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Dr. med. Thomas Hoppen, Koblenz

Die derzeitige Standardbehandlung einer latenten Infektion mit Mycobacterium tuberculosis bei Kindern erfolgt mit Isoniazid über 6–9 Monate und steht aufgrund einer schlechten Adhärenz und medikamententoxischen Wirkung in der Kritik. Für Erwachsene konnte die Behandlung mit 4 Monaten Rifampicin erneut als sicherer, verbunden mit einer höheren Akzeptanz belegt werden [1]. In der gleichen Ausgabe des New England Journal of Medicine veröffentlichte diese Arbeitsgruppe unter kanadischer Leitung auch ihre überzeugenden Ergebnisse bei Kindern [2].

In dieser multizentrischen, Open-label-Studie wurden 844 Kinder mit latenter Tuberkulose-Infektion und einem Durchschnittsalter von 10 Jahren randomisiert. Verglichen wurden 4 Monate Rifampicin- mit 9 Monate Isoniazid-Therapie. Das primäre Ergebnis waren unerwünschte Ereignisse, die zum Absetzen des Studienarzneimittels führten. Sekundäre Endpunkte waren die Therapieadhärenz, das Nebenwirkungsprofil und die Wirksamkeit. Unabhängige Überprüfungsgremien beurteilten alle unerwünschten Ereignisse und das Fortschreiten zur aktiven Tuberkulose.

Es konnten schließlich 829 Kinder in die modifizierte Intention-to-treat-Analyse aufgenommen werden. 360 von 422 Kindern (85,3 %) in der Rifampicin-Gruppe, jedoch nur 311 von 407 (76,4 %) in der Isoniazid-Gruppe schlossen die Therapie protokollgerecht ab.

Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich der unerwünschten Ereignisse. Eine aktive Tuberkulose wurde bei zwei Kindern in der Isoniazid-Gruppe über ein Follow-up von 542 Personenjahren diagnostiziert und bei keinem Kind in der Rifampin-Gruppe über 562 Personenjahre.

Als Fazit wurde formuliert: Bei Kindern unter 18 Jahren hatte die Behandlung einer latenten Tuberkuloseinfektion mit 4 Monaten Rifampicin ähnliche Raten an Sicherheit und Wirksamkeit, aber eine bessere Adhärenz als 9 Monate Behandlung mit Isoniazid.

Kommentar

Das Nebenwirkungspotenzial beider Medikamente ist groß, zur Verdeutlichung werden einige davon in einer selektiven Auswahl nachfolgend aufgelistet. Als wichtigste Nebenwirkung von Rifampicin sind Leberschädigungen bekannt. Rifampicin führt bei Einnahme zu einer rot-orangen Färbung von Körperflüssigkeiten. Hierdurch kann es auch zu einer dauerhaften Verfärbung von weichen Kontaktlinsen und auch von Kleidung kommen. Eine Teratogenität von Rifampicin ließ sich nur bei hoher Dosierung im Tierversuch nachweisen, trotzdem sollte sein Einsatz während einer Schwangerschaft kritisch abgewogen werden. Häufiger werden Appetitlosigkeit, Magenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Blähungen, Durchfall, Exantheme und Juckreiz beobachtet.

Die Liste von Isoniazid ist nicht weniger beeindruckend: Aufgrund des lebertoxischen Potenzials kann es ebenfalls zu Leberfunktionsstörungen kommen. Isoniazid greift in den Vitamin-B6-Stoffwechsel ein und begünstigt so Polyneuropathien. Pyridoxin sollte deshalb zusätzlich verabreicht werden. Isoniazid inhibiert zahlreiche Isoformen des Cytochrom-P450-Systems der Leber, dadurch sind etliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten möglich. Bei der Behandlung kann es zu einer Reduktion des Vitamin-D-Serumspiegels und mit Paracetamol zu einer Leberschädigung durch normalerweise unschädliche Paracetamol-Dosierungen kommen. Isoniazid erhöht die Toxizitätsrate von antiepileptisch wirkenden Arzneimitteln wie zum Beispiel Phenytoin und Carbamazepin.

Somit ist es sehr erfreulich, wenn schon eines dieser Medikamente bei der latenten Tuberkulose indiziert ist, die Therapiezeitraum unbedingt so kurz wie möglich zu gestalten. Insofern kann die Kernaussage dieser Studie, die sich durch ein komplettes Follow-up von über 98 % auszeichnet und Kinder aus Australien, Benin, Brasilien, Ghana, Guinea, Indonesien und Kanada einschloss, nur begrüßt werden.