Ambulant endoskopierende Einrichtungen zählen zu den Hoch-Risiko-Bereichen für die Übertragung von Sars-CoV2, mit dem exponenziellen Anstieg in der zweiten Welle der COVID-19-Pandemie hat diese Gefährdung weiter stark zugenommen. Dieser Artikel ist eine Einschätzung zur aktuellen Situation und gibt Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen für die Praxis.

Die COVID-19-Pandemie hatte - und hat in der aktuell viel größeren zweiten Welle - weiterhin für alle Einrichtungen des Gesundheitswesens in Deutschland massive organisatorische, strukturelle, finanzielle und persönliche Auswirkungen. Schon während der ersten Welle vom März bis Mai 2020 zeigte sich, dass Deutschland auf eine Pandemie nicht vorbereitet war, obwohl bereits 2012 der Ablauf einer Pandemie mit einem Pneumonievirus namens "Modi-SARS" in einer Bundestagsinformation detailliert beschrieben wurde (http://daebl.de/FP67). Bereits darin war dringend empfohlen worden, für eine derartige Pandemie große Mengen geeigneter Schutzausrüstung vorzuhalten und besonders vulnerable Gesellschaftsgruppen mittels geeigneter Handlungen zu schützen. Dies war jedoch unterblieben, was zu einem eklatanten Mangel an persönlicher Schutzausrüstung (PSA) auch in ambulant endoskopierenden Einrichtungen während der ersten Corona-Welle führte, obgleich die - vor allem bei Endoskopien des oberen Verdauungstraktes - zu den Hoch-Risiko-Bereichen für Virusübertragungen zählen.

Anhand als Volltext publizierter, verfügbarer Trendmeldungen, einer Literatursuche und eigenen Erfahrungen sollen einige wichtige Aspekte zur Situation ambulant endoskopierender Einrichtungen während der laufenden Pandemie beschrieben und Verbesserungsmöglichkeiten genannt werden.

Auswirkungen der Pandemie auf bundesdeutsche Gastroenterologieeinrichtungen

Die erste Welle der Pandemie hat in Deutschland durch den ersten "Lockdown" erhebliche Einschränkungen für zahlreiche ambulant endoskopierende Einrichtungen gebracht, da zwischen März und Mai 2020 viele elektive Untersuchungen abgesagt werden mussten. Zudem wurden manche Einrichtungen vorübergehend geschlossen oder arbeiteten mit reduzierter Personalstärke. In einigen Regionen blieben Patienten den Untersuchungen auch von sich aus fern, da sie hierbei Infektionen befürchteten. Wichtige Gründe dafür waren sicherlich der in Deutschland zu Beginn der Pandemie herrschende, teils eklatante Mangel an persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und Einschränkungen bei den Testsmöglichkeiten der Patienten. Durch diese Umstände gingen die elektiven Endoskopien mancherorts um geschätzte 70-90 % zurück, doch sind - im Gegensatz zu ambulanten hepatologischen Einrichtungen - bisher wenig Zahlen zu den genauen Veränderungen publiziert worden. Der Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen (bng) hat dazu im September 2020 ein Statement abgegeben (siehe auch Gastro-News 2020;07(5):66 [1]):

"... Infolge des fast zweimonatigen Lockdown haben nach einer bng-Umfrage 82,5 % der Einrichtungen über einen deutlichen Rückgang der Nachfrage nach Vorsorgekoloskopien berichtet. Nur zirka 23 % der Einrichtungen boten auch während des Lockdown Vorsorgekoloskopien an. In der Anfangsphase konnte in 62,2 % der Praxen Schutzausrüstung in nicht ausreichender Menge beschafft werden. 30 % der Praxen gaben an, dringliche Endoskopien aus benachbarten Kliniken übernommen zu haben, deren Endoskopieeinheiten vorübergehend geschlossen waren ..."

