Fragestellung: Die Zuverlässigkeit der Antikörpertestungen bei Verdacht auf Zöliakie hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Diskussionspunkte bei vielen Patienten ist die Frage, in welchen Fällen bei positiven Antikörpern (AK) auf eine Biopsie verzichtet werden kann.

Material und Methodik: Die europäische, multizentrische, prospektive Untersuchung ProCeDE wurde von der Arbeitsgruppe um Prof. Sybille Koletzko aus dem v. Haunerschen Kinderspital, München, koordiniert. Analysiert wurden die Daten von 707 Kindern (mittleres Alter 6,2 Jahre [0,7–18,6], 65 % weiblich). 18 % hatten einen erstgradigen Verwandten mit Zöliakie, 9,2 % einen Typ-1-Diabetes, 2,3 % eine autoimmune Thyreoiditis und 1,1 % ein Down-Syndrom. Bei allen wurden Gewebstransglutaminase-AK (mit zehn verschiedenen Testkits) und Endomysium-AK bestimmt sowie eine HLA-Typisierung und eine Duodenalbiopsie vorgenommen.

Ergebnisse: Bei Kindern mit mindestens einem Symptom, einer Erhöhungen der Transglutaminase-AK (TGA-IgA)über dem zehnfachen der Norm, positiven Endomysium-AK (EMA) (▶Abb. 1) in einer zweiten Blutentnahme war die diagnostische Treffsicherheit enorm hoch: Der positiv prädiktive Wert lag bei 99,75 (95 % [Konfidenzintervall] KI 98,61–99,99).

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Endomysium-IgA-Antikörper in der indirekten Immunfuoreszenz.

© Laaß

Schlussfolgerungen: Die Autoren schlussfolgern, dass bei Kindern mit dieser Befundkonstellation sowohl die HLA-Typisierung als auch die Biopsie verzichtbar ist.

Kommentar von Martin Claßen, Bremen

Biopsien nicht vorschnell als unnötig deklarieren

Die aufwändige und sehr sorgfältige Studie belegt eindrucksvoll die Fortschritte in der Güte der AK-Bestimmungen. Mit der oben angegebenen Befundkonstellation kann bei > 50 % der Kinder die Diagnose Zöliakie ohne Biopsie gesichert werden. Weiterhin endoskopiert werden sollten diejenigen, die über ein Screening ohne Symptome auffällig wurden, und diejenigen mit geringerer AK-Höhe. Die Daten gelten zudem nicht für Erwachsene und nur für die in der Studie angewendeten Transglutaminase-Testkits.

Sowohl diese Studie als auch eigene Erfahrungen spiegeln wider, dass es neben den eindeutig positiven auch eine relevante Zahl von Fällen gibt, die einer weiteren Aufarbeitung bedürfen. Insofern sollte man nicht vorschnell die Biopsien generell als unnötig deklarieren. Bei der Betreuung von Patienten über lange Zeit lernt man, dass es hilfreich ist, zu Beginn jegliche Restzweifel an der Diagnose der Zöliakie zu zerstreuen. Sonst kommt es oft nach Jahren, typischerweise bei Adoleszenten, zu Fragen nach der Diagnosesicherheit, die man dann schwerer beantworten kann. Wenn eine Diät begonnen wurde, sind weitere diagnostische Maßnahmen (abgesehen von der HLA-Bestimmung) ohne Wert. Insgesamt schätzt man das Risiko und die Belastung einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie bei guten Rahmenbedingungen als sehr niedrig ein. Ich plädiere deswegen im Zweifel und bis zur Neuformulierung der Leitlinie für die Durchführung von Biopsien. Auch muss klar geregelt werden, wie die ärztliche Beratung über die Erkrankung und die Diätberatung nach serologischer Diagnosestellung ambulant vergütet werden — bisher konnte man dies im Rahmen tagesklinischer Endoskopien gut integrieren.

Fazit: Bei symptomatischen Kindern mit Zeichen der Malabsorption ohne IgA-Mangel mit hohen TG-AK und positiven EM-AK in einer zweiten Blutentnahme kann nach ausführlicher Beratung auf HLA-Bestimmung und Biopsien verzichtet werden.

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Dr. med. Martin Claßen