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Prof. em. Dr. med. Dr. h. c. Dietrich Reinhardt, München

Die US-amerikanische Upstate KIDS Study untersuchte den Einfluss einer Adipositas der Eltern auf frühe Entwicklungskriterien ihrer Kinder. Väterliches Übergewicht war in diesem Zusammenhang noch nie betrachtet worden. In die Studie aufgenommen wurden 5.034 Elternpaare aus dem Staat New York (nicht aus der Stadt) im Zeitraum 2008–2010. Sie sollten 4, 8, 12, 18, 24, 30 und 36 Monate nach der Geburt ihres Kindes einen standardisierten Fragebogen ausfüllen. Darin wurde neben dem Body-Mass-Index (BMI) der Eltern der Entwicklungsstand des Kindes erfasst, und zwar in den Bereichen Fein- und Grobmotorik, kommunikative und soziale Kompentenz sowie Problemlösungsfähigkeit.

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Ihre Kinder sind potenziell benachteiligt.

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In die Analyse eingeschlossen wurden 3.759 Einzelkinder und 1.062 zweieiige Zwillinge. Von allen lag mehr als ein Fragebogen vor. In einer linearen Regressionsanalyse wurden maternale Kovarianten wie Alter, ethnische Zugehörigkeit, Bildungsstand, sozialer Status, Parität sowie Rauchen während der Schwangerschaft berücksichtigt.

26 % der Mütter und 29 % der Väter hatten eine Adipositas mit einem BMI von > 30. Die Kinder adipöser Mütter hatten im Vergleich zu jenen von Müttern mit einem BMI < 25 ein um den Faktor 1,67 signifikant erhöhtes Risiko für Defizite in der Feinmotorik. Diese Assoziation bestand auch nach der Berücksichtigung des väterlichen BMI fort. Die übrigen Kriterien waren nicht mit einer Adipositas der Mutter assoziiert.

Dagegen korrelierte eine väterliche Adipositas mit einer Fehlentwicklung auf der sozialen Ebene. Das Risiko war 1,75-fach erhöht und blieb auch nach Berücksichtigung des mütterlichen BMI erhalten.

Hatten beide Eltern einen BMI von > 35, zeigten die Kinder neben den genannten Problemen auch 2,93-fach häufiger eine eingeschränkte Problemlösungsfähigkeit.

Kommentar

Als Erklärung für diesen Einfluss beziehen sich die Autoren auf tierexperimentelle Untersuchungen, in denen sich sowohl bei adipösen Muttertieren als auch bei ihren Feten Fettsäuren in den Adipozyten akkumulieren, was zu einer Hypertrophie dieser Zellen führt. Als Folge kommt es zu einer Expression von Immunzellen. Verschiedene Zytokine werden freigesetzt, die eine chronische Entzündung auslösen. Diese soll dann über die Beeinflussung von genetischen Programmierungsvorgängen in verschiedene neurologische Entwicklungsabläufe eingreifen.

Die Entzündungstheorie kann jedoch nicht erklären, warum eine mütterliche Adipositas andere Entwicklungsmuster beeinflusst als eine väterliche. Die Autoren spekulieren, dass dafür auch epigenetische Faktoren verantwortlich sein könnten.

Eine einfachere Erklärung wäre, dass Mütter und Väter ganz unterschiedliche Erziehungseffekte auf ihre Kinder haben. Sind sie aufgrund einer Adipositas in ihrer Mobilität eingeschränkt, könnten darunter Erziehung und Übung im jeweiligen Bereich leiden.