Prof. Frank Griesinger schildert seine Highlights zu Lungentumoren vom Deutschen Krebskongress (DKK) 2018.
? Herr Professor Griesinger, was war für Sie das Highlight beim Krebskongress im Zusammenhang mit Lungentumoren?
Prof. Frank Griesinger: Im Vordergrund stand ganz klar die Immuntherapie beim NSCLC, sowohl als Zweitlinientherapie in der metastasierten Situation als auch in der Erstlinientherapie. Es gibt jetzt Studiendaten, die im April 2018 veröffentlicht werden und vermutlich dazu führen, dass die Kombination einer Chemotherapie mit einer Immuntherapie Standard werden wird. Das gilt auch für viele Patienten, die bisher ausschließlich in der Zweitlinientherapie eine Immuntherapie erhalten haben. Ein Highlight waren auch die Fortschritte in der Therapie der molekular definierten Patienten, vor allem im Zusammenhang mit der Sequenztherapie und den Resistenzmechanismen. Leider erhalten bis zu 50 % der Patienten, weil sie nicht getestet werden, diese hochwirksamen und spezifischen Therapien nicht (Daten aus dem CRISP-Register).
? Gibt es praxisrelevante Studienergebnisse, auf die sich Ärzte in der Therapie von Lungenkrebspatienten einstellen müssen?
Griesinger: Es kommt noch in diesem Jahr eine Flut von Studiendaten auf uns zu, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu Änderungen der Therapiealgorithmen beim NSCLC führen werden.
? Sie haben eine ganze Reihe von neuen Studien der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft (AIO) vorgestellt. Welche ist die innovativste?
Griesinger: Die Studie, die am anspruchsvollsten ist und die meisten Fragestellungen hat, wird von Professor Jürgen Wolf vom Centrum für Integrierte Onkologie am Universitätsklinikum Köln koordiniert: die Bioluma-Studie. In dieser Phase-II-Studie wird bei Patienten mit rezidiviertem Lungenkrebs anhand von frischem Gewebe und einem translationalen Ansatz sowohl das Ansprechen als auch das Nichtansprechen auf eine Immuntherapie untersucht.
? Um welche Immuntherapeutika handelt es sich dabei?
Griesinger: In der Studie wird der Immuncheckpointhemmer Nivolumab mit oder ohne Ipilimumab verabreicht. Vor der Therapie und bei sehr gutem Ansprechen oder auch bei Progress wird erneut biopsiert. In der Studie wird nicht nur formalinfixiertes, sondern auch frisches Gewebe untersucht. Das ist eine logistische Herausforderung. Das Gewebe muss schockgefroren, rasch verschickt und aufgearbeitet werden, was nur spezialisierten Zentren vorbehalten ist.
? Welchen Stellenwert hat die Immuntherapie bereits jetzt bei Lungentumoren?
Griesinger: Sie ist im Wesentlichen bei allen Patienten Standard in der Zweit- oder Drittlinientherapie. Sie ist auch Standard als Monotherapie in der Erstlinie bei etwa einem Viertel der Patienten mit einer hohen PD-L1 Expression. Noch 2018 wird die Einführung der Immuntherapie zur Konsolidierung im frühen Stadium IIIA und IIIB nach definitiver Radiochemotherapie erwartet, letzteres basiert auf den Ergebnissen der PACIFIC-Studie mit Durvalumab.
? Was ist das derzeit größte Defizit in der Therapie?
Griesinger: Die molekulare Therapie macht nach wie vor große Fortschritte und ist für die Patienten von großem Nutzen. Doch nach wie vor werden, wie erwähnt, zu wenige Patienten getestet, um dann mit einer spezifischen Therapie behandelt werden zu können. Das ist immer noch ein Riesendefizit. Die meisten Patienten mit Lungenkarzinomen werden im stationären Bereich diagnostiziert. Doch aus dem stationären Bereich heraus ist eine molekulare Testung nicht finanziert.
Literatur
Das Interview führte Peter Leiner
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Springer Medizin. „Chemo- plus Immuntherapie wird zum Standard“. Im Focus Onkologie 21, 52 (2018). https://doi.org/10.1007/s15015-018-3906-1
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