mehr umkehrbar, ohne die Krankenhäuser und ihre Infrastruktur kann heutzutage keine sinnvolle Bereitschaft- und Notfallversorgung mehr gewährleistet werden.

Die Konzentration auf die Krankenhäuser ist nicht nur negativ zu betrachten: Zum einen sind die Notaufnahmen wichtig für die Rekrutierung von Patienten, zum anderen ist die Notfallmedizin eine durchaus sinnvolle Bereicherung für die Ausbildung unserer Assistenten — insbesondere in der klinischen Neurologie. Aber die Strukturen und die personelle Ausstattung müssen sich ändern — ein „weiter so“ in der derzeitigen (Doppel-) Struktur ist medizinisch unsinnig und auch für den einzelnen Patienten nicht zielführend. Die klinischen Abteilungen der Krankenhäuser sind gerüstet, die an sie gestellten Aufgaben zu übernehmen, aber nicht auf der Basis des derzeitigen Finanzierungssystems, das Erbguth und Lange zu Recht als absurd bezeichnen. Eine schnelle und effiziente Lösung ist hier gefragt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre der aktuellen Ausgabe von „DNP“.

Ihr

Mathias Mäurer