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Dr. med. Kirsten Stollhoff, Hamburg

Welche Symptome im Kindesalter haben einen Einfluss darauf, ob die ADHS auch im Erwachsenenalter bestehen bleibt? Um diese Frage zu beantworten, werteten Autoren aus Kanada und den USA die Datensätze der MTA-Studie (Multimodal Treatment Study of Children with ADHD) von 1999 aus. Bei den inzwischen 25-jährigen Studienteilnehmern wurde untersucht, ob noch eine ADHS besteht. 453 der ursprünglich 579 Teilnehmer der MTA-Studie wurden gemäß den Kriterien des DSM-5 mit den Conners' Adult ADHD Rating Scales befragt.

Die Autoren ermittelten als Hauptrisikofaktoren für das Persistieren einer ADHS eine stark ausgeprägte Symptomatik im Kindesalter und das Vorliegen von psychischen Erkrankungen der Eltern. In geringerem Ausmaß spielte auch das Vorliegen von Komorbiditäten eine Rolle. Keinen Einfluss auf das Persistieren der ADHS hatte hingegen die Intelligenz des Kindes, der sozioökonomische Status sowie der Erziehungsstil der Eltern beziehungsweise die Eltern-Kind-Beziehung.

Kommentar

Wird mein Kind auch noch im Erwachsenenalter eine ADHS haben? Diese Frage wird uns im Rahmen des Diagnosegesprächs oder im Laufe der weiteren Therapie häufig gestellt. Auch andere Studien bestätigen, dass die Schwere der ADHS-Symptomatik, aber auch die psychische Gesundheit der Eltern, vor allem die der Mutter, einen wesentlichen Faktor darstellen [Biederman J et al. Psychiatry Res 2010;177: 299—304, Biedermann J et al J Clin Psychiatry 2012;73:941—50, Miranda A et al. PLoS One 2015;10(5):e0128325]. Die Schwere der Symptomatik ist oft nicht zu trennen von dem zusätzlichen Vorliegen von Komorbiditäten vor allem der Störung des Sozialverhaltens.

Erstaunlich ist für mich, dass der IQ keine Rolle spielt: Eine hohe Intelligenz ermöglicht es gerade in der Schule, die ADHS-Symptomatik besser zu kompensieren, und hilft dem Betroffenen im weiteren Verlauf, die Störungsrelevanz zu mindern. Auch dass die elterliche Erziehung keinen Einfluss auf das Persistieren der ADHS-Symptomatik haben soll, erstaunt. Denn in vorherigen Studien konnte belegt werden, dass Elterntraining einen mindernden Effekt auf die ADHS-Symptomatik haben kann und damit ebenfalls die Störungsrelevanz im weiteren Verlauf mindern sollte.

Durch die Studie von Roy und Kollegen wird gezeigt, dass ADHS keine vorübergehende Störung ist. Es bedarf einer kontinuierlichen Begleitung mit Hauptaugenmerk auf die Kinder mit ausgeprägter ADHS. Das Vorliegen von psychischen Erkrankungen bei den Eltern sollte im klinischen Alltag mehr berücksichtigt und eventuell eine wirksame Therapie eingeleitet werden. Künftige Studien werden ermitteln, ob das Persistieren auf genetische Faktoren zurückzuführen ist und ob im Laufe des Erwachsenenalters die Symptomatik variieren kann.