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Hunger, Durst oder Angst? Babys schreien nicht ohne Grund.

© Renee Jansoa / Fotolia

Wenn Babys sehr viel schreien und sich schlecht beruhigen lassen, bringt das Eltern oft zur Verzweiflung. Das gilt insbesondere dann, wenn sie nicht wissen, was das Schreien auslöst. Dabei bleibt die Ursache für exzessives Schreien in den meisten Fällen ungeklärt. In den wenigsten Fällen liegen nachweisbare organische Störungen zugrunde. Somit kommt dem Pädiater neben dem Ausschluss relevanter Ursachen vor allem die Aufgabe zu, die häufig überforderten Eltern unterstützend zu beraten und auf Hilfsangebote hinzuweisen. Ziel ist vor allem auch, das kindliche Schütteltrauma zu verhindern.

International deutliche Unterschiede

Eine kürzlich publizierte Studie aus England hat die Schreifrequenzen von 8.690 Babys weltweit untersucht. Dazu hat ein Team um den Psychologen Dr. Dieter Wolke von der Universität Warwick in Coventry 28 Studien ausgewertet, in denen Eltern aus neun Ländern (Großbritannien, Kanada, USA, Italien, Niederlande, Deutschland, Australien, Dänemark, Japan) Tagebuch über das Schreiverhalten ihrer Kinder in den ersten zwölf Wochen nach Geburt geführt hatten.

Insgesamt fanden die Forscher in ihrer Metaanalyse keinen Hinweis auf einen signifikanten Schreigipfel in der 5. und 6. Woche, wie er in vielen Publikationen propagiert wird. Im weltweiten Mittel schrien die Säuglinge in den ersten 6 Wochen täglich zwischen 117 und 133 Minuten, im Alter von 2 Wochen waren es im Schnitt 2 Stunden, in Woche 6 schrien die Kinder im Durchschnitt 2 Stunden und 15 Minuten, danach sank die Schreidauer bis zu Woche 12 auf 68 Minuten täglich ab.

In Deutschland lag die Schreidauer in Woche 1–2 sowie in Woche 3–4 deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt. Als entscheidender Einflussfaktor erwies sich in der Studie das Füttern. Generell zeigten Babys, die — zusätzlich zur Brust oder ausschließlich — das Fläschchen bekamen, im Alter von 5–6 Wochen signifikant kürzere Schreiepisoden als der Durchschnitt. Dagegen schrien Babys, die gestillt wurden, im Alter von 3–4 Wochen deutlich mehr.

Sogenannte Dreimonatskoliken (Definition nach Wessel, s. Kasten) traten in den ersten sechs Wochen mit einem Anteil von 17–25% signifikant häufiger auf als danach. Im Alter von 8–9 Wochen waren es 11%, in Woche 10–12 nur noch 0,6%.

Letztlich lasse sich aus den Ergebnissen folgern, dass das exzessive Quengeln und Schreien bei der Mehrzahl der Kinder selbstlimitierend sei und sich nach drei Monaten spontan deutlich bessere. Sei das nicht der Fall, so die Autoren, müsse man an das Vorliegen einer Regulationsstörung denken, die eine entsprechende Intervention erfordere.