Zweite Welle

Seit Ende September 2020 wird von der "Zeiten Welle" der COVID-19-Pandemie in Deutschland und Europa gesprochen, da die Zahlen Infizierter und Toter nach längerer Sommerpause wieder zunahmen und schließlich exponentiell anstiegen. Damit nahm und nimmt die Gefährdung des exponierten Klinikpersonals bei aerosolproduzierenden medizinischen Eingriffen besonders stark zu. Sowohl die gastrointestinale Endoskopie als auch die Bronchoskopie und alle anderen intraoralen, intranasalen und endotrachealen Prozeduren stellen ein sehr hohes Risiko für das durchführende Klinikpersonal dar, das Corona-Virus selbst in hoher Partikelzahl aufzunehmen und daran zu erkranken [2, 3, 4]. Bereits im Frühjahr 2020 erschienen daher einzelne Empfehlungen zum Personalschutz durch Fachgesellschaften [2, 4] und Artikel von Fachkollegen aus besonders stark betroffenen Regionen wie der Lombardei [3]. Auch vom Robert Koch-Institut wurden allgemeine Empfehlungen herausgegeben [5], die sich im Wesentlichen auf geeignete Schutzausrüstungen und Hygieneregeln für das Personal im Gesundheitswesen bezogen. Anfänglich kreiste die öffentliche Diskussion noch um Fragen, wie etwa, ob ein Mund-Nasenschutz sinnvoll ist, da ein Massenansturm auf die im Frühjahr sehr knappen Schutzmaterialien befürchtet wurde. Es stellte sich heraus, dass die einige Jahre zuvor (Bundestagsvorlage 2012) bereits befürworteten Vorratslagerstätten in Deutschland nicht existierten und der Nachschub aus dem damals besonders stark betroffenen Herstellerland China vorübergehend fast zum Erliegen kam. Zwischenzeitlich sind viele weitere Literaturarbeiten erschienen, die unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Schutzmaßnahmen in der Endoskopie zwischen asiatischen Ländern, Europa und den USA erkennen lassen [6]. Mittlerweile ist die Beschaffung von PSA meist unproblematisch, wenn auch finanziell aufwändig. Auch stieg die Verfügbarkeit von Corona-Tests in Deutschland generell an.

Die ambulant endoskopierenden Einrichtungen waren, abgesehen von relativ spät anlaufender Materialunterstützung bei der PSA und individuellen Netzwerken, vielfach zunächst auf sich selbst gestellt. Die veränderte Patientenplanung, die Schutzmaterialbeschaffung (z. B. mit selbstgenähten Stoffmasken) und Maßnahmen zur Abmilderung finanzieller Ausfälle waren individuell vorzunehmen, wobei letzterer Aspekt sowie zukünftige Auswirkungen auf die Kolonkarzinomraten infolge der Lock-down-Maßnahmen nicht Thema dieser kurzen Übersicht sind.

Internationale Empfehlungen

Die wichtigsten 2020 publizierten Empfehlungen europäischer, amerikanischer, britischer, kanadischer, indischer und asiatischer Fachgesellschaften zum Virusschutz in endoskopierenden Einheiten fasst (▶Tab. 1) zusammen [7, 8, 9, 10, 11, 12], mit großer Übereinstimmung bei den allgemeinen Schutzmaßnahmen:

T1 Internationale Empfehlungen zum Virusschutz in endoskopierenden Einheiten
  1. Bereichskleidung, wasserdichte Überkittel, Brillen/Gesichtsschild und Haarschutz,

  2. ständiger Gebrauch von FFP-2- oder KN95- beziehungsweise FFP-3-Masken bei COVID-19-Patienten,

  3. Training des Personals im Umgang mit der Schutzausrüstung,

  4. stratifizierte Fragebogenmaßnahmen zum Patienten- und Personalschutz,

  5. ständige Händehygiene (Desinfektionsmittel),

  6. Reduktion der Patientenzahlen/größere Abstände im Aufwachraum,

  7. Vergrößerung der Screening-Intervalle,

  8. gute Raumbelüftung,

  9. Wartebereiche mit großen Abständen und guter Lüftung.

Bei den speziellen Schutzmaßnahmen existieren jedoch Unterschiede, die oft "risikoadaptiert" angegeben werden, indem diese vom individuellen Infektionsrisiko der untersuchten Patienten (HR = Hochrisikopatient) und/oder der Prävalenz der Infektionserkrankung im regionalen Umfeld abhängen. Dazu gehören vor allem:

