Der genetische Fingerabdruck, und weniger das betroffene Organ, bestimmt bei nicht mehr operablen Tumoren zunehmend die Therapiewahl. Dabei wird oft so getan, als seien die genetischen Eigenschaften eines Tumors und seiner Metastasen homogen und über den Krankheitsverlauf konstant. Das sei aber nicht der Fall, sagte Mechthild Krause, Dresden: „Wir wissen heute, dass der Primärtumor oft aus vielen verschiedenen genetischen Subklonen besteht, deren Zahl im Zeitverlauf auch zunehmen kann.“ Diese Subklone können eine unterschiedliche „Neigung“ zur Metastasierung besitzen. Und wenn sich zirkulierende Tumorzellen eines „metastasierungsfreudigen“ Subklons an einer Stelle absiedeln, dann können sie dort weitere Mutationen entwickeln, die im Primärtumor nicht vorhanden waren. Die Konsequenz: Primärtumor und Metastase können sich auf molekularer Ebene unter Umständen deutlich unterscheiden.

Krause berichtete über eine Forschungsarbeit, die zeigt, wie ausgeprägt die Unterschiede sein können. Mithilfe von Next-Generation-Sequencing-Technologien wurden bei Patienten mit Lungentumoren und Hirnmetastasen Primärtumor und Absiedelungen molekulargenetisch verglichen. Dabei wurde nicht nur herausgefunden, dass die klonale Zusammensetzung unterschiedlich war. Auch die Zahl der Mutationen unterschied sich teilweise um den Faktor zehn [Paik PK et al. Cancer Discov. 2015; 5(6):610-21]. Klinisch ist das durchaus relevant. Krause erwähnte unter anderem Patienten mit Oligometastasierung, also nur einigen wenigen Metastasen, die keine Tendenz zur raschen Ausbreitung zeigen. Diese Patienten könnten z. B. mit gezielten strahlentherapeutischen Verfahren lokal behandelt werden, und zwar, wenn wirklich nur Einzelmetastasen vorliegen, nicht palliativ sondern mit kurativer Intention.

Das passiert auf Basis klinischer Einschätzungen teilweise heute schon. Das Problem ist aber, dass Ärzte nicht ohne weiteres wissen können, wie sich eine Metastase verhält: „Derzeit machen wir eher Übertherapie, weil wir Patienten für oligometastasiert halten, obwohl sie eigentlich eine palliative systemische Therapie bräuchten“, so Krause. Hier könnten künftig neue Biomarker ins Spiel kommen: Eine Art „metastatisches Profiling“ von Tumor und Metastase soll künftig Informationen darüber liefern, wie wahrscheinlich weitere Metastasen sind.

Bei einer solchen Herangehensweise müssten letztlich auch klinische Studien anders konzipiert werden als jene, die bei metastasierten Patienten heute üblich seien, betonte Krause. Nötig seien dann Studien mit dem Endpunkt „permanente Heilung“, ergänzt durch bisher unübliche Endpunkte wie eine Verringerung sekundärer Metastasten. Bis dahin ist es noch ein Stück Weg. Aber die Richtung ist klar: Nicht nur auf den Tumor, auch auf die Metastase kommt es an.