Ermüdbarkeit („fatigability“) — so heißt das Konzept, das ein Team um Gillian Gresham von der Johns Hopkins School of Public Health, Baltimore, MD/USA, aus der Gerontologie geborgt hat, um die Fatigue-Forschung weiterzubringen. Ermüdbarkeit ließe sich als Aufgaben-abhängige Fatigue definieren und werde in der Gerontologie bereits durch validierte und standardisierte Tests gemessen. In diesen Tests wird erfasst, wie schnell die Probanden eine bestimmte Strecke gehen können und wie sehr sie sich dadurch erschöpft fühlen.

In ihrer Analyse fanden Gresham und Mitarbeiter Hinweise, dass Krebsüberlebende im Vergleich zu Nichterkrankten schneller ermüden und eine geringere Ausdauer aufweisen — bzw., dass sich diese Werte im Laufe des Älterwerdens schneller verschlechtern. Alter und Krebsdiagnose könnten additiv physische Erschöpfung und eine geringere Ausdauer begünstigen, vermuten die Forscher.

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Krebsüberlebende ermüden auch Jahre nach der Diagnose schneller als Nichterkrankte.

© Dean Mitchell / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Gresham und Mitarbeiter hatten Daten aus der Baltimore Longitudinal Study of Aging (BLSA) analysiert, die seit 1959 läuft. In dieser Studie werden ≥ 1.500 vorwiegend ältere Personen (Anteil > 65 Jahre: 55 %), die bei Aufnahme in die Studie an keinen chronischen Erkrankungen litten, alle 1–4 Jahre medizinisch untersucht. Seit 2007 gehören zu den Checkups 2 Gehtests:

  • RPE („Borg rating of perceived exertion“): Teilnehmer laufen für 5 Minuten langsam auf einem Laufband und bewerten ihre Erschöpfung auf einer Skala von 6–20 (6 = keine Erschöpfung, 20 = max. Erschöpfung; Werte ≥ 10 = „hohe Erschöpfung“).

  • 400 m-Test: Die Teilnehmer werden instruiert, so schnell wie möglich in einem Tempo zu gehen, das sie für 400 m durchhalten können. Teilnehmern, die ≥ 5 min benötigten bzw. die Strecke nicht schafften, wurde eine „reduzierte Ausdauer“ attestiert.

Für die jetzige Analyse beschränkten sich die Forscher auf den Zeitraum 2007–2015 und werteten Daten von 1.665 Teilnehmern aus, von denen 334 (20 %) eine Krebsdiagnose erhalten hatten; diese lag median 8 Jahre zurück (medianes Alter zum Zeitpunkt der Diagnose: 66 Jahre). Im Schnitt wurden die Teilnehmer 4-mal untersucht. Krebsüberlebende waren eher Männer, älter (> 65 Jahre) und Raucher.

In der Gesamtkohorte verschlechterten sich die Werte für RPE und 400 m-Test im Lauf der Zeit. Im Vergleich zu Nichterkrankten hatten Krebsüberlebende ein 1,6-mal höheres Risiko für eine „hohe Erschöpfung“ im RPE (p = 0,03); auch brauchten sie für die 400 m im Schnitt 14 s länger als Personen ohne Krebsdiagnose (p < 0,001). Die mediane Zeit, bis im Laufe der Untersuchung eine „hohe Erschöpfung“ bzw. „reduzierte Ausdauer“ diagnostiziert wurde, war bei Krebsüberlebenden 2,5 bzw. 2 Jahre kürzer als bei Nichterkrankten.

Berücksichtigt wurden je nach Analyse mögliche Störvariablen wie Alter, Geschlecht, Ethnie, Body-Mass-Index, Raucherstatus und Komorbiditäten.

Fazit: Die Messung von Ermüdbarkeit über standardisierte Gangtests könnte helfen, den Funktionsstatus von (älteren) Krebsüberlebenden besser einzuschätzen. Eine zurückliegende Krebsdiagnose war bei älteren Probanden in 2 Gehtests mit einer höheren selbsteingeschätzten Ermüdbarkeit und geringeren Ausdauer verbunden. Möglicherweise wirken sich dabei die Krebserkrankung und das Älterwerden additiv ungünstig auf die physische Ermüdbarkeit und Ausdauer aus, vermuten die Forscher.