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Dr. med. Kirsten Stollhoff, Hamburg

Die britischen Autoren einer aktuellen Studie gehen der Frage nach, ob es zwischen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Adipositas einen Zusammenhang gibt. Sie führten eine Metaanalyse mit 42 Studien durch: 728.136 Menschen, davon 48.161 mit ADHS, wurden erfasst. Sowohl bei Kindern (Odds Ratio [OR]: 1,20) als auch bei Erwachsenen (OR: 1,55) mit ADHS trat eine Adipositas signifikant häufiger auf als bei Probanden, die nicht unter ADHS litten. Die Prävalenz für Adipositas betrug bei Erwachsenen mit ADHS 28,2 % versus 16,4 % bei Gesunden, bei Kindern mit ADHS 10,4 % versus 7,4 %. Wurde eine medikamentöse Therapie der ADHS durchgeführt, normalisierte sich das erhöhte Risiko für eine Adipositas.

Kommentar

Die Metaanalyse stellt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen ADHS und Adipositas her und zwar schon bei Kindern. Der Effekt bleibt auch noch im Erwachsenenalter erhalten. Offen bleibt die Kausalität: Diskutiert wird das Kernsymptom Impulsivität als Ursache. Möglich wäre auch eine primäre Störung im Belohnungszentrum, ein fehlendes „Sattheitsgefühl“ oder die Folge der Außenseiterposition in Form von Frustessen. Wir beobachten auch immer wieder, dass erst in der Pubertät ein oft initial bestehendes Untergewicht in Adipositas umschlägt. Parallel dazu nimmt die Hyperaktivität ab und der visuelle Medienkonsum zu.

Eine Stimulanzientherapie verhindert die Entwicklung einer Adipositas. Die meist unerwünschte Nebenwirkung des Appetitmangels wirkt sich also protektiv aus. Ob dies allerdings auch bei Absetzen der Therapie anhält, geht aus den Studiendaten nicht hervor und erscheint aus der klinischen Erfahrung als fraglich. Wenn die medikamentöse Therapie nicht durch extensiven Nikotinabusus ersetzt wird, erleben wir häufig eine deutliche Gewichtszunahme bei den Jugendlichen, die auf eigenen Wunsch die Medikation absetzen. Zur besseren Beurteilung der Kausalität und auch des Einflusses der medikamentösen Therapie sind Langzeitverläufe erforderlich. Auch fehlen Daten über den Gewichtsverlauf bei adipösen ADHS-Patienten unter medikamentöser Therapie.

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Bei Kindern mit ADHS besteht ein Risiko für Übergewicht.

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