Fragestellung: Welche Auswirkung hat das Betreuungsumfeld (pädiatrisch oder erwachsen) auf die Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung bei jugendlichen Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED)?

Hintergrund: Die Manifestationen der CED bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich in Bezug auf Ausdehnung und Schwere der Erkrankung vom Erwachsenenalter. Aber auch die Versorgungsbedingungen für Jugendliche mit CED sind davon abhängig, ob sie bei pädiatrischen oder internistischen Gastroenterologen betreut werden. Die Einflüsse dieser Rahmenbedingungen auf die Erkrankung wurden anhand einer niederländischen populationsbezogenen Studie untersucht.

Patienten und Methodik: Auf Basis der Krankenkassendaten von 4,2 Millionen Versicherten (etwa ein Viertel der Bevölkerung) wurden von 2007 bis 2013 626 jugendliche Patienten mit CED im Alter von 16 bis 18 Jahren identifiziert. 380 (61 %) befanden sich primär in pädiatrischer, 246 (39 %)in internistischer Betreuung. Als Ergebnisparameter wurden Hospitalisationen, Kortikosteroid-Gebrauch, CED-assoziierte Klinikaufenthalte und Operationen sowie der Gebrauch von Biologika untersucht.

Ergebnisse: Die Gruppe in pädiatrischer Betreuung war etwas jünger (16,6 vs. 17,3 Jahre) und wurde häufiger in akademischen Krankenhäusern behandelt (48 % vs. 11 %). Die Verlaufsbeobachtung betrug bei mindestens 410 Patienten mehr als ein Jahr (Median 1,13 Jahre pädiatrisch und 1,37 Jahre internistisch). Der Anteil von Patienten mit Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn zeigte keinen signifikanten Unterschied. Die Rate einer Steroid-Anwendung war bei den Pädiatern geringer (33,4 pro 100 Patientenjahre) als bei den Internisten (56,7 pro 100 Patientenjahre). Für die Hospitalisationen waren die Anteile ebenfalls geringer: 28,2/100 Jahre versus 36,8/100 Jahre. Auch die Wahrscheinlichkeit eines Gebrauchs von Biologika lag mit 0,58 Hazard Ratio ([HR]; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,37–0,92) und CED-assoziierter Chirurgie HR = 0,51; (95 %-KI 0,18–1,39) niedriger.

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Kumulativer Anteil der Patienten unter Steroiden im CED-Krankenhaus und Einweisungen seit Studieneinschluss (angepasst an Alter, Geschlecht, Krankheitsstadium und Krankenhaustyp) [mod. nach Bottema RWB et al.].

Schlussfolgerungen: Trotz des geringeren Gebrauches von Steroiden und Biologika lag die Rate an Hospitalisationen bei pädiatrischer Betreuung signifikant niedriger. Die niedrigere Rate an Operationen war wegen der geringen Zahl unter der Signifikanzgrenze. Die aufgrund der großen Zahl inkludierter Patienten relevanten Daten könnten dazu beitragen, die Behandlung in dieser Altersgruppe zu optimieren.

Kommentar von Martin Claßen, Bremen

Weniger Hospitalisierung unter pädiatrischer CED-Betreuung

Die Bedingungen der CED-Betreuung in den Niederlanden ähneln denen in Deutschland, wobei es hierzulande bisher keine populationsbezogenen Daten gibt. Aufgrund der noch fehlenden Präsenz der pädiatrischen Gastroenterologie in der Fläche könnten sich zudem die Anteile an Patienten in internistischer Behandlung unterscheiden.

Die referierte Studie macht keine Aussagen zur Schwere der Manifestationen. Leider fehlen auch Daten zur Anwendung der enteralen Ernährungstherapie bei Morbus Crohn, die in der Pädiatrie die Standardtherapie zur Remissionsinduktion darstellt und aufgrund der hohen Erfolgsraten von rund 80 % zur Einsparung von Steroiden und Biologika beiträgt.

Die Studie sollte Anlass sein, die Gründe für die Unterschiede weiter zu erforschen, und im engen Dialog zwischen pädiatrischer und internistischer Gastroenterologie die Behandlung in der Altersgruppe, in der sich die Betreuung überlappt, abzustimmen und zu optimieren.

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Dr. med. Martin Claßen