_ Vielen Ärzten, die auch durchaus langjährig in der Pädiatrie tätig sind, sträuben sich beim Thema „Stoffwechselerkrankungen“ die Nackenhaare, da es sich hier für etliche noch immer um ein Buch mit sieben Siegeln handelt. Prof. Dr. Hansjosef Böhles macht es geschickt. Er gewinnt den Leser mit interessanten historischen Themen. So beschreibt er die Leistungen zahlreicher Forscher wie Max Rubner, der in einem Bombenkalorimeter die Energiefreisetzung bei der Verbrennung von Nahrungsbestandteilen bestimmte, oder von Adolf Kußmaul, der bereits 1874 die nach ihm benannte „Kußmaul-Atmung“ beim diabetischen Koma publizierte.

Das Buch ist zweigeteilt. Die erste Hälfte befasst sich mit Grundlagenwissen. Wohltuend sind so einfache Merksätze wie „Die Leber ist ein Fettsäuren-konsumierendes und ein Glukose-produzierendes Organ“. Für die tägliche Arbeit wichtig sind die Ausführungen zum Natriumhaushalt, zur Bedeutung des Laktats oder etwa zur Glykogenspeicherkapazität der fetalen Leber. Ob es in einem „Stoffwechselbuch“ eigene Propädeutikkapitel zum Verständnis von bildgebenden Verfahren oder von elektrophysiologischen Untersuchungsmethoden bedarf, mag dahingestellt bleiben. Das Kapitel zum metabolischen Labor ist hingegen essenziell. Geruchshinweise oder typische Urinverfärbungen können hilfreiche Markereigenschaften in der frühen Differenzialdiagnose darstellen. Denken wir nur an den Mäusegeruch bei der PKU.

Großartig und wichtig ist insbesondere für den niedergelassenen Praktiker oder den Kliniker eines Krankenhauses an der Basis die zweite Hälfte des Buches, die sich mit den metabolischen Erkrankungen konkret beschäftigt. Die Ausführungen zu den Leitsymptomen — teilweise verdeutlicht mit Patientenfotos — sind sehr hilfreich. Quervernetzte Merksätze wie „Furosemid führt zu Veränderungen wie beim Bartter-Syndrom“ tuen gut. Aber auch seltene Krankheitsbilder wie der Morbus Wolman werden verständlich charakterisiert. Bei der nächsten Auflage sollte die inzwischen verfügbare und seit 2015 in Deutschland zugelassene Enzymersatztherapie mit Sebelipase alfa für diesen lysomalen sauren Lipase-Mangel allerdings Erwähnung finden.

Wertvoll für das differenzialdiagnostische Denken sind die diagnostischen Strategien gegen Ende des Buches. Als Fazit bleiben 500 Seiten komprimiertes Wissen — verfasst von nur einem Autor und somit aus einem Guss — ansprechend und empfehlenswert aufgearbeitet. Das Werk ist zusätzlich mit einer elektronischen Buchversion versehen.

figure 1

Hansjosef Böhles

Stoffwechselerkrankungen im Kindes- und Jugendalter

Thieme, Stuttgart 2016 ISBN: 9783132007215 129,99 €