  1. Screeningtests bei Patienten der Endoskopie,

  2. Screeningtests beim Endoskopiepersonal,

  3. Gebrauch von höher schützenden Gesichtsmasken (FFP-2, KN95, FFP-3) bei Endoskopien im unteren Gastrointestinaltrakt.

Über die individuelle Umsetzbarkeit oder Einhaltung dieser Empfehlungen in ambulant endoskopierenden Einrichtungen in Deutschland gibt es derzeit keine abrufbaren publizierten Daten. Aufgrund einer fehlenden finanziellen Kompensation dürfte(n) eine weitergeführte Reduktion der Patienteneinbestellungen und verlängerte Kontrollintervalle bei den Patienten während der zweiten Pandemiewelle zumindest unwahrscheinlich sein. Genaue Zahlen dazu könnten am ehesten die Krankenkassen liefern. Erste Meldungen aus Ostdeutschland [13] durch Trendmeldungen einzelner KVen lassen annehmen, dass die Patientenzahlen in niedergelassenen Einrichtungen verschiedenster Fachrichtungen bisher deutlich höher blieben als während der ersten Welle.

Besonders interessant wäre es, Daten darüber zu erhalten, wie häufig ambulant endoskopierende Einrichtungen in Deutschland ihre einbestellten Patienten vorher mittels PCR testen (lassen) und/oder seit Oktober 2020 dafür Schnelltests zur Risiko-reduktion für Patienten und Personal einsetzen. Publizierte Daten dazu sind derzeit leider nicht verfügbar. Damit bleibt die Effektivität dieser Screeningmaßnahmen in dem genannten Setting unklar. Eine Begleitforschung wäre in diesem Bereich jedoch dringend notwendig, um die Effektivität dieser Screeningverfahren besser einschätzen zu können, und um für künftige Pandemien besser gerüstet zu sein.

Literaturdaten

Eine als Volltext publizierte Arbeit untersuchte per webbasiertem Fragebogen die Strategie und Limitationen zur Wiedereröffnung bei 123 Praxiszentren in den USA und Kanada nach der ersten Infektionswelle im Frühsommer 2020 [14]. 55 % der Praxen waren reine ambulante Einrichtungen, 45 % befanden sich in einem Krankenhausgebäude. Während des Gipfels der ersten Welle kam es zu einem Rückgang der ambulanten Endoskopien um 90 %. Etwa nach 55 Tagen nach Abflauen der ersten Welle wurden die ersten Einrichtungen wieder geöffnet. Die wichtigsten Faktoren für eine Wiedereröffnung dieser endoskopierenden Praxen waren:

  1. deutliche Abnahme der örtlichen COVID-19-Prävalenz,

  2. Zugang zu ausreichender Schutzausrüstung (PSA),

  3. Möglichkeit zum Testen der einbestellten Patienten auf das SARS-CoV-2-Virus,

Das strikte Testen aller einbestellten Patienten konnte zum Zeitpunkt der Erhebung nur 49 % der Praxen durchführen, da regional nicht überall getestet werden konnte; spätere Aussagen im Verlauf sind dazu nicht publiziert. Zum Zeitpunkt der Erhebung wollten zirka 50 % der Praxen die PCR-Testung vor den Eingriffen anstreben. 53 % der Praxen gaben jedoch an, auch bei negativen PCR-Tests auf SARS-CoV-2 weiterhin KN95-/FFP-2-Masken während der Endoskopie zu tragen und bei der PSA nicht nachzulassen.

66 % der Praxen führten aus, dass immer noch zahlreiche Patienten Sicherheitsbedenken gegenüber elektiven Endoskopien bezüglich einer Virusübertragung in der medizinischen Einrichtung hegten. Interessant ist, dass viele Praxiseinrichtungen in den USA planen, den "Backlog" ausgefallener elektiver Endoskopien aufzuholen. Als beste Strategien dafür gaben 64 % an, die Praxis an Werktagen länger zu öffnen und mehr Endoskopien an diesen Tagen durchzuführen. 67 % der "freien" Praxen und 47 % der am Krankenhaus tätigen Praxen würden sogar an Wochenenden zusätzlich endoskopieren (!). Bezüglich des "physical distancing" im Endoskopiebereich gaben 88 % der Praxen an, weiterhin nur die Patienten in den Bereich kommen zu lassen. Die Arbeit in strikt getrennten Räumen und mit völlig getrennt arbeitenden Teams konnte nur jeweils eine Minderheit von Einrichtungen anbieten (38 %und 35 %).

