Die vorgeburtliche Aufklärungsverpflichtung hat bei Risikogeburten in den vergangenen Jahren an Umfang zugenommen. Die Beckenendlage ist nur ein Beispiel für die zwingende Notwendigkeit einer präpartalen Risikoaufklärung der Schwangeren im Rahmen der Geburtsplanung.

Juristisch bildet die Einwilligung des Patienten/der Patientin die wesentliche Voraussetzung für die rechtmäßige Durchführung einer medizinischen Behandlung. Diese Einwilligung wiederum setzt eine Aufklärung voraus. Eine Risikoaufklärung in der Geburtshilfe - Zustand nach Sectio, Beckenendlage, fetale Makrosomie, Mehrlingsgeburt und Geburtseinleitung sind nur einige Beispiele - ergibt aber nur Sinn, wenn im Rahmen vorgeburtlicher Entscheidungen die Option besteht, die genannten Risiken zu vermeiden.

In der Geburtsplanung geht es zumeist um Risiken der Vaginalgeburt, die durch die Entscheidung zugunsten einer primären Sectio umgangen werden können. Bei Wunsch nach Vaginalgeburt entsteht der Schwangeren insofern ein Entscheidungskonflikt zwischen einer zumeist das Kind betreffenden Risikobereitschaft auf der einen und einer Anpassung der Geburtswünsche auf der anderen Seite. Das Aufklärungsgespräch in der Geburtshilfe, das in der Regel ergebnisoffen und weder bagatellisierend noch dramatisierend sein sollte, erfordert daher Erfahrung, Einfühlungsvermögen und einen ausreichend gesetzten Zeitrahmen.

Zwei Phänomene sind häufig zu beobachten: 1. Risiken in der Geburtshilfe werden von den Betroffenen häufig anders bewertet als in anderen Lebensbereichen. Nicht selten sind Schwangere bereit, ein Risiko im Promille- bis einstelligen Prozentbereich als niedrig, also vertretbar zu bewerten, auch wenn es sich inhaltlich um das Risiko einer schwerwiegenden Komplikation handelt: "Die Wahrscheinlichkeit, dass es mich nicht trifft, ist ja 98 %!" Demgegenüber würden Eltern es kaum akzeptieren, wenn sich auf dem Schulweg ihres Kindes mit dem Fahrrad eine Unfallhäufigkeit im niedrigen Prozentbereich darstellen, also tagtäglich ein bis zwei Kinder von 100 verunfallen würden.

2. Die Perspektive ex ante ist eine völlig andere, als ex post, wenn ein Geburtsschaden eingetreten ist. Während wir es keineswegs regelmäßig erleben, dass eine Schwangere nach Risikoaufklärung ihre eigene Geburtsplanung verändert, trägt im Schadensfall nahezu jede Schwangere in nachvollziehbarer Weise vor, dass sie sich niemals für diesen Weg entschieden hätte, wenn ihr das Risiko bewusst gemacht worden wäre. Letzteres, also die Frage einer ausreichenden Risikoaufklärung, ist dann nicht selten auch ausschlaggebend für den Verlauf und Ausgang der unvermeidlichen juristischen Auseinandersetzung.

Neben der vorgeburtlichen Aufklärung ergeben sich auch innerhalb des Geburtsverlaufs Situationen, die eine Aufklärung erforderlich machen. So soll aus heutiger Sicht die Möglichkeit der sekundären Sectio angesprochen werden, sobald sich diese als Alternative zur Fortsetzung der vaginalen Geburt darstellt. Die Gebärende muss mitentscheiden, und dazu bedarf es einer Aufklärung. Tatsächlich kündigt sich die Notwendigkeit einer sekundären Sectio oder einer vaginal-operativen Entbindung aber nicht immer mit dem wünschenswerten Vorlauf an. Einigkeit besteht darüber, dass in einer akuten Notfallsituation eine umfassende Aufklärung verzichtbar ist. Insbesondere in der Austreibungsperiode sind aber per se die Rahmenbedingungen für eine Aufklärung, zum Beispiel vor vaginal-operativer Entbindung oder Anlegen eines Dammschnittes, außerordentlich ungünstig. Hier ist eher die Information und Kommunikation mit der Schwangeren sachgerecht als eine umfassende Aufklärung und Einholung einer Einverständniserklärung. An dieser Stelle sind wir als Sachverständige und Gutachter gefordert, der juristischen Zunft die Besonderheiten der Abläufe im Kreißsaal zu vermitteln.

Auch ohne spezifische Geburtsrisiken stellt sich zunehmend die Frage, ob und inwieweit die Unabwägbarkeiten der Vaginalgeburt aufklärungspflichtig werden. Beckenbodenschaden und Geburtsverletzungen sind nur zwei Themen, die an dieser Stelle diskutiert werden. Geburtsschäden, also die tragische Situation, dass ein zuvor gesunder Fetus im Rahmen der Geburt einen womöglich irreversiblen Schaden erleidet, betreffen ganz überwiegend Vaginalgeburten. Werden wir also zukünftig auch über die Risiken der "normalen Geburt" aufklären müssen oder sind diese aufgrund des natürlichen Vorganges der Geburt als gegeben hinzunehmen?

Mit dieser Thematik werden sich Geburtshelfer und Juristen zukünftig auseinandersetzen müssen. Beispielhafte Gerichtsverfahren gibt es bereits heute. Dem erklärten Ziel einer Senkung der Sectiorate steht diese Entwicklung naturgemäß entgegen.