Unter einer Therapiebegrenzung bei onkologischen Patienten mit infauster Prognose wird die Beendigung von Maßnahmen verstanden, die darauf abzielen, das Leben zu verlängern. Dazu zählen vor allem der Verzicht auf

  • intensivmedizinische Maßnahmen wie Reanimation, Dialyse oder invasive Beatmung, aber auch

  • den Einsatz von Blutprodukten,

  • parenteraler Ernährung oder

  • tumorspezifischen Therapien.

„Es fällt dem Arzt zwar meist leicht, ein Bauchgefühl zu entwickeln, was getan werden sollte und was nicht. Ungleich viel schwerer fällt es aber, dieses Gefühl auch zu begründen“, sagte Bernd Alt-Epping, Göttingen. Die Entscheidung zur Therapiebegrenzung am Lebensende erfordere jedoch eine dezidierte Begründung: „Denn die Feststellung, dass eine medizinische Indikation wegfallen soll, beinhaltet zugleich implizit ein Werturteil“, betonte der Palliativmediziner. Damit sei die Entscheidung über die Begrenzung lebensverlängernder Maßnahmen zugleich ein normativer Prozess und eine ethische Herausforderung.

Erweiterung der Leitlinie

„In dieser Situation wünschen wir uns alle praktische Handlungsanweisungen“, erklärte Alt-Epping. Eine solche befinde sich derzeit mit dem zweiten Teil der S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ [www.awmf.org] in Vorbereitung. Dieses zweite Modul der Leitlinie, das voraussichtlich 2019 erscheint, wird u. a. Kapitel zu den Themen Angst, Übelkeit und Erbrechen, Fatigue, Schlafstörungen sowie zum Umgang mit Todeswünschen enthalten, darüber hinaus aber auch ein Kapitel zur Entscheidungsfindung über Therapieziele und Behandlungsmaßnahmen.

Die Frage, was in einer konkreten Behandlungssituation das Therapieziel sei, könne grundsätzlich gar nicht oft genug gestellt werden, konstatierte Alt-Epping.

Wie der Palliativmediziner betonte, soll die Leitlinie nicht nur Daten als Entscheidungsbasis liefern, sondern erstmals auch normative Grundlagen für Therapie- und Therapiebegrenzungsentscheidungen nennen. Alt-Epping ergänzte: „Damit kann sie dem Arzt Handlungssicherheit geben und im Gespräch mit dem Patienten und dessen Angehörigen, aber auch mit Kollegen als Argumentationsverstärker dienen“.

„Klug entscheiden“

Auch in dem Projekt „Klug entscheiden“ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM), so Alt-Epping, werde versucht, den normativ-bewertenden Prozess der Entscheidungsfindung bei inkurablen Patienten leitlinientauglich bzw. als Handlungsanweisung zu formulieren [Alt-Epping B. Internist 2017;58(6):575-9]. Die Initiative verfolge das Ziel, sowohl eine Über- als auch eine Unterversorgung der Patienten zu vermeiden. Zu diesem Zweck würden Positiv- und Negativ-Empfehlungen aufgelistet.

Therapieziel bestmögliche Lebensqualität

Ein Beispiel für eine solche Positiv-Empfehlung, die sich gegen eine in der Praxis häufig vorkommende Unterversorgung richte, sei die regelmäßige Erfassung und, wenn möglich, kausale Behandlung von Angst und Unruhezuständen in der Sterbephase, erläuterte Alt-Epping. Dagegen sollten sämtliche Maßnahmen, die nicht dem Therapieziel bestmöglicher Lebensqualität dienen, in der Sterbephase entweder nicht eingeleitet oder beendet werden. Darunter fallen Alt-Epping zufolge beispielsweise die Einnahme von Statinen oder die Deaktivierung der Schockfunktion von implantierbaren Kardiovertern/Defibrillatoren (ICDs).

„Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die palliativmedizinische Perspektive auf die Fragen nach der medizinischen bzw. ärztlichen Indikation möglicherweise ein paradigmatischer Ansatz sein könnte, um grundlegende Therapieprinzipien zu reflektieren“, schloss Alt-Epping.