Obwohl Atemwegsinfektionen überwiegend viral bedingt sind, sind sie noch immer der bei weitem häufigste Grund für die Verordnung von Antibiotika — auch in der pädiatrischen Praxis. Dr. Michael Hubmann, niedergelassener Pädiater und Neuropädiater in Zirndorf, erläutert, wie er im Alltag symptomatische Therapie, Phytotherapie und Antibiotikatherapie in Einklang bringt und welche Bedeutung der Kommunikation mit den Eltern zukommt.
? Bei Atemwegsinfektionen verordnet der Arzt Antibiotika: Dieses Schema ist immer noch in vielen Köpfen fest verankert. Sehen Sie häufig Eltern, die bei Atemwegsinfektionen Antibiotika geradezu erwarten?
Hubmann: Das ist bei mir im Praxisalltag kein Problem. Es ist eher so, dass Erklärungen erwartet werden, wenn ich mich dazu entschließe, ein Antibiotikum zu verordnen. In diesem Punkt scheint es allerdings erhebliche regionale Unterschiede zu geben. In Regionen, in denen viele Antibiotika verordnet werden, beispielsweise in Teilen Nordrhein-Westfalens, erwarten Eltern auch eher die Verordnung eines Antibiotikums. In unserer Region ist das meist nicht so.
? Sie müssen nichts erklären, wenn Sie auf Antibiotika verzichten?
Hubmann: Das habe ich nicht gesagt. Es gibt oft einen erheblichen Kommunikationsbedarf. Die Eltern haben Angst um ihr Kind und wollen nur das Beste. Sie können aber auch nicht ewig bei der Arbeit fehlen. Darauf muss ich als Arzt im Gespräch mit den Eltern eingehen und eine Lösung anbieten.
? Wie genau kann diese Lösung aussehen?
Hubmann: Wenn ich anfangen würde, zu sagen „kommt von alleine, geht von alleine“, wie das früher teilweise gemacht wurde, werde ich weder dem Kind noch den Eltern gerecht. Entscheidend ist, den Eltern einerseits zu erläutern, dass eine Behandlung mit Antibiotika bei Virusinfektionen nicht sinnvoll ist. Ich muss ihnen aber auch sagen, dass das nicht heißt, dass wir medizinisch nur abwarten können. Mit symptomatischen Maßnahmen und richtig ausgewählten Phytotherapeutika können wir virale Atemwegsinfektionen effektiv behandeln.
? Wie genau gehen Sie vor, wenn Sie zum Beispiel ein Kind mit Bronchitis behandeln?
Hubmann: Zunächst einmal versuche ich, positiv herauszuheben, dass es sich wahrscheinlich um einen Virusinfekt handelt und dass das Immunsystem bei der Heilung einen wesentlichen Teil selbst tragen kann und muss. Ich erkläre auch, dass das nicht von heute auf morgen geht, sondern einige Tage dauert. Das muss man den Eltern schon sagen, manchmal auch mehrfach. An symptomatischen Maßnahmen empfehle ich dann generell eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme. Wichtig ist meines Erachtens außerdem die Schlafumgebung: Auch wenn die Kinder krank sind, muss das Kinderzimmer nachts nicht geheizt werden. Und es sollte auf eine adäquate Frischluftzufuhr geachtet werden. Medikamentös setze ich bei Kindern mit Infektionen der unteren Atemwege bevorzugt phytotherapeutische Kombinationen ein, die Efeu und Thymian enthalten.
? Warum gerade diese Kombination?
Hubmann: Ich sehe da einen guten Synergismus. Die Kombination ist der jeweiligen Einzeltherapie meiner Erfahrung nach deutlich überlegen. Gerade bei Infektionen mit schleimigem, etwas zähem Husten funktioniert das gut. Da profitieren die Kinder neben der schleimlösenden auch von der bronchospasmolytischen Wirkung.
? Ist die Phytotherapie für Sie symptomatisch oder kausal?
Hubmann: Die Übergänge sind fließend. Ich halte viele Vorträge zu diesem Thema und kenne natürlich die In-vitro-Daten, die einen teilweise kausalen und besonders anti-entzündlichen Effekt der Phytotherapie nahelegen. Ich muss allerdings ehrlicherweise sagen, dass das in der Patientenkommunikation nur ein Randaspekt ist. Für die Kinder und ihre Eltern ist entscheidend, ob und wie schnell die Beschwerden besser werden.
? Wann würden Sie eine Antibiotikatherapie beginnen? Was sind die „Red Flags“?
Hubmann: Wenn mehr als drei Tage nach dem Untersuchungszeitpunkt noch Fieber besteht oder die Erkrankung insgesamt mehr als fünf bis sieben Tage dauert, möchte ich das Kind noch einmal sehen. Klinisch würde ich ein Antibiotikum ansetzen, wenn bei einer Bronchitis feuchte Rasselgeräusche auftreten, die auf eine Verschlechterung oder beginnende Pneumonie hindeuten. Bei Kindern, die erneut vorstellig werden, mache ich immer auch ein „bedside“-Labor mit Blutbild und CRP. Wenn sich hier starke Auffälligkeiten zeigen, würde ich auch zum Antibiotikum greifen. Wichtig sind außerdem etwas weichere, subjektive Faktoren. Wenn die Eltern sagen, dass es dem Kind schlechter geht, oder wenn ich selbst den Eindruck habe, dass sich ein Kind, das ich kenne, völlig anders verhält als sonst — das sind auch Warnzeichen.
Literatur
Das Interview führte Philipp Grätzel von Grätz.
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Urban & Vogel. „Ich muss den Eltern eine Lösung anbieten“. Pädiatrie 26, 109 (2014). https://doi.org/10.1007/s15014-014-0348-x
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