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In dieser Rubrik stellen wir Ihnen kurz und knapp „Orphan Diseases“ vor, bei denen es aktuell neue Erkenntnisse zu Diagnostik und Therapie gibt.

© [M] Olena Timashova / iStock

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Fachliche Betreuung:

Dr. Christina Lampe, Zentrum Seltene Erkrankungen, Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden

Beschreibung: Der Morbus Niemann-Pick Typ A/B (NP-A/B, Acid Syringomyelinase Deficiency [ASMD]) gehört zu den Shingolipidosen und somit zur Gruppe der lysosomalen Speichererkrankungen. Es werden drei Formen unterschieden:

  • infantil-neuroviszerale ASMD (NP-A): schwere Neurodegeneration beginnend im 1. Lebensjahr und Tod mit etwa 3 Jahren aufgrund von Lungenversagen

  • chronisch-neuroviszerale ASMD (Intermediärform NP-A/B): Symptomatik wie NP-B, aber mit neurologischer Beteiligung

  • chronisch-viszerale ASMD (NP-B): späteres Einsetzen der Symptomatik mit Hepatosplenomegalie, verzögertem Wachstum, Lungenfunktionsstörungen, Hyperlipidämie und Thrombozytopenie [1, 2].

Prävalenz: circa 1 : 250.000

Erbgang: Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt. Der Gendefekt liegt auf dem SMPD1-Gen auf Chromosom 11p15.1-4.

Pathophysiologie: Der Gendefekt führt zu einem Funktionsverlust des lysosomalen Enzyms saure Sphingomyelinase. Daher können Sphingomyeline (Bestandteile der Zellmemran) nicht mehr abgebaut werden. In der Folge lagern sich Ceramid und Phosphorylcholin in Zellen insbesondere von Geweben mit Immun- und Fremdabwehrfunktion (Leber, Milz, Lunge, Knochenmark und Lymphknoten) ab.

Klinik: Der NP-B verläuft sehr heterogen. Ein Überleben bis in die 5.–6. Lebensdekade wird berichtet. Die Erkrankung manifestiert sich mit Vergrößerung von Milz und Leber, einer interstitiellen Lungenerkrankung sowie einer Wachstumsverzögerung und Blutungen. Im Verlauf kann es zu einer Leberfibrose mit erhöhten Transaminasen und Bilirubin sowie erhöhten Triglyceriden, einem erhöhten LDL und vor allem einem erniedrigten HDL kommen, die letztlich in einer Leberzirrhose mit portaler Hypertension endet. Eine Herzbeteiligung (Herzklappenveränderungen und KHK) wird bei 50 % der Patienten beobachtet. Die alveolären Infiltrate führen zu einer interstitiellen Lungenerkrankung und können Hypoxämie, Belastungsdyspnoe sowie asthmatischen Beschwerden nach sich ziehen. Das Lungenversagen zählt zu den häufigsten Todesursachen neben dem akuten Leberversagen. Rezidivierende Bronchopneumonien werden berichtet. Typisch sind ebenso eine Panzytopenie mit Fokus auf eine Thrombozytopenie und folglich Blutungen. Augenärztlich kann in etwa 50 % der Patienten ein „kirschroter Fleck“ auf der Retina sichtbar sein, der diagnostisch hinweisend auf eine ASMD sein kann [2, 3]. Zerebrale Symptome wie Ataxie mit Gangstörungen, vertikale supranukleäre Blickparese, Kataplexie und generalisierte Anfälle treten bei Typ B insgesamt selten in nur circa 10 % der Fälle auf [1].

Diagnose: Gesichert wird die Diagnose durch eine Enzymbestimmung der sauren Sphingomyelinase in Leukozyten oder Fibroblasten. Die Symptome ähneln sehr denen des M. Gaucher und des Saure-Lipase-Defizits. Es ist eine Trockenbluttestung auf alle drei Erkrankungen möglich.

Therapie: Bislang konnte man NP-A/B nur symptomatisch behandeln. In einer Phase-I/II-Studie mit fünf erwachsenen NP-B-Patienten wurde nun der Wirkstoff Olipudase alfa, eine intravenöse Enzymersatztherapie getestet [4]. Bei vier der fünf Patienten zeigte eine Leberbiopsie die Abnahme des Speichermaterials sowie eine Reduktion des Leber- und Milzvolumens. Auch die Infiltrate der Lunge, die Blutfettwerte und die Thrombozytenanzahl der Probanden verbesserten sich im Untersuchungszeitraum. Es wurden keine ernsthaften Nebenwirkungen berichtet. Eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie für Kinder und Erwachsene läuft derzeit [5].