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„8.000 zusätzliche Pflegekräfte, wie aktuell seitens der alten und neuen Koalition propagiert, erscheinen als der berühmte ‚Tropfen auf den heißen Stein‘“.

Kerstin Paradies

Sprecherin der Konferenz onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege (KOK) in der Deutschen Krebsgesellschaft, Hamburg

© Manuela Schneider

Nahezu eine halbe Million Menschen erkrankt derzeit pro Jahr in der Bundesrepublik neu an einem Krebsleiden. Die Tendenz ist leider steigend. Ärzte und Pflegekräfte sind sich dieser Herausforderung bewusst und darin einig, dass es nur eine funktionierende fach- und professionsübergreifende Zusammenarbeit ermöglichen wird, Patienten optimal zu betreuen. Dazu ist es notwendig, die onkologisch Pflegenden nachhaltig zu stärken. Onkologische Pflegekräfte sollen und wollen eine führende Rolle in der Pflege von Krebspatienten übernehmen. Sie möchten unabhängig Entscheidungen treffen dürfen und als gleichwertiger Partner in einem multiprofessionellen Team Verantwortung übernehmen. Aber es gibt Widerstände und es fehlen zum Teil klare Regelungen. Teile der Ärzteschaft beharren auf ihren Kernkompetenzen und negieren dabei, dass Pflegende schon längst ärztliche Aufgaben übertragen bekommen haben, allerdings nur inoffiziell und unter dem Damoklesschwert eines erhöhten Haftungsrisikos. Hier ist der Gesetzgeber aufgerufen, Klarheit zu schaffen.

Nach erfolgter Diagnose und Behandlungsvorgaben durch den Arzt ist die onkologische Pflegekraft oft erster Ansprechpartner für Patienten und Angehörige für Fragen rund um die Erkrankung. Sie verabreicht die Chemotherapie, berät in Bezug auf Ernährung, tröstet und baut auf. Nicht nur durch neue Therapieformen, etwa die Immuntherapie, ist die onkologische Pflegekraft einem stetigen Spannungsfeld aus immer komplexer werdenden fachlichen Anforderungen und oft schweren menschlichen Schicksalen ausgesetzt.

Obwohl sich der einzelne onkologisch Pflegende durchaus die Frage stellen wird, ob und wie er das alles bewältigen soll, sollte der Patient von einem bekräftigendem „Wir-schaffen-das“ ausgehen dürfen. Hierfür bedarf es aber weiterer, den Pflegebereich stärkender Maßnahmen durch den Gesetzgeber und die Bereitschaft der Kostenträger, bis an die Grenzen des objektiv Machbaren zu gehen.

8.000 zusätzliche Pflegekräfte, wie aktuell seitens der alten und neuen Koalition propagiert, erscheinen als der berühmte „Tropfen auf den heißen Stein“. Diese Zahl wird bei weitem nicht ausreichen. Zudem dürften diese Stellen, und dies ist eine bittere Tatsache, aus dem am Markt vorhandenen Potenzial gar nicht zu decken sein.

Der Pflegeberuf ist derzeit (noch) nicht attraktiv.Dieser Entwicklung gilt es nachhaltig entgegenzuwirken; zum einen durch Verbesserungen der Rahmenbedingungen — dazu gehört auch eine signifikant höhere Vergütung der Pflegekräfte —, zum anderen die vorbehaltlose Anerkennung der Pflegekraft als gleichwertiges Mitglied des interdisziplinären Teams.

Das, was derzeit vonseiten der Verantwortlichen geplant ist, ist völlig unzureichend, um dieses Ziel auch zu erreichen und nicht beim Versuch einer Umsetzung zu bleiben.

Kerstin Paradies