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Dr. med. Ulrich Mutschler, Hamburg

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Eine Allergie gegen Krusten- und Schalentiere kommt im pädiatrischen Klientel am häufigsten bei Jugendlichen vor, oft besteht auch ein mögliches Anaphylaxierisiko. In der EU besteht deshalb eine Pflicht zur Allergenkennzeichnung, die neben Fischen auch Schalen- und Krustentiere sowie Weichtiere (z. B. Schnecken, Muscheln oder Austern) umfasst. Unterschiede in der Allergiehäufigkeit resultieren vor allem aus dem unterschiedlichen Konsumverhalten in den jeweiligen Lebensaltern, Allergien gegen Weichtiere wie Muscheln und Oktopus sind im Kindesalter daher selten. Schalentiere (Garnelen, Krabben, Langusten und Hummer sowie Fluss- oder Taschenkrebse) können zuvor symptomlos konsumiert worden sein, bis dann später erste Symptome beobachtet werden. Dies weist möglicherweise auch auf eine sekundäre Nahrungsmittelallergie bei vorbestehender Hausstaubmilbenallergie hin.

Früher dachte man, dass sich zur Diagnostik der Pricktest mit nativem oder gekochtem Allergen gut eigne. Bei einer hohen Anaphylaxiegefahr sollte man jedoch zunächst In-vitro-Tests vorschalten. Die zugrunde liegende Allergiekomponente ist das Tropomyosin, das auch in Arthropoden sowie in Schalen- und einigen Weichtieren exprimiert wird. Eine spontane orale Toleranzentwicklung ist dabei nicht vorherzusagen.

Australische Allergologen um Andreas Lopata berichten, dass inzwischen sieben verschiedene Allergene von Krusten- und Schalentieren identifiziert wurden: Tropomyosin, Argininkinase, sarkoplasmatisches kalziumbindendes Protein, Myosin, Troponin C, Triosephosphatisomerase und Aktin. Bisher sind für die letzten vier genannten Allergene allerdings noch keine rekombinante Präparate für eine IgE-basierte Routinediagnostik aus dem Serum verfügbar.

Man sollte dabei neben dem Gesamt-IgE das allergenspezifische IgE des vermuteten auslösenden Krusten- oder Schalentiers und vor allem das allergenspezifische IgE gegen Tropomyosin (Pen a 1; Majorallergen aus der Garnele) bestimmen. Letzteres ist Teil des kontraktilen Zellapparates aller eukaryotischen Zellen, recht hitzestabil und auch für die unerwarteten Kreuzreaktionen zwischen Nahrungsmitteln und Aeroallergenen verantwortlich (d.h. Hausstaubmilben und Schalentiere). Etwa 95 % der Schalentier-Allergiker sind gegen Tropomyosin sensibilisiert, bei Milbenallergikern sind es 10–80 %. Ungeklärt ist noch, ob die Sensibilisierung auf gastrointestinalem Weg oder aerogen entsteht.

Ist nur der Labortest auf Extrakt-, nicht aber auf Tropomyosin-spezifisches IgE positiv, ist eine Sensibilisierung auf Tropomyosin unwahrscheinlich. Wenn beide IgE-Tests negativ sind, kann der Pricktest durchgeführt werden, entweder mit einem kommerziell erhältlichen Extrakt oder auch mit Nativmaterial. Und ist der Pricktest eindeutig negativ, kann man eine Sensibilisierung vom Soforttyp so gut wie ausschließen. Orale Provokationstests bleiben dann den Fällen vorbehalten, in denen Anamnese und Labor gar nicht übereinstimmen wollen. Bei der Symptomatik Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Tenesmen und Schüttelfrost nach Muschelgenuss kann es sich statt allergologischer Probleme eventuell auch um toxische Nahrungsmittelreaktionen handeln.

Kommentar

Allergien gegen Meeresfrüchte sind teilweise schwer lösbare und im klinischen Alltag recht komplexe Themen. Deshalb ist die ausführliche Übersichtsarbeit von Lopata et al. sehr hilfreich bei der Definition des aktuellen Vorgehens. Sie enthält praxisnahe Empfehlungen für die Diagnostik. Auf Fernreisen oder in asiatischen Restaurants ergibt sich außerdem zusätzlich die Gefahr einer Kreuzkontamination (z. B. beim Grillen) oder bei Unkenntnis des Bedienungspersonals. Auch Surimi, eigentlich ein Krebsfleischimitat aus Fischanteilen, enthält häufiger Extrakte aus Krustentieren, um es dekorativ einzufärben. Das muss entsprechend auf der Verpackung vermerkt werden und ist damit natürlich für Allergiker ungeeignet.