Für Alexander Eggermont, Paris, Frankreich, ist die Checkpointhemmung eine lang ersehnte Erfolgsgeschichte: „Der Nobelpreis dafür ist überfällig.“ Zusammen mit Kollegen aus Deutschland diskutierte er den aktuellen Stand und die Zukunft der Krebsimmuntherapie im Rahmen der 5. Deutsch-Französischen Medizin Debatte, zur der u. a. das „SZ forum Gesundheit“, die Katholische Akademie in Bayern, das Institut Français und die beiden Münchner Universitäten eingeladen hatten.

Insbesondere die Hemmung von PD-1 („programmed cell death protein 1“) und dessen Liganden 1 (PD-L1) werde das Rückgrat der Immuntherapie in den kommenden Jahren werden bzw. bleiben, so Eggermont.

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Setzt auf das Konzept der Checkpointblockade: Alexander Eggermont.

© Katholische Akademie Bayern

Neues Toxizitätsmanagement

Allerdings warnte er davor, angesichts der großen Erfolge die zum Teil gravierenden Nebenwirkungen der Immuntherapie aus dem Blick zu verlieren. Diese erforderten neue Formen des Nebenwirkungsmanagements; dazu gehöre es, die Kommunikation zwischen Patienten und Behandlern zu verbessern — auch durch Geräte wie Tablets. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass etwa eine potenziell tödliche Nebenwirkung wie die Kolitis vom nicht informierten Allgemeinmediziner als harmlose Durchfallerkrankung verkannt würde. Zudem müssten Langzeitdaten abgewartet werden, um auszuschließen, dass „nach 15 Jahren noch ganz neue Erkrankungen als Folge der Immuntherapie auftreten“.

Kürzer behandeln?

Mit Blick auf die Nebenwirkungen — aber auch auf die Kosten — erklärte Eggermont: „Ich glaube, dass wir Anti-PD-1-Therapien viel zu lange geben“. Hier seien akademische Studien erforderlich, um zu klären, ob die Checkpointinhibition verkürzt werden könne: „Pharmafirmen werden diese Studien nicht finanzieren.“

Problem der Immunogenität

„Das Ansprechen auf eine Checkpointblockade ist bei sogenannten heißen Tumoren größer als bei kalten“, erklärte Marion Subklewe, München. „Unter heißen Tumoren verstehen wir solche, die im Unterschied zu kalten in hohem Maße durch T-Zellen infiltriert sind.“ Kalte in heiße Tumoren zu überführen, sieht auch Eggermont als eine der zentralen Herausforderungen für die Immuntherapie. Er ergänzte: Das Ausmaß, in dem Tumoren mit T-Zellen infiltriert seien, hänge auch mit der Mutationslast der Malignome zusammen. „Tumoren mit hoher Mutationslast füttern das Immunsystem mit Antigenen“, so Eggermont. Damit lasse sich erklären, warum die Checkpointblockade bei bestimmten Tumoren wie Sarkomen oder dem Prostatakarzinom wenig wirksam sei. Um herauszufinden, welche Tumoren ansprechen, sei zurzeit ein Marker für defiziente DNA-Reparaturmechanismen — die Mikrosatelliteninstabilität (MSI) — der beste Prädiktor: „Der MSI-Test für alle Tumorentitäten wird kommen“, gab sich Eggermont überzeugt.

Neue Zulassungen erwartet

Tatsächlich wurde der MSI-Status für eine aktuelle Zulassung durch die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA berücksichtigt [Link zur News auf der FDA-Website: http://bit.ly/2sf4hlP]. Am 23. Mai wurde der Checkpointinhibitor Pembrolizumab für Patienten zugelassen, die an nichtresezierbaren oder metastasierten soliden Tumoren leiden und deren Erkrankung nach Vorbehandlung fortgeschritten ist. Die Zulassung gilt für Tumoren mit hoher MSI oder defizienter DNA-Mismatch-Reparatur (dMMR). Das Besondere: Die Zulassung erfolgte unabhängig von Ort und Gewebe der Tumoren — ein absolutes Novum.

2018 würden neue indikationsbezogene Zulassungen folgen, so Eggermont. Er erwarte für die PD-1/PD-L1-basierte Therapie Zulassungen für das Analkarzinom, das kleinzellige Lungenkarzinom, das Ösophaguskarzinom, das Mesotheliom und das Magenkarzinom.

Ein Blick zurück macht Hoffnung

Stefan Endres, München, machte deutlich, dass die Immuntherapie in absehbarer Zeit die klassischen Verfahren der Krebsbehandlung — Chirurgie, Radiatio, Chemotherapie — nicht werde ersetzen können. Gleichwohl sei es ein enormer Erfolg, dass es gelungen sei, das körpereigene Immunsystem gegen Tumoren in Stellung zu bringen. Endres verglich das mit einem medizinischen Durchbruch, der vor rund 200 Jahren seinen Anfang genommen hätte: den Schutzimpfungen gegen Infektionen.