Es zeigte sich ein klarer Handlungsbedarf bezüglich eines standardisierten testbasierten Vorgehens in der Endoskopiepraxis sowie eine ständige Information der Patienten über die Sicherheit der Einrichtung und getroffener Schutzmaßnahmen.

Zusammenfassung

  1. 16.

    Die Pandemie hat während der ersten Welle zu einem starken Rückgang elektiver Endoskopien in ambulant endoskopierenden Einrichtungen geführt. In der zweiten Welle ist der Rückgang wohl deutlich geringer, genaue Zahlen dazu fehlen jedoch.

  2. 17.

    Maßgeblich für den Rückgang waren besonders der harte Lockdown sowie der eklatante Mangel an Schutzausrüstung und an Testverfahren zu Beginn der Pandemie.

  3. 18.

    Seit Pandemiebeginn und Abflauen der ersten Infektionswelle erschienen zahlreiche internationale Empfehlungen der Fachgesellschaften zum Infektionsschutz in der Endoskopie. Inwieweit die Empfehlungen der Fachgesellschaften (▶Tab. 1) in Deutschland in den ambulanten Einrichtungen umgesetzt werden (können), ist unklar (keine Daten).

  4. 19.

    Während der zweiten Welle bleiben die meisten Einrichtungen geöffnet und wenden zahlreiche Schutzmaßnahmen an; ein einheitliches "Standardvorgehen" für Patienten- und Personalschutz ist im Detail jedoch nicht publiziert verfügbar.

  5. 20.

    Die Rolle und Effektivität von Testverfahren (PCR, Schnelltests) zum Schutz in ambulant endoskopierenden Einrichtungen ist derzeit leider nicht bekannt.

  6. 21.

    Zum routinemäßigen Einsatz von Schnell- und/oder PCR-Tests bei Patienten und Personal in ambulant endoskopierenden Einrichtungen gibt es keine verfügbaren, publizierten Daten.

  7. 22.

    Verlässliche Zahlen über in ambulanten Endoskopieeinrichtungen in Deutschland erworbene/weitergegebene Infektionen fehlen bisher (Personal, Patienten).

  8. 23.

    Wichtigste Faktoren für die Infektionssicherheit in ambulanten endoskopierenden Einrichtungen sind: abnehmende SARS-CoV-2-Prävalenz in der Umgebung, die Arbeit mit voller Schutzausrüstung und die Möglichkeit eines konsequenten Testens von Patienten und Personal.

Fazit für die Praxis

  1. 1.

    Die medizinischen Folgen des Patientenrückgangs in ambulanten endoskopierenden Einrichtungen während der Pandemiewellen sind derzeit nicht absehbar.

  2. 2.

    Ambulant endoskopierende Einrichtungen sollten einheitliche, gemeinschaftlich finanzierte und evaluierte Hygienestandards gemäß den internationalen Leitlinien zur Bekämpfung der Pandemie umsetzen können.

  3. 3.

    Eine Begleitforschung in ambulant endoskopierenden Einrichtungen wäre notwendig, um die Effektivität einzelner Maßnahmen zu ermitteln.

  4. 4.

    Für künftige Pandemiewellen ist ein bundesweites, zentrales Konzept mit Einbeziehung der ambulant endoskopierenden Einrichtungen notwendig.

  5. 5.

    Wegen der aktuell geringen, verfügbaren Impfstoffmengen in Deutschland dürfte sich die Situation zunächst nicht wesentlich verbessern lassen,

  6. 6.

    Das Personal ambulant endoskopierender Einrichtungen sollte gleichwohl aufgrund der hohen Infektionsgefahr insbesondere bei "oberen Endoskopien" so früh wie möglich geimpft werden.

  7. 7.

    Bis dahin muss weiterhin eine abnehmenden SARS-CoV-2-Prävalenz in der Umgebung angestrebt werden; zudem sollte weiterhin die Arbeit mit voller Schutzausrüstung und die Möglichkeit eines konsequenten Testens von Patienten und des Personals in den ambulanten Einrichtungen stringent erfolgen.