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Dr. med Kirsten Stollhoff, Hamburg

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ADHS und motorische Auffälligkeiten kommen häufig gemeinsam vor.

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In einer aktuellen Studie gehen die Autoren der Frage nach, ob und welche Auffälligkeiten in der motorischen Entwicklung bei Kindern mit ADHS auftreten im Vergleich zu Kindern ohne ADHS [1]. 200 Kinder im Alter von 5–10 Jahren wurden in die Querschnittsuntersuchung aufgenommen: 50 Kinder mit ADHS (diagnostiziert gemäß dem DSM-IV) und 150 Kinder ohne ADHS. Zur Beurteilung der Grob- und Feinmotorik, des Gleichgewichts, des Körperschemas und der temporo-spatialen Orientierung wurden die Motor-Development-Skalen eingesetzt.

52 % der Kinder mit ADHS schnitten in den motorischen Tests unterdurchschnittlich ab verglichen mit 7,3 % in der Kontrollgruppe. Außerdem zeigten Kinder mit ADHS im Schnitt eine um 23,4 Monate verzögerte motorische Entwicklung in allen untersuchten Teilbereichen. Die Autoren stellen deshalb die Hypothese auf, dass ein gemeinsamer pathogenetischer Mechanismus der ADHS und der motorischen Entwicklungsverzögerung zugrunde liegt.

Kommentar

Ein Zusammenhang zwischen „motorischer Ungeschicklichkeit“ und ADHS wurde schon lange beobachtet, er ist bereits in der Definition des Syndroms „minimal brain dysfunction/damage“ (MBD) enthalten. Gillberg et al. haben erstmals systematisch Kinder mit ADHS und motorischen Auffälligkeiten untersucht und den Begriff „deficit attention motor perception“ (DAMP) geprägt [2]. Sie weisen darauf hin, dass es sich bei den motorischen Auffälligkeiten nicht um ein pathologisches Bewegungsmuster handelt, sondern um eine motorische Reifungsverzögerung von durchschnittlich knapp 2 Jahren. Ursächlich könnten Störungen von fronto-striato-thalamischen, aber auch fronto-parieto-cerebellären Netzwerken sein.

Leider wird dieser seit Jahrzehnten bekannten Beobachtung im Alltag der Betroffenen noch immer nicht Rechnung getragen. Bereits im Kindergarten, spätestens aber in der Schule werden sie in motorischen Bereichen überfordert. Nicht selten werden die motorischen Auffälligkeiten in Form einer Entwicklungsdyspraxie als primäre Ursache für das Aufmerksamkeitsdefizit gewertet und eine jahrelange Ergo- und krankengymnastische Therapie durchgeführt, was das Leiden des betroffenen Kindes verlängert. Kinder die sowohl unter einer ADHS und einer motorischen Entwicklungsverzögerung leiden, sollten engmaschig therapeutisch begleitet werden. Die Prognose hinsichtlich der psychosozialen Integration ist schlechter als beim separaten Auftreten der beiden Störungen [3, 4]